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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
stehe, so war er mir erträglich. Jhnen hingegen
wird er es nicht seyn, und Sie wird er eine ge-
wisse Hoheit empfinden lassen, die seine Dummheit
ehrwürdig machen soll. Am wenigsten wagen
Sie es itzt, da Sie in den unglücklichen Proceß ge-
rathen sind. Bisher hat er Sie geschont, oder
schonen müssen, nun sieht er Sie als ein Opfer
an, das von seiner Hand sterben soll, das für ihn
geschlachtet wird. Jch bin gar nicht mit dem Ein-
falle zufrieden, den Sie gehabt haben, ihn mit
dem Eymer Wein zu besänftigen. Dadurch ma-
chen Sie ihn nicht menschlich, nicht billig; wenn
es hoch kömmt, erlangen Sie von seiner Unge-
rechtigkeit nur eine kurze Frist. Polyphem war
im Begriffe, den Ulysses mit seinen noch übrigen
Gefährten zu fressen. Ulysses gab ihm von sei-
nem göttlichen Weine. Der ungerechte Cyclop
trank davon, er lobte den göttlichen Wein; drey-
mal trank er davon, und sagte zum Ulysses:
Dein Wein ist vortrefflich, mein Freund,
dich will ich zuletzt fressen!
Hätten Sie wohl
geglaubt, Gnädiger Herr, daß sich mein Brief so
pedantisch schließen sollte? Jch bin mit beständiger
Hochachtung u. s. w.



Da

Satyriſche Briefe.
ſtehe, ſo war er mir ertraͤglich. Jhnen hingegen
wird er es nicht ſeyn, und Sie wird er eine ge-
wiſſe Hoheit empfinden laſſen, die ſeine Dummheit
ehrwuͤrdig machen ſoll. Am wenigſten wagen
Sie es itzt, da Sie in den ungluͤcklichen Proceß ge-
rathen ſind. Bisher hat er Sie geſchont, oder
ſchonen muͤſſen, nun ſieht er Sie als ein Opfer
an, das von ſeiner Hand ſterben ſoll, das fuͤr ihn
geſchlachtet wird. Jch bin gar nicht mit dem Ein-
falle zufrieden, den Sie gehabt haben, ihn mit
dem Eymer Wein zu beſaͤnftigen. Dadurch ma-
chen Sie ihn nicht menſchlich, nicht billig; wenn
es hoch koͤmmt, erlangen Sie von ſeiner Unge-
rechtigkeit nur eine kurze Friſt. Polyphem war
im Begriffe, den Ulyſſes mit ſeinen noch uͤbrigen
Gefaͤhrten zu freſſen. Ulyſſes gab ihm von ſei-
nem goͤttlichen Weine. Der ungerechte Cyclop
trank davon, er lobte den goͤttlichen Wein; drey-
mal trank er davon, und ſagte zum Ulyſſes:
Dein Wein iſt vortrefflich, mein Freund,
dich will ich zuletzt freſſen!
Haͤtten Sie wohl
geglaubt, Gnaͤdiger Herr, daß ſich mein Brief ſo
pedantiſch ſchließen ſollte? Jch bin mit beſtaͤndiger
Hochachtung u. ſ. w.



Da
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[152/0180] Satyriſche Briefe. ſtehe, ſo war er mir ertraͤglich. Jhnen hingegen wird er es nicht ſeyn, und Sie wird er eine ge- wiſſe Hoheit empfinden laſſen, die ſeine Dummheit ehrwuͤrdig machen ſoll. Am wenigſten wagen Sie es itzt, da Sie in den ungluͤcklichen Proceß ge- rathen ſind. Bisher hat er Sie geſchont, oder ſchonen muͤſſen, nun ſieht er Sie als ein Opfer an, das von ſeiner Hand ſterben ſoll, das fuͤr ihn geſchlachtet wird. Jch bin gar nicht mit dem Ein- falle zufrieden, den Sie gehabt haben, ihn mit dem Eymer Wein zu beſaͤnftigen. Dadurch ma- chen Sie ihn nicht menſchlich, nicht billig; wenn es hoch koͤmmt, erlangen Sie von ſeiner Unge- rechtigkeit nur eine kurze Friſt. Polyphem war im Begriffe, den Ulyſſes mit ſeinen noch uͤbrigen Gefaͤhrten zu freſſen. Ulyſſes gab ihm von ſei- nem goͤttlichen Weine. Der ungerechte Cyclop trank davon, er lobte den goͤttlichen Wein; drey- mal trank er davon, und ſagte zum Ulyſſes: Dein Wein iſt vortrefflich, mein Freund, dich will ich zuletzt freſſen! Haͤtten Sie wohl geglaubt, Gnaͤdiger Herr, daß ſich mein Brief ſo pedantiſch ſchließen ſollte? Jch bin mit beſtaͤndiger Hochachtung u. ſ. w. Da

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/180>, abgerufen am 23.11.2024.