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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Lobschrift auf Amouretten
"Ohren würden vollkommen seyn, wenn sie nicht
"immer bey unserm seufzenden Bellen taub wären.
"Deine Augen sind Sonnen, welche durch ihre
"freundlichen Stralen beleben, durch ihre erzürn-
"ten Blicke aber den zitternden Liebhaber Blitze,
"und donnerschwangre Wolken gebären. Deine
"korallne Schnauze übersteigt den Purpur der pran-
"genden Morgenröthe. Deine weiße Brust über-
"trifft an Schönheit den ewigen Schnee, welcher
"auf den Gipfeln der unersteiglichen Alpen liegt.
"Was Wunder, wenn dein Herz von Eise ist?
"Deine wohlgebauten Pfoten tragen einen nied-
"lichen Körper, welchen die Natur durch braune
"und weiße Flecke reizend gemacht hat. Glückse-
"lig ist der, welcher die äußerste Spitze deiner
"Krallen anrühren darf. Dein zierlich gelockter
"Schwanz ist der Sitz einer zärtlichen und aufge-
"weckten Seele, welche ihre Regungen durch freu-
"diges Wedeln an den Tag legt. Verzeihe mir,
"Amourette, wenn ich mein Rohr niederlege! Mei-
"ne Muse wird eifersüchtig. Sie verläßt mich!"

Dieses würde ungefähr der Ausdruck eines Hun-
depoeten seyn, und ich glaube, viele der unsrigen
selbst könnten ihm das Feuer eines Dichters nicht
gänzlich absprechen. Allein dieses ist zu weitläuftig.
Jch will dir eine kürzere Beschreibung machen, wenn
ich sage, daß Amourette einen artigen Kopf, ein
weißes Fell mit braunen ordentlich gezeichneten
Flecken, und alle Schönheiten eines Schooßhundes
hat. Was Wunder, wenn in einem so schönen Kör-
per auch eine schöne Hundeseele wohnt!

Amou

Lobſchrift auf Amouretten
„Ohren wuͤrden vollkommen ſeyn, wenn ſie nicht
„immer bey unſerm ſeufzenden Bellen taub waͤren.
„Deine Augen ſind Sonnen, welche durch ihre
„freundlichen Stralen beleben, durch ihre erzuͤrn-
„ten Blicke aber den zitternden Liebhaber Blitze,
„und donnerſchwangre Wolken gebaͤren. Deine
„korallne Schnauze uͤberſteigt den Purpur der pran-
„genden Morgenroͤthe. Deine weiße Bruſt uͤber-
„trifft an Schoͤnheit den ewigen Schnee, welcher
„auf den Gipfeln der unerſteiglichen Alpen liegt.
„Was Wunder, wenn dein Herz von Eiſe iſt?
„Deine wohlgebauten Pfoten tragen einen nied-
„lichen Koͤrper, welchen die Natur durch braune
„und weiße Flecke reizend gemacht hat. Gluͤckſe-
„lig iſt der, welcher die aͤußerſte Spitze deiner
„Krallen anruͤhren darf. Dein zierlich gelockter
„Schwanz iſt der Sitz einer zaͤrtlichen und aufge-
„weckten Seele, welche ihre Regungen durch freu-
„diges Wedeln an den Tag legt. Verzeihe mir,
„Amourette, wenn ich mein Rohr niederlege! Mei-
„ne Muſe wird eiferſuͤchtig. Sie verlaͤßt mich!“

Dieſes wuͤrde ungefaͤhr der Ausdruck eines Hun-
depoeten ſeyn, und ich glaube, viele der unſrigen
ſelbſt koͤnnten ihm das Feuer eines Dichters nicht
gaͤnzlich abſprechen. Allein dieſes iſt zu weitlaͤuftig.
Jch will dir eine kuͤrzere Beſchreibung machen, wenn
ich ſage, daß Amourette einen artigen Kopf, ein
weißes Fell mit braunen ordentlich gezeichneten
Flecken, und alle Schoͤnheiten eines Schooßhundes
hat. Was Wunder, wenn in einem ſo ſchoͤnen Koͤr-
per auch eine ſchoͤne Hundeſeele wohnt!

Amou
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[54/0128] Lobſchrift auf Amouretten „Ohren wuͤrden vollkommen ſeyn, wenn ſie nicht „immer bey unſerm ſeufzenden Bellen taub waͤren. „Deine Augen ſind Sonnen, welche durch ihre „freundlichen Stralen beleben, durch ihre erzuͤrn- „ten Blicke aber den zitternden Liebhaber Blitze, „und donnerſchwangre Wolken gebaͤren. Deine „korallne Schnauze uͤberſteigt den Purpur der pran- „genden Morgenroͤthe. Deine weiße Bruſt uͤber- „trifft an Schoͤnheit den ewigen Schnee, welcher „auf den Gipfeln der unerſteiglichen Alpen liegt. „Was Wunder, wenn dein Herz von Eiſe iſt? „Deine wohlgebauten Pfoten tragen einen nied- „lichen Koͤrper, welchen die Natur durch braune „und weiße Flecke reizend gemacht hat. Gluͤckſe- „lig iſt der, welcher die aͤußerſte Spitze deiner „Krallen anruͤhren darf. Dein zierlich gelockter „Schwanz iſt der Sitz einer zaͤrtlichen und aufge- „weckten Seele, welche ihre Regungen durch freu- „diges Wedeln an den Tag legt. Verzeihe mir, „Amourette, wenn ich mein Rohr niederlege! Mei- „ne Muſe wird eiferſuͤchtig. Sie verlaͤßt mich!“ Dieſes wuͤrde ungefaͤhr der Ausdruck eines Hun- depoeten ſeyn, und ich glaube, viele der unſrigen ſelbſt koͤnnten ihm das Feuer eines Dichters nicht gaͤnzlich abſprechen. Allein dieſes iſt zu weitlaͤuftig. Jch will dir eine kuͤrzere Beſchreibung machen, wenn ich ſage, daß Amourette einen artigen Kopf, ein weißes Fell mit braunen ordentlich gezeichneten Flecken, und alle Schoͤnheiten eines Schooßhundes hat. Was Wunder, wenn in einem ſo ſchoͤnen Koͤr- per auch eine ſchoͤne Hundeſeele wohnt! Amou

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/128>, abgerufen am 18.05.2024.