[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Noten ohne Text. wenn ich eine kurze oder lange Sylbe überwunden,und meinen Zeilen diejenige Form gegeben hatte, welche man an den Gedichten des Horaz und Vir- gils erblickt. Was diese beiden Dichter nur schö- nes und göttliches gesagt hatten, das fand man auch von Wort zu Wort in meinen Versen, und vielmals würde ein unparteyischer Leser zweifelhaft gewor- den seyn, ob er einen lateinischen Neujahrwunsch von Hinkmarn von Repkow, oder ein Stück aus des Virgils Aeneis läse. Mein redlicher Lehrmeister war darüber so erfreut, daß er mich beständig seinen kleinen Hannibal nennte, der die Schätze Latiens plünderte, und sein Vaterland damit bereicherte. Erb-Lehn- und Gerichts-Herr,) Dieses stand,
Noten ohne Text. wenn ich eine kurze oder lange Sylbe uͤberwunden,und meinen Zeilen diejenige Form gegeben hatte, welche man an den Gedichten des Horaz und Vir- gils erblickt. Was dieſe beiden Dichter nur ſchoͤ- nes und goͤttliches geſagt hatten, das fand man auch von Wort zu Wort in meinen Verſen, und vielmals wuͤrde ein unparteyiſcher Leſer zweifelhaft gewor- den ſeyn, ob er einen lateiniſchen Neujahrwunſch von Hinkmarn von Repkow, oder ein Stuͤck aus des Virgils Aeneis laͤſe. Mein redlicher Lehrmeiſter war daruͤber ſo erfreut, daß er mich beſtaͤndig ſeinen kleinen Hannibal nennte, der die Schaͤtze Latiens pluͤnderte, und ſein Vaterland damit bereicherte. Erb-Lehn- und Gerichts-Herr,) Dieſes ſtand,
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Noten ohne Text.
wenn ich eine kurze oder lange Sylbe uͤberwunden,
und meinen Zeilen diejenige Form gegeben hatte,
welche man an den Gedichten des Horaz und Vir-
gils erblickt. Was dieſe beiden Dichter nur ſchoͤ-
nes und goͤttliches geſagt hatten, das fand man auch
von Wort zu Wort in meinen Verſen, und vielmals
wuͤrde ein unparteyiſcher Leſer zweifelhaft gewor-
den ſeyn, ob er einen lateiniſchen Neujahrwunſch von
Hinkmarn von Repkow, oder ein Stuͤck aus des
Virgils Aeneis laͤſe. Mein redlicher Lehrmeiſter
war daruͤber ſo erfreut, daß er mich beſtaͤndig ſeinen
kleinen Hannibal nennte, der die Schaͤtze Latiens
pluͤnderte, und ſein Vaterland damit bereicherte.
Erb-Lehn- und Gerichts-Herr,) Dieſes
iſt eine bekannte Geſchichte, welche Muͤller in ſei-
nen Annalibus umſtaͤndlich erzaͤhlt. Er nennt ihn
Martin Qvaaſt, und berichtet, daß er ein Qvack-
ſalber in Koͤnigſee geweſen ſey, welcher durch ſeine
koͤſtlichen, bewaͤhrten, und von roͤmiſchkaͤyſerlicher
Majeſtaͤt privilegirten Pulver, beſonders aber durch
die Einfalt der eingebildeten Kranken ſich ſo viel
verdient, daß er unweit Langenſalza ein Vorwerk
an ſich gekauft, und ſich um deswillen unter allen
ſeinen Recepten Erb-Lehn- und Gerichts-Herr auf
Braunsdorf, Juxaroda, Scharfenpoͤlß, Thura,
Koͤltſchau, Knechtendorf, und Lehneroda geſchrie-
ben, ungeachtet er an allen dieſen Doͤrfern weiter
keinen Anſpruch zu machen gehabt, als daß ihm
zween oder drey Bauern daraus einige Huͤhner und
Kaͤſe zu einem jaͤhrlichen Erbzinſe entrichten muͤſſen.
Noch dieſes muß ich, als einen ſehr wichtigen Um-
ſtand,
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Zitationshilfe: | [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/139>, abgerufen am 16.02.2025. |