Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein Traum
"sollten sich schämen, einem ehrliebenden und gewis-
"senhaften Advocaten, wie ich bin, dergleichen An-
"trag zu thun! Leben sie wohl!"

Jch freute mich, daß ich ein Mittel gefunden
hatte, mich auf eine solche Art von diesem verdrüß-
lichen Handel los zu wickeln. Doch diese Freude
war nur von kurzer Dauer. Denn ehe ich mir
es versah, sprang eine Seele mit einem großen Ko-
ber hinter einem Busche hervor, und auf mich los.
Jch erschrack, wie leicht zu glauben ist, da ich mir
an diesem einsamen Orte von einem so unvermuthe-
ten Ueberfalle nichts gutes versprechen konnte. Jch
floh, ohne mich umzusehen, und war vor Angst außer
mir, als ich fühlte, daß man mich bey den Haaren
hielt. Jch wandte mich um, in der Absicht, mei-
nem Verfolger zu sagen, daß ich kein Geld hätte.
Aber wie groß war mein Erstaunen, als dieser sich
mit einer demüthigen Geberde, jedoch ohne meine
Haare loszulassen, vor mir bückte, und zu mir sagte:
Der Ehrfurcht gieb es Schuld, gepriesner Mäcenat,
Das ich aus reger Glut mit demuthsvollen Händen
Den Wunsch - - - -

Jch habe nicht einen Dreyer in meinem ganzen Ver-
mögen; war meine Antwort. Darauf ließ er mich
mit einer verächtlichen Miene los, und ich sah ihn zu
einem großen Schwarme kleiner Geister eilen, welche
einer dicken Seele nachliefen, aus deren prächtigem
Anzuge man ihre großen Verdienste und Gaben ei-
nigermaaßen wahrnehmen konnte. Jhr Geschrey
war so verwirrt, daß ich anfangs nicht zu errathen
vermochte, was es bedeuten sollte.

Jch

Ein Traum
„ſollten ſich ſchaͤmen, einem ehrliebenden und gewiſ-
„ſenhaften Advocaten, wie ich bin, dergleichen An-
„trag zu thun! Leben ſie wohl!„

Jch freute mich, daß ich ein Mittel gefunden
hatte, mich auf eine ſolche Art von dieſem verdruͤß-
lichen Handel los zu wickeln. Doch dieſe Freude
war nur von kurzer Dauer. Denn ehe ich mir
es verſah, ſprang eine Seele mit einem großen Ko-
ber hinter einem Buſche hervor, und auf mich los.
Jch erſchrack, wie leicht zu glauben iſt, da ich mir
an dieſem einſamen Orte von einem ſo unvermuthe-
ten Ueberfalle nichts gutes verſprechen konnte. Jch
floh, ohne mich umzuſehen, und war vor Angſt außer
mir, als ich fuͤhlte, daß man mich bey den Haaren
hielt. Jch wandte mich um, in der Abſicht, mei-
nem Verfolger zu ſagen, daß ich kein Geld haͤtte.
Aber wie groß war mein Erſtaunen, als dieſer ſich
mit einer demuͤthigen Geberde, jedoch ohne meine
Haare loszulaſſen, vor mir buͤckte, und zu mir ſagte:
Der Ehrfurcht gieb es Schuld, geprieſner Maͤcenat,
Das ich aus reger Glut mit demuthsvollen Haͤnden
Den Wunſch ‒ ‒ ‒ ‒

