Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.


"Da ich noch auf hohen Schulen war, und
"die Welt nicht kannte, ließ ich mir das
"Vorurtheil beybringen, es gehöre mit
"unter die unbemerkten und verzehrenden Krank-
"heiten eines Staats, wenn Privatpersonen, als
"Besitzer von Dörfern und Landgütern, zu viel
"Freyheit hätten, das Recht über ihre Bauern
"unter dem Namen der Erbgerichte zu verwalten.
"Dieser Wahrheit ein fürchterliches Ansehen zu
"geben, stellte man die Möglichkeit vor, daß ein
"Gerichtsherr ungerecht seyn könnte; daß der Un-
"terthan durch diese Ungerechtigkeit, welche noch
"immer den Schein einer Legalität hätte, nach
"und nach entkräftet, und ausser den Stand ge-
"setzt würde, dasjenige zu leisten, was er seinem
"Fürsten schuldig wäre; daß ihm oft nicht Zeit
"gelassen, oder daß es ihm doch sehr schwer ge-
"macht würde, wenn er wider dergleichen Unter-
"drückungen den Schutz der obern Richter anfle-
"hen wollte. Man wollte angemerkt haben, daß
"dergleichen öftere Zunöthigungen, und Un-
"terdrückungen den Unterthanen trotzig und ver-
"stockt machten; daß ihm alles verdächtig
"sey, was man von ihm fodere, daß er sich
"endlich auch in denjenigen Sachen widersetzlich
"bezeige, die er und seine Vorfahren zu thun
"schuldig gewesen. Der Schade von derglei-
"chen Gewaltthätigkeiten falle mit der Zeit dem

Besi-
K 5
Satyriſche Briefe.


Da ich noch auf hohen Schulen war, und
„die Welt nicht kannte, ließ ich mir das
„Vorurtheil beybringen, es gehoͤre mit
„unter die unbemerkten und verzehrenden Krank-
„heiten eines Staats, wenn Privatperſonen, als
„Beſitzer von Doͤrfern und Landguͤtern, zu viel
„Freyheit haͤtten, das Recht uͤber ihre Bauern
„unter dem Namen der Erbgerichte zu verwalten.
„Dieſer Wahrheit ein fuͤrchterliches Anſehen zu
„geben, ſtellte man die Moͤglichkeit vor, daß ein
„Gerichtsherr ungerecht ſeyn koͤnnte; daß der Un-
„terthan durch dieſe Ungerechtigkeit, welche noch
„immer den Schein einer Legalitaͤt haͤtte, nach
„und nach entkraͤftet, und auſſer den Stand ge-
„ſetzt wuͤrde, dasjenige zu leiſten, was er ſeinem
„Fuͤrſten ſchuldig waͤre; daß ihm oft nicht Zeit
„gelaſſen, oder daß es ihm doch ſehr ſchwer ge-
„macht wuͤrde, wenn er wider dergleichen Unter-
„druͤckungen den Schutz der obern Richter anfle-
„hen wollte. Man wollte angemerkt haben, daß
„dergleichen oͤftere Zunoͤthigungen, und Un-
„terdruͤckungen den Unterthanen trotzig und ver-
„ſtockt machten; daß ihm alles verdaͤchtig
„ſey, was man von ihm fodere, daß er ſich
„endlich auch in denjenigen Sachen widerſetzlich
„bezeige, die er und ſeine Vorfahren zu thun
„ſchuldig geweſen. Der Schade von derglei-
„chen Gewaltthaͤtigkeiten falle mit der Zeit dem

