nen Vorsatz fahren, und nun bin ich ohne Rath und Trost. Was soll ich armes Mädchen an- fangen!
Wissen Sie was, Herr Autor, erbarmen Sie Sich meiner! Nehmen Sie mich zu Jhrer Frau! Sie sind noch unverheirathet; Sie sind fast in meinen Jahren, oder doch nicht viel älter; Sie haben ein Amt, das mich und Sie ernähren kann. Eine alte Jungfer ist ja wohl einen alten Junggesellen werth. Jch dächte, Sie nähmen mich immer. Was meynen Sie? Machen Sie mir den Vorwurf nicht, daß ich in meinen jungen Jahren spröde gewesen bin, daß ich bey zuneh- menden Jahren mich allen meinen Bekannten an- geboten habe, und daß mich die Verzweiflung zu Mitteln getrieben hat, die eben nicht die gewissen- haftesten zu seyn scheinen. Es wäre unbillig, wenn meine Offenherzigkeit mir bey Jhnen schaden sollte. Sie kennen mich nun von aussen und von innen. Wer weiß, ob Sie künftig mit Jhrer Frau nicht noch mehr betrogen werden, als mit mir? Wir wollen einander unsre Fehler nicht vorwerfen. Vielleicht haben Sie auch Fehler. Viele Mäd- chen werden um deßwillen zu alten Jungfern, weil sie, wie ich, in ihrer Jugend zu spröde gewesen sind, und an allen Liebhabern etwas zu tadeln ge- funden. Aber wo kommen denn die alten Jung- gesellen her? Jn jungen Jahren lieben sie zu flat- terhaft. Sie glauben, alle Mädchen wären nur für sie geschaffen, und es brauche keine Mühe wei-
ter,
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Satyriſche Briefe.
nen Vorſatz fahren, und nun bin ich ohne Rath und Troſt. Was ſoll ich armes Maͤdchen an- fangen!
Wiſſen Sie was, Herr Autor, erbarmen Sie Sich meiner! Nehmen Sie mich zu Jhrer Frau! Sie ſind noch unverheirathet; Sie ſind faſt in meinen Jahren, oder doch nicht viel aͤlter; Sie haben ein Amt, das mich und Sie ernaͤhren kann. Eine alte Jungfer iſt ja wohl einen alten Junggeſellen werth. Jch daͤchte, Sie naͤhmen mich immer. Was meynen Sie? Machen Sie mir den Vorwurf nicht, daß ich in meinen jungen Jahren ſproͤde geweſen bin, daß ich bey zuneh- menden Jahren mich allen meinen Bekannten an- geboten habe, und daß mich die Verzweiflung zu Mitteln getrieben hat, die eben nicht die gewiſſen- hafteſten zu ſeyn ſcheinen. Es waͤre unbillig, wenn meine Offenherzigkeit mir bey Jhnen ſchaden ſollte. Sie kennen mich nun von auſſen und von innen. Wer weiß, ob Sie kuͤnftig mit Jhrer Frau nicht noch mehr betrogen werden, als mit mir? Wir wollen einander unſre Fehler nicht vorwerfen. Vielleicht haben Sie auch Fehler. Viele Maͤd- chen werden um deßwillen zu alten Jungfern, weil ſie, wie ich, in ihrer Jugend zu ſproͤde geweſen ſind, und an allen Liebhabern etwas zu tadeln ge- funden. Aber wo kommen denn die alten Jung- geſellen her? Jn jungen Jahren lieben ſie zu flat- terhaft. Sie glauben, alle Maͤdchen waͤren nur fuͤr ſie geſchaffen, und es brauche keine Muͤhe wei-
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Satyriſche Briefe.
nen Vorſatz fahren, und nun bin ich ohne Rath
und Troſt. Was ſoll ich armes Maͤdchen an-
fangen!
Wiſſen Sie was, Herr Autor, erbarmen
Sie Sich meiner! Nehmen Sie mich zu Jhrer
Frau! Sie ſind noch unverheirathet; Sie ſind
faſt in meinen Jahren, oder doch nicht viel aͤlter;
Sie haben ein Amt, das mich und Sie ernaͤhren
kann. Eine alte Jungfer iſt ja wohl einen alten
Junggeſellen werth. Jch daͤchte, Sie naͤhmen
mich immer. Was meynen Sie? Machen Sie
mir den Vorwurf nicht, daß ich in meinen jungen
Jahren ſproͤde geweſen bin, daß ich bey zuneh-
menden Jahren mich allen meinen Bekannten an-
geboten habe, und daß mich die Verzweiflung zu
Mitteln getrieben hat, die eben nicht die gewiſſen-
hafteſten zu ſeyn ſcheinen. Es waͤre unbillig, wenn
meine Offenherzigkeit mir bey Jhnen ſchaden ſollte.
Sie kennen mich nun von auſſen und von innen.
Wer weiß, ob Sie kuͤnftig mit Jhrer Frau nicht
noch mehr betrogen werden, als mit mir? Wir
wollen einander unſre Fehler nicht vorwerfen.
Vielleicht haben Sie auch Fehler. Viele Maͤd-
chen werden um deßwillen zu alten Jungfern, weil
ſie, wie ich, in ihrer Jugend zu ſproͤde geweſen
ſind, und an allen Liebhabern etwas zu tadeln ge-
funden. Aber wo kommen denn die alten Jung-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/287>, abgerufen am 27.11.2024.
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