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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
ter, als daß sie die Hand zum Fenster heraus
streckten: so würden gleich zehn Mädchen kom-
men, und sich daran halten. Jst diese Eitelkeit
nicht eben so lächerlich, als die unsrige? Mit zu-
nehmenden Jahren merken sie, daß man sich nicht
um sie zankt, und daß die große Vorstellung von
der Wichtigkeit ihrer Person größtentheils eine eit-
le Einbildung gewesen ist. Nun fangen die Her-
ren aus Verzweiflung an, Böses vom Frauenzim-
mer, von Jungfern und von Weibern zu reden;
und sind sie gar Schriftsteller, wie Sie, hochzu-
ehrender Herr Autor: so schreiben sie Böses, und
spotten über unser Geschlechte. Das nennen sie
Satyren, die nur aus Liebe zur Wahrheit, und
ihren armen Nebenchristen zu bessern, gedruckt
werden. Aber, unter uns gesprochen, geschieht es
nicht aus Begierde, sich wegen der Verachtung
zu rächen, die das Frauenzimmer gegen ihre gro-
ßen Verdienste hat blicken lassen? Jch denke, Sie
sollen mich verstehn, sagte mein Würzkrämer.
Endlich rücken bey den Mannspersonen die trauri-
gen Jahre der Verzweiflung und des Eigennutzes
heran. Wie alt waren Sie, mein Herr? Jch
glaube, ich hatte es oben ausgerechnet, daß Sie
fast so alt sind, als ich. Wie gesagt, die Jahre
des Eigennutzes. Man sieht sich nach einer rei-
chen Frau um. Sie mag aussehn, wie sie wolle,
sie mag alt oder jung, in gutem oder bösem Rufe
seyn, wenn sie nur Geld hat. Bisweilen sind die
Herren so glücklich, den Schatz mit dem Drachen

zu

Satyriſche Briefe.
ter, als daß ſie die Hand zum Fenſter heraus
ſtreckten: ſo wuͤrden gleich zehn Maͤdchen kom-
men, und ſich daran halten. Jſt dieſe Eitelkeit
nicht eben ſo laͤcherlich, als die unſrige? Mit zu-
nehmenden Jahren merken ſie, daß man ſich nicht
um ſie zankt, und daß die große Vorſtellung von
der Wichtigkeit ihrer Perſon groͤßtentheils eine eit-
le Einbildung geweſen iſt. Nun fangen die Her-
ren aus Verzweiflung an, Boͤſes vom Frauenzim-
mer, von Jungfern und von Weibern zu reden;
und ſind ſie gar Schriftſteller, wie Sie, hochzu-
ehrender Herr Autor: ſo ſchreiben ſie Boͤſes, und
ſpotten uͤber unſer Geſchlechte. Das nennen ſie
Satyren, die nur aus Liebe zur Wahrheit, und
ihren armen Nebenchriſten zu beſſern, gedruckt
werden. Aber, unter uns geſprochen, geſchieht es
nicht aus Begierde, ſich wegen der Verachtung
zu raͤchen, die das Frauenzimmer gegen ihre gro-
ßen Verdienſte hat blicken laſſen? Jch denke, Sie
ſollen mich verſtehn, ſagte mein Wuͤrzkraͤmer.
Endlich ruͤcken bey den Mannsperſonen die trauri-
gen Jahre der Verzweiflung und des Eigennutzes
heran. Wie alt waren Sie, mein Herr? Jch
glaube, ich hatte es oben ausgerechnet, daß Sie
faſt ſo alt ſind, als ich. Wie geſagt, die Jahre
des Eigennutzes. Man ſieht ſich nach einer rei-
chen Frau um. Sie mag ausſehn, wie ſie wolle,
ſie mag alt oder jung, in gutem oder boͤſem Rufe
ſeyn, wenn ſie nur Geld hat. Bisweilen ſind die
Herren ſo gluͤcklich, den Schatz mit dem Drachen

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[260/0288] Satyriſche Briefe. ter, als daß ſie die Hand zum Fenſter heraus ſtreckten: ſo wuͤrden gleich zehn Maͤdchen kom- men, und ſich daran halten. Jſt dieſe Eitelkeit nicht eben ſo laͤcherlich, als die unſrige? Mit zu- nehmenden Jahren merken ſie, daß man ſich nicht um ſie zankt, und daß die große Vorſtellung von der Wichtigkeit ihrer Perſon groͤßtentheils eine eit- le Einbildung geweſen iſt. Nun fangen die Her- ren aus Verzweiflung an, Boͤſes vom Frauenzim- mer, von Jungfern und von Weibern zu reden; und ſind ſie gar Schriftſteller, wie Sie, hochzu- ehrender Herr Autor: ſo ſchreiben ſie Boͤſes, und ſpotten uͤber unſer Geſchlechte. Das nennen ſie Satyren, die nur aus Liebe zur Wahrheit, und ihren armen Nebenchriſten zu beſſern, gedruckt werden. Aber, unter uns geſprochen, geſchieht es nicht aus Begierde, ſich wegen der Verachtung zu raͤchen, die das Frauenzimmer gegen ihre gro- ßen Verdienſte hat blicken laſſen? Jch denke, Sie ſollen mich verſtehn, ſagte mein Wuͤrzkraͤmer. Endlich ruͤcken bey den Mannsperſonen die trauri- gen Jahre der Verzweiflung und des Eigennutzes heran. Wie alt waren Sie, mein Herr? Jch glaube, ich hatte es oben ausgerechnet, daß Sie faſt ſo alt ſind, als ich. Wie geſagt, die Jahre des Eigennutzes. Man ſieht ſich nach einer rei- chen Frau um. Sie mag ausſehn, wie ſie wolle, ſie mag alt oder jung, in gutem oder boͤſem Rufe ſeyn, wenn ſie nur Geld hat. Bisweilen ſind die Herren ſo gluͤcklich, den Schatz mit dem Drachen zu

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/288>, abgerufen am 27.11.2024.