Beſi-
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0181" n="153"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#in">D</hi>a ich noch auf hohen Schulen war, und<lb/>
&#x201E;die Welt nicht kannte, ließ ich mir das<lb/>
&#x201E;Vorurtheil beybringen, es geho&#x0364;re mit<lb/>
&#x201E;unter die unbemerkten und verzehrenden Krank-<lb/>
&#x201E;heiten eines Staats, wenn Privatper&#x017F;onen, als<lb/>
&#x201E;Be&#x017F;itzer von Do&#x0364;rfern und Landgu&#x0364;tern, zu viel<lb/>
&#x201E;Freyheit ha&#x0364;tten, das Recht u&#x0364;ber ihre Bauern<lb/>
&#x201E;unter dem Namen der Erbgerichte zu verwalten.<lb/>
&#x201E;Die&#x017F;er Wahrheit ein fu&#x0364;rchterliches An&#x017F;ehen zu<lb/>
&#x201E;geben, &#x017F;tellte man die Mo&#x0364;glichkeit vor, daß ein<lb/>
&#x201E;Gerichtsherr ungerecht &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte; daß der Un-<lb/>
&#x201E;terthan durch die&#x017F;e Ungerechtigkeit, welche noch<lb/>
&#x201E;immer den Schein einer Legalita&#x0364;t ha&#x0364;tte, nach<lb/>
&#x201E;und nach entkra&#x0364;ftet, und au&#x017F;&#x017F;er den Stand ge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;etzt wu&#x0364;rde, dasjenige zu lei&#x017F;ten, was er &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;chuldig wa&#x0364;re; daß ihm oft nicht Zeit<lb/>
&#x201E;gela&#x017F;&#x017F;en, oder daß es ihm doch &#x017F;ehr &#x017F;chwer ge-<lb/>
&#x201E;macht wu&#x0364;rde, wenn er wider dergleichen Unter-<lb/>
&#x201E;dru&#x0364;ckungen den Schutz der obern Richter anfle-<lb/>
&#x201E;hen wollte. Man wollte angemerkt haben, daß<lb/>
&#x201E;dergleichen o&#x0364;ftere Zuno&#x0364;thigungen, und Un-<lb/>
&#x201E;terdru&#x0364;ckungen den Unterthanen trotzig und ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tockt machten; daß ihm alles verda&#x0364;chtig<lb/>
&#x201E;&#x017F;ey, was man von ihm fodere, daß er &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;endlich auch in denjenigen Sachen wider&#x017F;etzlich<lb/>
&#x201E;bezeige, die er und &#x017F;eine Vorfahren zu thun<lb/>
&#x201E;&#x017F;chuldig gewe&#x017F;en. Der Schade von derglei-<lb/>
&#x201E;chen Gewalttha&#x0364;tigkeiten falle mit der Zeit dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Be&#x017F;i-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0181] Satyriſche Briefe. „Da ich noch auf hohen Schulen war, und „die Welt nicht kannte, ließ ich mir das „Vorurtheil beybringen, es gehoͤre mit „unter die unbemerkten und verzehrenden Krank- „heiten eines Staats, wenn Privatperſonen, als „Beſitzer von Doͤrfern und Landguͤtern, zu viel „Freyheit haͤtten, das Recht uͤber ihre Bauern „unter dem Namen der Erbgerichte zu verwalten. „Dieſer Wahrheit ein fuͤrchterliches Anſehen zu „geben, ſtellte man die Moͤglichkeit vor, daß ein „Gerichtsherr ungerecht ſeyn koͤnnte; daß der Un- „terthan durch dieſe Ungerechtigkeit, welche noch „immer den Schein einer Legalitaͤt haͤtte, nach „und nach entkraͤftet, und auſſer den Stand ge- „ſetzt wuͤrde, dasjenige zu leiſten, was er ſeinem „Fuͤrſten ſchuldig waͤre; daß ihm oft nicht Zeit „gelaſſen, oder daß es ihm doch ſehr ſchwer ge- „macht wuͤrde, wenn er wider dergleichen Unter- „druͤckungen den Schutz der obern Richter anfle- „hen wollte. Man wollte angemerkt haben, daß „dergleichen oͤftere Zunoͤthigungen, und Un- „terdruͤckungen den Unterthanen trotzig und ver- „ſtockt machten; daß ihm alles verdaͤchtig „ſey, was man von ihm fodere, daß er ſich „endlich auch in denjenigen Sachen widerſetzlich „bezeige, die er und ſeine Vorfahren zu thun „ſchuldig geweſen. Der Schade von derglei- „chen Gewaltthaͤtigkeiten falle mit der Zeit dem Beſi- K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/181
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/181>, abgerufen am 18.05.2024.