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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Von der wahren Beschaffenheit

Je leichter sie diesen Fehler vermeiden könnten,
desto thörichter handeln sie, daß sie es nicht thun 17.

Und wie könnten sie diese Leidenschaft wohl leich-
ter überwinden, als wenn sie bloß die Liebe zum
Vaterlande ihr Augenmerk seyn ließen 18?

Die zweyte Pflicht war:

Man muß das Wahre vom Falschen vorsich-
tig zu unterscheiden wissen.

Man dürfte hier nur der Wahrheit selbst folgen,
welche durch ihren Glanz die dickste Finsterniß ver-
treibt 19.

Dieses ist der erste Grund, worauf diese ganze
Wissenschaft ruht; nur diesen dürfte man sich be-
kannt machen 20.

Allein, man ist zu verdrossen, und dieses macht
uns die leichteste Sache beschwerlich 21.

Oft haben wir zu viel Eigenliebe; wir wollen
unserm verdrießlichen Hochmuthe nicht entsagen,

und
Semper et infirmi est animi, exiguique voluptas
Vltis. Iuuenal.
17 Tu quod cauere possis, stultum admittere est.
Terent.
18 Vincet amor patriae - -
Virgil.
19 Noctem flammis funalia vincunt.
Virgil.
20 Elementa velint vt discere prima.
Horat.
21 Nulla est tam facilis res, quin difficilis siet
Quam inuitus facias - -
Terent.
Von der wahren Beſchaffenheit

Je leichter ſie dieſen Fehler vermeiden koͤnnten,
deſto thoͤrichter handeln ſie, daß ſie es nicht thun 17.

Und wie koͤnnten ſie dieſe Leidenſchaft wohl leich-
ter uͤberwinden, als wenn ſie bloß die Liebe zum
Vaterlande ihr Augenmerk ſeyn ließen 18?

Die zweyte Pflicht war:

Man muß das Wahre vom Falſchen vorſich-
tig zu unterſcheiden wiſſen.

Man duͤrfte hier nur der Wahrheit ſelbſt folgen,
welche durch ihren Glanz die dickſte Finſterniß ver-
treibt 19.

Dieſes iſt der erſte Grund, worauf dieſe ganze
Wiſſenſchaft ruht; nur dieſen duͤrfte man ſich be-
kannt machen 20.

Allein, man iſt zu verdroſſen, und dieſes macht
uns die leichteſte Sache beſchwerlich 21.

Oft haben wir zu viel Eigenliebe; wir wollen
unſerm verdrießlichen Hochmuthe nicht entſagen,

und
Semper et infirmi eſt animi, exiguique voluptas
Vltis. Iuuenal.
17 Tu quod cauere poſſis, ſtultum admittere eſt.
Terent.
18 Vincet amor patriae ‒ ‒
Virgil.
19 Noctem flammis funalia vincunt.
Virgil.
20 Elementa velint vt diſcere prima.
Horat.
21 Nulla eſt tam facilis res, quin difficilis ſiet
Quam inuitus facias ‒ ‒
Terent.
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[32/0106] Von der wahren Beſchaffenheit Je leichter ſie dieſen Fehler vermeiden koͤnnten, deſto thoͤrichter handeln ſie, daß ſie es nicht thun 17. Und wie koͤnnten ſie dieſe Leidenſchaft wohl leich- ter uͤberwinden, als wenn ſie bloß die Liebe zum Vaterlande ihr Augenmerk ſeyn ließen 18? Die zweyte Pflicht war: Man muß das Wahre vom Falſchen vorſich- tig zu unterſcheiden wiſſen. Man duͤrfte hier nur der Wahrheit ſelbſt folgen, welche durch ihren Glanz die dickſte Finſterniß ver- treibt 19. Dieſes iſt der erſte Grund, worauf dieſe ganze Wiſſenſchaft ruht; nur dieſen duͤrfte man ſich be- kannt machen 20. Allein, man iſt zu verdroſſen, und dieſes macht uns die leichteſte Sache beſchwerlich 21. Oft haben wir zu viel Eigenliebe; wir wollen unſerm verdrießlichen Hochmuthe nicht entſagen, und 16 17 Tu quod cauere poſſis, ſtultum admittere eſt. Terent. 18 Vincet amor patriae ‒ ‒ Virgil. 19 Noctem flammis funalia vincunt. Virgil. 20 Elementa velint vt diſcere prima. Horat. 21 Nulla eſt tam facilis res, quin difficilis ſiet Quam inuitus facias ‒ ‒ Terent. 16 Semper et infirmi eſt animi, exiguique voluptas Vltis. Iuuenal.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/106>, abgerufen am 18.05.2024.