Jch wagte es aber, näher hinzuzugehen, und hörte einen Mischmasch von Altären, von Zierde des Vaterlandes, von Wundern seiner Zeit, von Nach- welt, von Unsterblichkeit, und von hundert schönen Sachen, deren eine jede, durch die Bank gerechnet, wenigstens einen Gulden werth war. Besonders kam mir eine etwas klare Stimme sehr bekannt vor, welche um ihr Anliegen recht feurig zu verstehen zu geben, immer über das dritte Wort, O! rief. Es war lustig anzusehen, wie unermüdet diese kleinen Geister ihrem besungnen Helden nachliefen, welcher, wie man deutlich merken konnte, von dem vielen Weihrauche mehr und mehr aufschwoll, und durch seine hohen Blicke zu verstehen gab, daß er sich die- ses Ruhms allerdings nicht unwürdig erkennte. Endlich erbarmte er sich seiner Clienten, kehrte sich um, und blieb stehen. Dieses vermehrte den Lärm. Die kleinen Seelen stolperten über einander weg, und drängten sich, weil eine jede die nächste seyn wollte. Sie hielten die offnen Hände empor, und sahen alle mit sehnlichen Blicken auf den patrioti- schen Geldbeutel ihres theuern Gönners, welcher auch in der That großmüthig genug war, und durch eine reiche Spende ihren ehrfurchtsvollen Magen befriedigte. Jch fragte eine davon, welche sich vor andern hervorgethan, und ganz aus dem Athem ver- göttert hatte; wer denn dieser berühmte und tugend- hafte Mann sey? wie er heiße? wodurch er sich um sein Vaterland so verdient, und eines so ausnehmenden Lobes würdig gemacht hätte? Das weis ich alles nicht, antwortete sie mir kaltsinnig; aber heute ist sein Geburtstag!
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von den abgeſchiednen Seelen.
Jch wagte es aber, naͤher hinzuzugehen, und hoͤrte einen Miſchmaſch von Altaͤren, von Zierde des Vaterlandes, von Wundern ſeiner Zeit, von Nach- welt, von Unſterblichkeit, und von hundert ſchoͤnen Sachen, deren eine jede, durch die Bank gerechnet, wenigſtens einen Gulden werth war. Beſonders kam mir eine etwas klare Stimme ſehr bekannt vor, welche um ihr Anliegen recht feurig zu verſtehen zu geben, immer uͤber das dritte Wort, O! rief. Es war luſtig anzuſehen, wie unermuͤdet dieſe kleinen Geiſter ihrem beſungnen Helden nachliefen, welcher, wie man deutlich merken konnte, von dem vielen Weihrauche mehr und mehr aufſchwoll, und durch ſeine hohen Blicke zu verſtehen gab, daß er ſich die- ſes Ruhms allerdings nicht unwuͤrdig erkennte. Endlich erbarmte er ſich ſeiner Clienten, kehrte ſich um, und blieb ſtehen. Dieſes vermehrte den Laͤrm. Die kleinen Seelen ſtolperten uͤber einander weg, und draͤngten ſich, weil eine jede die naͤchſte ſeyn wollte. Sie hielten die offnen Haͤnde empor, und ſahen alle mit ſehnlichen Blicken auf den patrioti- ſchen Geldbeutel ihres theuern Goͤnners, welcher auch in der That großmuͤthig genug war, und durch eine reiche Spende ihren ehrfurchtsvollen Magen befriedigte. Jch fragte eine davon, welche ſich vor andern hervorgethan, und ganz aus dem Athem ver- goͤttert hatte; wer denn dieſer beruͤhmte und tugend- hafte Mann ſey? wie er heiße? wodurch er ſich um ſein Vaterland ſo verdient, und eines ſo ausnehmenden Lobes wuͤrdig gemacht haͤtte? Das weis ich alles nicht, antwortete ſie mir kaltſinnig; aber heute iſt ſein Geburtstag!
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von den abgeſchiednen Seelen.
Jch wagte es aber, naͤher hinzuzugehen, und
hoͤrte einen Miſchmaſch von Altaͤren, von Zierde des
Vaterlandes, von Wundern ſeiner Zeit, von Nach-
welt, von Unſterblichkeit, und von hundert ſchoͤnen
Sachen, deren eine jede, durch die Bank gerechnet,
wenigſtens einen Gulden werth war. Beſonders
kam mir eine etwas klare Stimme ſehr bekannt vor,
welche um ihr Anliegen recht feurig zu verſtehen zu
geben, immer uͤber das dritte Wort, O! rief. Es
war luſtig anzuſehen, wie unermuͤdet dieſe kleinen
Geiſter ihrem beſungnen Helden nachliefen, welcher,
wie man deutlich merken konnte, von dem vielen
Weihrauche mehr und mehr aufſchwoll, und durch
ſeine hohen Blicke zu verſtehen gab, daß er ſich die-
ſes Ruhms allerdings nicht unwuͤrdig erkennte.
Endlich erbarmte er ſich ſeiner Clienten, kehrte ſich
um, und blieb ſtehen. Dieſes vermehrte den Laͤrm.
Die kleinen Seelen ſtolperten uͤber einander weg,
und draͤngten ſich, weil eine jede die naͤchſte ſeyn
wollte. Sie hielten die offnen Haͤnde empor, und
ſahen alle mit ſehnlichen Blicken auf den patrioti-
ſchen Geldbeutel ihres theuern Goͤnners, welcher
auch in der That großmuͤthig genug war, und durch
eine reiche Spende ihren ehrfurchtsvollen Magen
befriedigte. Jch fragte eine davon, welche ſich vor
andern hervorgethan, und ganz aus dem Athem ver-
goͤttert hatte; wer denn dieſer beruͤhmte und tugend-
hafte Mann ſey? wie er heiße? wodurch er ſich um ſein
Vaterland ſo verdient, und eines ſo ausnehmenden
Lobes wuͤrdig gemacht haͤtte? Das weis ich alles
nicht, antwortete ſie mir kaltſinnig; aber heute iſt ſein
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/39>, abgerufen am 16.07.2024.
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