druß zu lieben: Und zanken sich doch in den näch- sten vier und zwanzig Stunden noch einmal, ver- söhnen sich auf eben diese Art noch einmal, und schwören noch einmal. Auf diese Art bleibt ihre Liebe immer neu; sie kann nicht rosten, denn sie fangen alle vier und zwanzig Stunden vom neuen an, sich zu lieben. Ein solcher Zank ist in der Ehe, wie ein fruchtbares Gewitter im Sommer.
Vielleicht wundert man sich, warum ich die- ses Bild so sorgfaltig ausgemalt habe? Es ist eine Schmeicheley, die ich meinem Wirthe schuldig bin, welcher auf dergleichen Art übermorgen fünf und zwanzig Jahre im Ehestande lebt. Er und seine Frau lieben sich so herzlich, wie die Kinder; sie zanken sich aber auch so. Vierzehen Jahre hat er sich mit ihr gezankt, zwölf Jahre mit ihr aus- gesöhnt, und ein Jahr ungefähr rechnet er auf die Zeit, wo sie beide geschmollt haben. Diese beständige Abwechselung hat ihm seinen Ehestand so neu gemacht, daß er seine Frau noch diese Stunde nicht überdrüßig ist. Er liebt sie vom ganzen Herzen; und sollte sie sterben - - - ich wünsche es dem ehrlichen Manne nicht - - - aber sollte der Himmel über sie gebieten: er würde un- tröstbar, ganz untröstbar, seyn. Wenigstens in den ersten vier Wochen würde er nicht heirathen.
Jch habe oben gesagt, daß die Liebe, welche nicht rostet, vornehmlich nur von der Liebe unver- heiratheter Personen zu verstehen sey. Mich
dünkt,
Antons Panßa von Mancha
druß zu lieben: Und zanken ſich doch in den naͤch- ſten vier und zwanzig Stunden noch einmal, ver- ſoͤhnen ſich auf eben dieſe Art noch einmal, und ſchwoͤren noch einmal. Auf dieſe Art bleibt ihre Liebe immer neu; ſie kann nicht roſten, denn ſie fangen alle vier und zwanzig Stunden vom neuen an, ſich zu lieben. Ein ſolcher Zank iſt in der Ehe, wie ein fruchtbares Gewitter im Sommer.
Vielleicht wundert man ſich, warum ich die- ſes Bild ſo ſorgfaltig ausgemalt habe? Es iſt eine Schmeicheley, die ich meinem Wirthe ſchuldig bin, welcher auf dergleichen Art uͤbermorgen fuͤnf und zwanzig Jahre im Eheſtande lebt. Er und ſeine Frau lieben ſich ſo herzlich, wie die Kinder; ſie zanken ſich aber auch ſo. Vierzehen Jahre hat er ſich mit ihr gezankt, zwoͤlf Jahre mit ihr aus- geſoͤhnt, und ein Jahr ungefaͤhr rechnet er auf die Zeit, wo ſie beide geſchmollt haben. Dieſe beſtaͤndige Abwechſelung hat ihm ſeinen Eheſtand ſo neu gemacht, daß er ſeine Frau noch dieſe Stunde nicht uͤberdruͤßig iſt. Er liebt ſie vom ganzen Herzen; und ſollte ſie ſterben ‒ ‒ ‒ ich wuͤnſche es dem ehrlichen Manne nicht ‒ ‒ ‒ aber ſollte der Himmel uͤber ſie gebieten: er wuͤrde un- troͤſtbar, ganz untroͤſtbar, ſeyn. Wenigſtens in den erſten vier Wochen wuͤrde er nicht heirathen.
Jch habe oben geſagt, daß die Liebe, welche nicht roſtet, vornehmlich nur von der Liebe unver- heiratheter Perſonen zu verſtehen ſey. Mich
duͤnkt,
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Antons Panßa von Mancha
druß zu lieben: Und zanken ſich doch in den naͤch-
ſten vier und zwanzig Stunden noch einmal, ver-
ſoͤhnen ſich auf eben dieſe Art noch einmal, und
ſchwoͤren noch einmal. Auf dieſe Art bleibt ihre
Liebe immer neu; ſie kann nicht roſten, denn ſie
fangen alle vier und zwanzig Stunden vom neuen
an, ſich zu lieben. Ein ſolcher Zank iſt in der Ehe,
wie ein fruchtbares Gewitter im Sommer.
Vielleicht wundert man ſich, warum ich die-
ſes Bild ſo ſorgfaltig ausgemalt habe? Es iſt eine
Schmeicheley, die ich meinem Wirthe ſchuldig bin,
welcher auf dergleichen Art uͤbermorgen fuͤnf und
zwanzig Jahre im Eheſtande lebt. Er und ſeine
Frau lieben ſich ſo herzlich, wie die Kinder; ſie
zanken ſich aber auch ſo. Vierzehen Jahre hat
er ſich mit ihr gezankt, zwoͤlf Jahre mit ihr aus-
geſoͤhnt, und ein Jahr ungefaͤhr rechnet er auf
die Zeit, wo ſie beide geſchmollt haben. Dieſe
beſtaͤndige Abwechſelung hat ihm ſeinen Eheſtand
ſo neu gemacht, daß er ſeine Frau noch dieſe
Stunde nicht uͤberdruͤßig iſt. Er liebt ſie vom
ganzen Herzen; und ſollte ſie ſterben ‒ ‒ ‒ ich
wuͤnſche es dem ehrlichen Manne nicht ‒ ‒ ‒ aber
ſollte der Himmel uͤber ſie gebieten: er wuͤrde un-
troͤſtbar, ganz untroͤſtbar, ſeyn. Wenigſtens in
den erſten vier Wochen wuͤrde er nicht heirathen.
Jch habe oben geſagt, daß die Liebe, welche
nicht roſtet, vornehmlich nur von der Liebe unver-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/126>, abgerufen am 23.11.2024.
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