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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Nachricht
daß sie zu den beschwerlichsten Verrichtungen die ge-
duldigsten Ehemänner nehmen. Sie werden mir
verzeihen, wenn ich Jhnen hier kein Verzeichniß von
dergleichen mühseligen Aemtern mache; dieses einzi-
ge muß ich, mit ihrer Erlaubniß, erinnern, daß sich,
nach meiner Meynung, niemand besser zu einem Scri-
benten schicke, als ein geplagter Mann.

Bedenken Sie nur selbst, was ein Autor ausstehen
muß. Er stellt sich den Urtheilen aller Welt bloß; er
geht durch gute und böse Gerichte, und die letzten sind
gewiß häufiger, so lange es mehr Leute giebt, die lesen,
als die schreiben können. Wie standhaft wird hierbey
ein geplagter Mann seyn! Haben ihn die unfreund-
lichen und gehäßigen Blicke, das Schelten, die
Schimpfreden, ja so gar die erbitterten Hände seiner
Frau nicht zur Verzweiflung bringen können; so
wird er gewiß auch alsdann gelassen bleiben, wenn
die Leser seine Schriften mit dem strengsten Eifer be-
urtheilen. Jch weis nicht, mein Herr, ob sie verhei-
rathet sind; ich sollte es aber fast glauben, und ich bin
begierig, ihre Frau kennen zu lernen. Den sparsamen
Wachsthum der schönen Wissenschaften, schreibe ich
keiner andern Ursache, als dieser, zu, daß es unter uns
eine so große Anzahl Scribenten giebt, welche entwe-
der gar keine, oder doch keine bösen, Weiber haben.
Wenn diese schreiben, so haben sie nicht das Herz, bey
ihrer guten Absicht standhaft zu bleiben. Die gering-
ste Drohung, ein einziges Blatt erschreckt sie, und
reißt ihnen die Feder aus der Hand; sie geben bey
dem ersten Feuer die Flucht. Jch finde eine große

Aehn-

Nachricht
daß ſie zu den beſchwerlichſten Verrichtungen die ge-
duldigſten Ehemaͤnner nehmen. Sie werden mir
verzeihen, wenn ich Jhnen hier kein Verzeichniß von
dergleichen muͤhſeligen Aemtern mache; dieſes einzi-
ge muß ich, mit ihrer Erlaubniß, erinnern, daß ſich,
nach meiner Meynung, niemand beſſer zu einem Scri-
benten ſchicke, als ein geplagter Mann.

Bedenken Sie nur ſelbſt, was ein Autor ausſtehen
muß. Er ſtellt ſich den Urtheilen aller Welt bloß; er
geht durch gute und boͤſe Gerichte, und die letzten ſind
gewiß haͤufiger, ſo lange es mehr Leute giebt, die leſen,
als die ſchreiben koͤnnen. Wie ſtandhaft wird hierbey
ein geplagter Mann ſeyn! Haben ihn die unfreund-
lichen und gehaͤßigen Blicke, das Schelten, die
Schimpfreden, ja ſo gar die erbitterten Haͤnde ſeiner
Frau nicht zur Verzweiflung bringen koͤnnen; ſo
wird er gewiß auch alsdann gelaſſen bleiben, wenn
die Leſer ſeine Schriften mit dem ſtrengſten Eifer be-
urtheilen. Jch weis nicht, mein Herr, ob ſie verhei-
rathet ſind; ich ſollte es aber faſt glauben, und ich bin
begierig, ihre Frau kennen zu lernen. Den ſparſamen
Wachsthum der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, ſchreibe ich
keiner andern Urſache, als dieſer, zu, daß es unter uns
eine ſo große Anzahl Scribenten giebt, welche entwe-
der gar keine, oder doch keine boͤſen, Weiber haben.
Wenn dieſe ſchreiben, ſo haben ſie nicht das Herz, bey
ihrer guten Abſicht ſtandhaft zu bleiben. Die gering-
ſte Drohung, ein einziges Blatt erſchreckt ſie, und
reißt ihnen die Feder aus der Hand; ſie geben bey
dem erſten Feuer die Flucht. Jch finde eine große

Aehn-
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[72/0146] Nachricht daß ſie zu den beſchwerlichſten Verrichtungen die ge- duldigſten Ehemaͤnner nehmen. Sie werden mir verzeihen, wenn ich Jhnen hier kein Verzeichniß von dergleichen muͤhſeligen Aemtern mache; dieſes einzi- ge muß ich, mit ihrer Erlaubniß, erinnern, daß ſich, nach meiner Meynung, niemand beſſer zu einem Scri- benten ſchicke, als ein geplagter Mann. Bedenken Sie nur ſelbſt, was ein Autor ausſtehen muß. Er ſtellt ſich den Urtheilen aller Welt bloß; er geht durch gute und boͤſe Gerichte, und die letzten ſind gewiß haͤufiger, ſo lange es mehr Leute giebt, die leſen, als die ſchreiben koͤnnen. Wie ſtandhaft wird hierbey ein geplagter Mann ſeyn! Haben ihn die unfreund- lichen und gehaͤßigen Blicke, das Schelten, die Schimpfreden, ja ſo gar die erbitterten Haͤnde ſeiner Frau nicht zur Verzweiflung bringen koͤnnen; ſo wird er gewiß auch alsdann gelaſſen bleiben, wenn die Leſer ſeine Schriften mit dem ſtrengſten Eifer be- urtheilen. Jch weis nicht, mein Herr, ob ſie verhei- rathet ſind; ich ſollte es aber faſt glauben, und ich bin begierig, ihre Frau kennen zu lernen. Den ſparſamen Wachsthum der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, ſchreibe ich keiner andern Urſache, als dieſer, zu, daß es unter uns eine ſo große Anzahl Scribenten giebt, welche entwe- der gar keine, oder doch keine boͤſen, Weiber haben. Wenn dieſe ſchreiben, ſo haben ſie nicht das Herz, bey ihrer guten Abſicht ſtandhaft zu bleiben. Die gering- ſte Drohung, ein einziges Blatt erſchreckt ſie, und reißt ihnen die Feder aus der Hand; ſie geben bey dem erſten Feuer die Flucht. Jch finde eine große Aehn-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/146>, abgerufen am 18.05.2024.