[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Hinkmars von Repkow nigstens traf ich die Melodey der Alten. Jch ha-be den Nutzen davon nach der Zeit deutlich erkannt. Jch weis wohl, daß man viele Geschicklichkeit ha- ben muß, wenn man gute lateinische Verse machen will; Jch weis aber auch, daß solche Arbeiten von den meisten nicht deswegen gelobt werden, weil sie gut sind, sondern weil sie mit römischen Buchstaben gedruckt sind. Die Erfahrung hat mich auch ge- lehrt, daß es allemal sicherer sey, lateinisch, als deutsch, zu dichten. Der beste deutsche Poet ist in den Augen der lateinischen Welt weiter nichts, als ein deutscher Michel, oder höchstens ein leidlicher Versmacher. Ein jeder glaubt, er habe Geschicklich- keit genug, ein Werk seiner Muttersprache aufs un- barmherzigste zu richten. Schreibt aber jemand ein lateinisches Carmen: So sieht man es, als eine ehrwürdige Nachahmung des gelehrten Alterthums, an, und sagt, der Dichter habe uns ein geistreiches Werk geliefert. Um deswillen verabscheue ich das freche Urtheil des le Clerc, welcher spricht; viele der Neuern, welche lateinische und griechische Verse machen, wären den Alten so ähnlich, als die Affen den Menschen. Sie ahmten mehr ihre Fehler, als ihre guten Eigenschaften, nach. Multa tulit, fecitque puer, sudauit et alsit. Dieses sind die eigentlichen Worte des mir ertheil- wenn
Hinkmars von Repkow nigſtens traf ich die Melodey der Alten. Jch ha-be den Nutzen davon nach der Zeit deutlich erkannt. Jch weis wohl, daß man viele Geſchicklichkeit ha- ben muß, wenn man gute lateiniſche Verſe machen will; Jch weis aber auch, daß ſolche Arbeiten von den meiſten nicht deswegen gelobt werden, weil ſie gut ſind, ſondern weil ſie mit roͤmiſchen Buchſtaben gedruckt ſind. Die Erfahrung hat mich auch ge- lehrt, daß es allemal ſicherer ſey, lateiniſch, als deutſch, zu dichten. Der beſte deutſche Poet iſt in den Augen der lateiniſchen Welt weiter nichts, als ein deutſcher Michel, oder hoͤchſtens ein leidlicher Versmacher. Ein jeder glaubt, er habe Geſchicklich- keit genug, ein Werk ſeiner Mutterſprache aufs un- barmherzigſte zu richten. Schreibt aber jemand ein lateiniſches Carmen: So ſieht man es, als eine ehrwuͤrdige Nachahmung des gelehrten Alterthums, an, und ſagt, der Dichter habe uns ein geiſtreiches Werk geliefert. Um deswillen verabſcheue ich das freche Urtheil des le Clerc, welcher ſpricht; viele der Neuern, welche lateiniſche und griechiſche Verſe machen, waͤren den Alten ſo aͤhnlich, als die Affen den Menſchen. Sie ahmten mehr ihre Fehler, als ihre guten Eigenſchaften, nach. Multa tulit, fecitque puer, ſudauit et alſit. Dieſes ſind die eigentlichen Worte des mir ertheil- wenn
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Hinkmars von Repkow
nigſtens traf ich die Melodey der Alten. Jch ha-
be den Nutzen davon nach der Zeit deutlich erkannt.
Jch weis wohl, daß man viele Geſchicklichkeit ha-
ben muß, wenn man gute lateiniſche Verſe machen
will; Jch weis aber auch, daß ſolche Arbeiten von
den meiſten nicht deswegen gelobt werden, weil ſie
gut ſind, ſondern weil ſie mit roͤmiſchen Buchſtaben
gedruckt ſind. Die Erfahrung hat mich auch ge-
lehrt, daß es allemal ſicherer ſey, lateiniſch, als
deutſch, zu dichten. Der beſte deutſche Poet iſt in
den Augen der lateiniſchen Welt weiter nichts, als
ein deutſcher Michel, oder hoͤchſtens ein leidlicher
Versmacher. Ein jeder glaubt, er habe Geſchicklich-
keit genug, ein Werk ſeiner Mutterſprache aufs un-
barmherzigſte zu richten. Schreibt aber jemand
ein lateiniſches Carmen: So ſieht man es, als eine
ehrwuͤrdige Nachahmung des gelehrten Alterthums,
an, und ſagt, der Dichter habe uns ein geiſtreiches
Werk geliefert. Um deswillen verabſcheue ich das
freche Urtheil des le Clerc, welcher ſpricht; viele
der Neuern, welche lateiniſche und griechiſche Verſe
machen, waͤren den Alten ſo aͤhnlich, als die Affen
den Menſchen. Sie ahmten mehr ihre Fehler, als
ihre guten Eigenſchaften, nach.
Multa tulit, fecitque puer, ſudauit et alſit.
Dieſes ſind die eigentlichen Worte des mir ertheil-
ten Schulzeugniſſes, welche auf nichts anders ziel-
ten, als auf den ruͤhmlichen Eifer, den ich bezeigte,
ſo oft ich mit Jamben und Trochaͤen zu kaͤmpfen
hatte. So ſauer mir oftmals meine Siege gewor-
den ſind, ſo groß war auch meine Zufriedenheit,
wenn
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