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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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der Satyre.
sonder Zweifel sehr viele, und vielleicht die meisten
jungen Leute, auf meine Seite treten. Jch bin
aber ganz andrer Meynung. So verhaßt mir die
Lügen ist, so unbesonnen scheint es zu seyn, wenn
ich allemal die Wahrheit reden wollte. Kann ich
durch ein vernünftiges Stilleschweigen so wohl
meinen Pflichten, als der geselligen Klugheit, Gnü-
ge thun, so thue ich am besten, wenn ich schweige.
Jch bin verbunden, eher mein Leben zu lassen, als
meinen Glauben zu verläugnen. Würden Sie
aber denjenigen nicht für unsinnig halten, welcher
seinen Glauben ohne Noth nur darum bekennte,
damit er sterben möchte. Die Pflichten gegen uns
sind stärker, als die Pflichten, welche wir andern
schuldig sind; und der Schade, welchen wir durch
eine unüberlegte Freymüthigkeit uns selbst augen-
scheinlich zuziehen, ist wichtiger, als der ungewisse
Nutzen, den wir durch eine unbedachtsame Satyre
zu schaffen suchen. Jch mag hier nicht unter-
suchen, ob wir auch allemal die vernünftige Ab-
sicht haben, zu nutzen. Vielleicht ist es eine Be-
gierde, bekannt zu werden; vielleicht ist es nur ein
Muthwille, der uns die Feder in die Hände giebt.
Wie unvermerkt kann man sich selbst betrügen! Es
giebt Personen, welche ihre Gewalt gefährlich,
und ihr Stand ehrwürdig macht, welche wir als
Gönner und Beförderer verehren müssen. Sie
haben vielleicht ein tadelnswürdiges Laster an sich;
aber hüten Sie Sich dieses Laster auzugreifen.
Es bleiben noch tausend andre Fehler übrig, wo-

mit

der Satyre.
ſonder Zweifel ſehr viele, und vielleicht die meiſten
jungen Leute, auf meine Seite treten. Jch bin
aber ganz andrer Meynung. So verhaßt mir die
Luͤgen iſt, ſo unbeſonnen ſcheint es zu ſeyn, wenn
ich allemal die Wahrheit reden wollte. Kann ich
durch ein vernuͤnftiges Stilleſchweigen ſo wohl
meinen Pflichten, als der geſelligen Klugheit, Gnuͤ-
ge thun, ſo thue ich am beſten, wenn ich ſchweige.
Jch bin verbunden, eher mein Leben zu laſſen, als
meinen Glauben zu verlaͤugnen. Wuͤrden Sie
aber denjenigen nicht fuͤr unſinnig halten, welcher
ſeinen Glauben ohne Noth nur darum bekennte,
damit er ſterben moͤchte. Die Pflichten gegen uns
ſind ſtaͤrker, als die Pflichten, welche wir andern
ſchuldig ſind; und der Schade, welchen wir durch
eine unuͤberlegte Freymuͤthigkeit uns ſelbſt augen-
ſcheinlich zuziehen, iſt wichtiger, als der ungewiſſe
Nutzen, den wir durch eine unbedachtſame Satyre
zu ſchaffen ſuchen. Jch mag hier nicht unter-
ſuchen, ob wir auch allemal die vernuͤnftige Ab-
ſicht haben, zu nutzen. Vielleicht iſt es eine Be-
gierde, bekannt zu werden; vielleicht iſt es nur ein
Muthwille, der uns die Feder in die Haͤnde giebt.
Wie unvermerkt kann man ſich ſelbſt betruͤgen! Es
giebt Perſonen, welche ihre Gewalt gefaͤhrlich,
und ihr Stand ehrwuͤrdig macht, welche wir als
Goͤnner und Befoͤrderer verehren muͤſſen. Sie
haben vielleicht ein tadelnswuͤrdiges Laſter an ſich;
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[143/0217] der Satyre. ſonder Zweifel ſehr viele, und vielleicht die meiſten jungen Leute, auf meine Seite treten. Jch bin aber ganz andrer Meynung. So verhaßt mir die Luͤgen iſt, ſo unbeſonnen ſcheint es zu ſeyn, wenn ich allemal die Wahrheit reden wollte. Kann ich durch ein vernuͤnftiges Stilleſchweigen ſo wohl meinen Pflichten, als der geſelligen Klugheit, Gnuͤ- ge thun, ſo thue ich am beſten, wenn ich ſchweige. Jch bin verbunden, eher mein Leben zu laſſen, als meinen Glauben zu verlaͤugnen. Wuͤrden Sie aber denjenigen nicht fuͤr unſinnig halten, welcher ſeinen Glauben ohne Noth nur darum bekennte, damit er ſterben moͤchte. Die Pflichten gegen uns ſind ſtaͤrker, als die Pflichten, welche wir andern ſchuldig ſind; und der Schade, welchen wir durch eine unuͤberlegte Freymuͤthigkeit uns ſelbſt augen- ſcheinlich zuziehen, iſt wichtiger, als der ungewiſſe Nutzen, den wir durch eine unbedachtſame Satyre zu ſchaffen ſuchen. Jch mag hier nicht unter- ſuchen, ob wir auch allemal die vernuͤnftige Ab- ſicht haben, zu nutzen. Vielleicht iſt es eine Be- gierde, bekannt zu werden; vielleicht iſt es nur ein Muthwille, der uns die Feder in die Haͤnde giebt. Wie unvermerkt kann man ſich ſelbſt betruͤgen! Es giebt Perſonen, welche ihre Gewalt gefaͤhrlich, und ihr Stand ehrwuͤrdig macht, welche wir als Goͤnner und Befoͤrderer verehren muͤſſen. Sie haben vielleicht ein tadelnswuͤrdiges Laſter an ſich; aber huͤten Sie Sich dieſes Laſter auzugreifen. Es bleiben noch tauſend andre Fehler uͤbrig, wo- mit

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/217>, abgerufen am 24.11.2024.