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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiedenen Seelen.
"einen Finger rühren kann. Aber Geld müssen
"Sie freylich haben; denn ich und Jhr Richter kön-
"nen ohne Geld die Sache nicht recht einsehen. Was
"betreffen denn Jhre Streitigkeiten? Machen Sie
"mir nur einen kleinen statum caussae, einen ganz
"kleinen statum caussae! Aber ja kurz, so kurz als
"immer möglich, denn ich bin kein Liebhaber von
"Weitläuftigkeiten." Jch erstaunte über die bos-
hafte Dienstfertigkeit dieser kleinen geschwätzigen See-
le, welche ihr kurzer Mantel kenntlich machte, und
die so voll Begierde nach meiner gerechten Sache
um mich herum sprang, daß sie nicht ein Auge von
meinem Schubsacke verwandte. Jch fieng schon
an, zu zweifeln, ob ich den praktischen Händen mei-
nes rechtlichen Beystandes entgehen, und ohne Pro-
ceß von ihm loskommen würde, als ich mich be-
sann, ihn zu bitten, daß er mir sein Wort halten,
und in einer sehr wichtigen, meine Ehre und ganze
Glückseligkeit betreffenden, Sache, die ich ihm gleich
entdecken würde, treulich beystehen, vor allen Din-
gen aber bey meinem Richter es dahin bringen soll-
te, daß ich das Armenrecht erlangen möchte. "Das
"Armenrecht! rief er mit einer kleinmüthigen Stim-
"me. Jch wollte Jhnen gern dienen, aber ich ma-
"che mir ein Gewissen daraus, eine Sache anzuneh-
"men, welche ich gleich beym ersten Anblicke unbil-
"lig finde. Streiten Sie ja nicht, Sie haben das
"größte Unrecht von der Welt! Vergleichen Sie Sich
"in der Güte, ich rathe es Jhnen wohlmeynend.
"Zum wenigsten werde ich mich wohl hüten, an Jh-
"rem boshaften Vorhaben Theil zu nehmen. Sie

sollten
C 3

von den abgeſchiedenen Seelen.
„einen Finger ruͤhren kann. Aber Geld muͤſſen
„Sie freylich haben; denn ich und Jhr Richter koͤn-
„nen ohne Geld die Sache nicht recht einſehen. Was
„betreffen denn Jhre Streitigkeiten? Machen Sie
„mir nur einen kleinen ſtatum cauſſæ, einen ganz
„kleinen ſtatum cauſſæ! Aber ja kurz, ſo kurz als
„immer moͤglich, denn ich bin kein Liebhaber von
„Weitlaͤuftigkeiten.„ Jch erſtaunte uͤber die bos-
hafte Dienſtfertigkeit dieſer kleinen geſchwaͤtzigen See-
le, welche ihr kurzer Mantel kenntlich machte, und
die ſo voll Begierde nach meiner gerechten Sache
um mich herum ſprang, daß ſie nicht ein Auge von
meinem Schubſacke verwandte. Jch fieng ſchon
an, zu zweifeln, ob ich den praktiſchen Haͤnden mei-
nes rechtlichen Beyſtandes entgehen, und ohne Pro-
ceß von ihm loskommen wuͤrde, als ich mich be-
ſann, ihn zu bitten, daß er mir ſein Wort halten,
und in einer ſehr wichtigen, meine Ehre und ganze
Gluͤckſeligkeit betreffenden, Sache, die ich ihm gleich
entdecken wuͤrde, treulich beyſtehen, vor allen Din-
gen aber bey meinem Richter es dahin bringen ſoll-
te, daß ich das Armenrecht erlangen moͤchte. „Das
„Armenrecht! rief er mit einer kleinmuͤthigen Stim-
„me. Jch wollte Jhnen gern dienen, aber ich ma-
„che mir ein Gewiſſen daraus, eine Sache anzuneh-
„men, welche ich gleich beym erſten Anblicke unbil-
„lig finde. Streiten Sie ja nicht, Sie haben das
„groͤßte Unrecht von der Welt! Vergleichen Sie Sich
„in der Guͤte, ich rathe es Jhnen wohlmeynend.
„Zum wenigſten werde ich mich wohl huͤten, an Jh-
„rem boshaften Vorhaben Theil zu nehmen. Sie

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[37/0037] von den abgeſchiedenen Seelen. „einen Finger ruͤhren kann. Aber Geld muͤſſen „Sie freylich haben; denn ich und Jhr Richter koͤn- „nen ohne Geld die Sache nicht recht einſehen. Was „betreffen denn Jhre Streitigkeiten? Machen Sie „mir nur einen kleinen ſtatum cauſſæ, einen ganz „kleinen ſtatum cauſſæ! Aber ja kurz, ſo kurz als „immer moͤglich, denn ich bin kein Liebhaber von „Weitlaͤuftigkeiten.„ Jch erſtaunte uͤber die bos- hafte Dienſtfertigkeit dieſer kleinen geſchwaͤtzigen See- le, welche ihr kurzer Mantel kenntlich machte, und die ſo voll Begierde nach meiner gerechten Sache um mich herum ſprang, daß ſie nicht ein Auge von meinem Schubſacke verwandte. Jch fieng ſchon an, zu zweifeln, ob ich den praktiſchen Haͤnden mei- nes rechtlichen Beyſtandes entgehen, und ohne Pro- ceß von ihm loskommen wuͤrde, als ich mich be- ſann, ihn zu bitten, daß er mir ſein Wort halten, und in einer ſehr wichtigen, meine Ehre und ganze Gluͤckſeligkeit betreffenden, Sache, die ich ihm gleich entdecken wuͤrde, treulich beyſtehen, vor allen Din- gen aber bey meinem Richter es dahin bringen ſoll- te, daß ich das Armenrecht erlangen moͤchte. „Das „Armenrecht! rief er mit einer kleinmuͤthigen Stim- „me. Jch wollte Jhnen gern dienen, aber ich ma- „che mir ein Gewiſſen daraus, eine Sache anzuneh- „men, welche ich gleich beym erſten Anblicke unbil- „lig finde. Streiten Sie ja nicht, Sie haben das „groͤßte Unrecht von der Welt! Vergleichen Sie Sich „in der Guͤte, ich rathe es Jhnen wohlmeynend. „Zum wenigſten werde ich mich wohl huͤten, an Jh- „rem boshaften Vorhaben Theil zu nehmen. Sie ſollten C 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/37>, abgerufen am 24.11.2024.