Jch habe nicht einen Dreyer in meinem ganzen Ver-
moͤgen; war meine Antwort. Darauf ließ er mich
mit einer veraͤchtlichen Miene los, und ich ſah ihn zu
einem großen Schwarme kleiner Geiſter eilen, welche
einer dicken Seele nachliefen, aus deren praͤchtigem
Anzuge man ihre großen Verdienſte und Gaben ei-
nigermaaßen wahrnehmen konnte. Jhr Geſchrey
war ſo verwirrt, daß ich anfangs nicht zu errathen
vermochte, was es bedeuten ſollte.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ein Traum</hi></fw><lb/>
&#x201E;&#x017F;ollten &#x017F;ich &#x017F;cha&#x0364;men, einem ehrliebenden und gewi&#x017F;-<lb/>
&#x201E;&#x017F;enhaften Advocaten, wie ich bin, dergleichen An-<lb/>
&#x201E;trag zu thun! Leben &#x017F;ie wohl!&#x201E;</p><lb/>
        <p>Jch freute mich, daß ich ein Mittel gefunden<lb/>
hatte, mich auf eine &#x017F;olche Art von die&#x017F;em verdru&#x0364;ß-<lb/>
lichen Handel los zu wickeln. Doch die&#x017F;e Freude<lb/>
war nur von kurzer Dauer. Denn ehe ich mir<lb/>
es ver&#x017F;ah, &#x017F;prang eine Seele mit einem großen Ko-<lb/>
ber hinter einem Bu&#x017F;che hervor, und auf mich los.<lb/>
Jch er&#x017F;chrack, wie leicht zu glauben i&#x017F;t, da ich mir<lb/>
an die&#x017F;em ein&#x017F;amen Orte von einem &#x017F;o unvermuthe-<lb/>
ten Ueberfalle nichts gutes ver&#x017F;prechen konnte. Jch<lb/>
floh, ohne mich umzu&#x017F;ehen, und war vor Ang&#x017F;t außer<lb/>
mir, als ich fu&#x0364;hlte, daß man mich bey den Haaren<lb/>
hielt. Jch wandte mich um, in der Ab&#x017F;icht, mei-<lb/>
nem Verfolger zu &#x017F;agen, daß ich kein Geld ha&#x0364;tte.<lb/>
Aber wie groß war mein Er&#x017F;taunen, als die&#x017F;er &#x017F;ich<lb/>
mit einer demu&#x0364;thigen Geberde, jedoch ohne meine<lb/>
Haare loszula&#x017F;&#x017F;en, vor mir bu&#x0364;ckte, und zu mir &#x017F;agte:<lb/><hi rendition="#et">Der Ehrfurcht gieb es Schuld, geprie&#x017F;ner Ma&#x0364;cenat,<lb/>
Das ich aus reger Glut mit demuthsvollen Ha&#x0364;nden<lb/>
Den Wun&#x017F;ch &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;</hi><lb/>
Jch habe nicht einen Dreyer in meinem ganzen Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen; war meine Antwort. Darauf ließ er mich<lb/>
mit einer vera&#x0364;chtlichen Miene los, und ich &#x017F;ah ihn zu<lb/>
einem großen Schwarme kleiner Gei&#x017F;ter eilen, welche<lb/>
einer dicken Seele nachliefen, aus deren pra&#x0364;chtigem<lb/>
Anzuge man ihre großen Verdien&#x017F;te und Gaben ei-<lb/>
nigermaaßen wahrnehmen konnte. Jhr Ge&#x017F;chrey<lb/>
war &#x017F;o verwirrt, daß ich anfangs nicht zu errathen<lb/>
vermochte, was es bedeuten &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0038] Ein Traum „ſollten ſich ſchaͤmen, einem ehrliebenden und gewiſ- „ſenhaften Advocaten, wie ich bin, dergleichen An- „trag zu thun! Leben ſie wohl!„ Jch freute mich, daß ich ein Mittel gefunden hatte, mich auf eine ſolche Art von dieſem verdruͤß- lichen Handel los zu wickeln. Doch dieſe Freude war nur von kurzer Dauer. Denn ehe ich mir es verſah, ſprang eine Seele mit einem großen Ko- ber hinter einem Buſche hervor, und auf mich los. Jch erſchrack, wie leicht zu glauben iſt, da ich mir an dieſem einſamen Orte von einem ſo unvermuthe- ten Ueberfalle nichts gutes verſprechen konnte. Jch floh, ohne mich umzuſehen, und war vor Angſt außer mir, als ich fuͤhlte, daß man mich bey den Haaren hielt. Jch wandte mich um, in der Abſicht, mei- nem Verfolger zu ſagen, daß ich kein Geld haͤtte. Aber wie groß war mein Erſtaunen, als dieſer ſich mit einer demuͤthigen Geberde, jedoch ohne meine Haare loszulaſſen, vor mir buͤckte, und zu mir ſagte: Der Ehrfurcht gieb es Schuld, geprieſner Maͤcenat, Das ich aus reger Glut mit demuthsvollen Haͤnden Den Wunſch ‒ ‒ ‒ ‒ Jch habe nicht einen Dreyer in meinem ganzen Ver- moͤgen; war meine Antwort. Darauf ließ er mich mit einer veraͤchtlichen Miene los, und ich ſah ihn zu einem großen Schwarme kleiner Geiſter eilen, welche einer dicken Seele nachliefen, aus deren praͤchtigem Anzuge man ihre großen Verdienſte und Gaben ei- nigermaaßen wahrnehmen konnte. Jhr Geſchrey war ſo verwirrt, daß ich anfangs nicht zu errathen vermochte, was es bedeuten ſollte. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/38
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/38>, abgerufen am 24.11.2024.