Fürs zweyte: Daß ich nur von denen rede, die muthwillig bankrut machen, das ist billig. Es giebt Fälle, die den redlichsten Mann unglücklich machen können. Sollte dieser noch unglücklicher werden, und gezwungen seyn, Sie, Mademoiselle, zu heirathen? Das wäre grausam! gewiß gar zu grausam! Ein ehrlicher Mann, der bankrut macht, gewinnt nichts dabey. Wovon soll er also die Einlage thun? Ueberhaupt verlieren Sie wenig dadurch. Die Exempel sind auch so gar häu- fig nicht.
Warum ich, drittens, zehn Jahre gesetzt habe, das hat diese Ursache. Wer einmal einen vernünftigen Bankrut mit Vortheil gemacht hat, dem wird diese Nahrung gewiß so gut gefallen, daß er ihn wenigstens alle zehn Jahre wiederholt. Kann er es binnen zehn Jahren nicht so weit brin- gen: so ist er entweder zu ungeschickt, oder er hat weder Geld noch Credit mehr, oder er ist so aber- gläubisch gewesen, wieder ehrlich zu werden. Bey allen diesen Leuten ist nichts zu verdienen. Es ist,
Viertens, ein vortrefflicher Einfall von mir, daß ich diejenigen mit dazu ziehe, die sich Mühe geben, in den nächsten zehn Jahren muth- willig bankrut zu werden. Ueberlegen Sie es einmal selbst. Alle Jahre steigt die Anzahl dieser Glücklichen. Wenn Sie, Mademoiselle, die Progressionsrechnung verstünden: so wollte ich Jhnen darthun, daß binnen zehn Jahren fast zwey Drittheile unsrer vorsichtigen Mitbürger das
Ver-
Satyriſche Briefe.
Fuͤrs zweyte: Daß ich nur von denen rede, die muthwillig bankrut machen, das iſt billig. Es giebt Faͤlle, die den redlichſten Mann ungluͤcklich machen koͤnnen. Sollte dieſer noch ungluͤcklicher werden, und gezwungen ſeyn, Sie, Mademoiſelle, zu heirathen? Das waͤre grauſam! gewiß gar zu grauſam! Ein ehrlicher Mann, der bankrut macht, gewinnt nichts dabey. Wovon ſoll er alſo die Einlage thun? Ueberhaupt verlieren Sie wenig dadurch. Die Exempel ſind auch ſo gar haͤu- fig nicht.
Warum ich, drittens, zehn Jahre geſetzt habe, das hat dieſe Urſache. Wer einmal einen vernuͤnftigen Bankrut mit Vortheil gemacht hat, dem wird dieſe Nahrung gewiß ſo gut gefallen, daß er ihn wenigſtens alle zehn Jahre wiederholt. Kann er es binnen zehn Jahren nicht ſo weit brin- gen: ſo iſt er entweder zu ungeſchickt, oder er hat weder Geld noch Credit mehr, oder er iſt ſo aber- glaͤubiſch geweſen, wieder ehrlich zu werden. Bey allen dieſen Leuten iſt nichts zu verdienen. Es iſt,
Viertens, ein vortrefflicher Einfall von mir, daß ich diejenigen mit dazu ziehe, die ſich Muͤhe geben, in den naͤchſten zehn Jahren muth- willig bankrut zu werden. Ueberlegen Sie es einmal ſelbſt. Alle Jahre ſteigt die Anzahl dieſer Gluͤcklichen. Wenn Sie, Mademoiſelle, die Progreſſionsrechnung verſtuͤnden: ſo wollte ich Jhnen darthun, daß binnen zehn Jahren faſt zwey Drittheile unſrer vorſichtigen Mitbuͤrger das
Ver-
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Satyriſche Briefe.
Fuͤrs zweyte: Daß ich nur von denen rede,
die muthwillig bankrut machen, das iſt billig. Es
giebt Faͤlle, die den redlichſten Mann ungluͤcklich
machen koͤnnen. Sollte dieſer noch ungluͤcklicher
werden, und gezwungen ſeyn, Sie, Mademoiſelle,
zu heirathen? Das waͤre grauſam! gewiß gar zu
grauſam! Ein ehrlicher Mann, der bankrut macht,
gewinnt nichts dabey. Wovon ſoll er alſo die
Einlage thun? Ueberhaupt verlieren Sie wenig
dadurch. Die Exempel ſind auch ſo gar haͤu-
fig nicht.
Warum ich, drittens, zehn Jahre geſetzt
habe, das hat dieſe Urſache. Wer einmal einen
vernuͤnftigen Bankrut mit Vortheil gemacht hat,
dem wird dieſe Nahrung gewiß ſo gut gefallen,
daß er ihn wenigſtens alle zehn Jahre wiederholt.
Kann er es binnen zehn Jahren nicht ſo weit brin-
gen: ſo iſt er entweder zu ungeſchickt, oder er hat
weder Geld noch Credit mehr, oder er iſt ſo aber-
glaͤubiſch geweſen, wieder ehrlich zu werden. Bey
allen dieſen Leuten iſt nichts zu verdienen. Es iſt,
Viertens, ein vortrefflicher Einfall von
mir, daß ich diejenigen mit dazu ziehe, die ſich
Muͤhe geben, in den naͤchſten zehn Jahren muth-
willig bankrut zu werden. Ueberlegen Sie es
einmal ſelbſt. Alle Jahre ſteigt die Anzahl dieſer
Gluͤcklichen. Wenn Sie, Mademoiſelle, die
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Jhnen darthun, daß binnen zehn Jahren faſt
zwey Drittheile unſrer vorſichtigen Mitbuͤrger das
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/296>, abgerufen am 27.11.2024.
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