Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Mann im Evangelio. An des Jägers Begräbniß Ich gaffe von dem bunten Bilderbogen der zehn "Nun, Tinchen, laß das dumme Zeug und stiere W. Raabe. Stopfkuchen. 4
Mann im Evangelio. An des Jägers Begräbniß Ich gaffe von dem bunten Bilderbogen der zehn „Nun, Tinchen, laß das dumme Zeug und ſtiere W. Raabe. Stopfkuchen. 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="49"/> Mann im Evangelio. An des Jägers Begräbniß<lb/> haben ſie mit allen übrigen Thieren ſehr Theil ge-<lb/> nommen und dem Sarge alle Ehre erwieſen. Eben-<lb/> ſo dem Wort: Du ſollſt nicht tödten. Es hängt<lb/> übrigens kein neues Bild zu ihrer Begutachtung an<lb/> der Wand. An der Schanze des ſiebenjährigen<lb/> Krieges iſt ſelbſt die neueſte Weltgeſchichte vorbeige-<lb/> zogen, ohne ein Zeichen hinterlaſſen zu haben. Kein<lb/> Schlachtenbild aus Neu-Ruppin vom Düppelſturm,<lb/> keins von Sechsundſechzig, keins von Siebenzig. Nicht<lb/> Kaiſer Wilhelm, Fürſt Bismarck und Graf Moltke!<lb/> was ging die Weltgeſchichte den Bauer von der rothen<lb/> Schanze an? Er hatte ſeinen Kienbaum; er hatte<lb/> viel zu ſchwer an ſeinem eigenen Daſein auf dieſer<lb/> Erde zu tragen, um ſich viel um das anderer Leute<lb/> kümmern zu können und wenn es die Erſten dieſer<lb/> Welt waren! Ihm hatte dieſe Welt, überall in ſeinem<lb/> Hauſe, wo er auf eine Wand ſah, Kienbaum daran<lb/> gehängt, und er brauchte dazu nicht Malerkunſt und<lb/> Glas und Rahmen: er ſah den Mann jederzeit und<lb/> ſelbſt bei geſchloſſenen Augen ſo genau und deutlich<lb/> vor ſich, wie kein Maler, und wenn es der allerbeſte<lb/> geweſen wäre, ihn ihm hätte malen können.</p><lb/> <p>Ich gaffe von dem bunten Bilderbogen der zehn<lb/> Gebote verlegen und unruhig auf das uns anſtarrende<lb/> Mädchen, da ſagt Heinrich:</p><lb/> <p>„Nun, Tinchen, laß das dumme Zeug und ſtiere<lb/> die beiden beſten Lateiner und firmſten Griechen des<lb/> diesmaligen Oſter-Abgangs-Schwindels, — grinſe<lb/> nicht, Eduard! — aus ihrer guten Meinung von ſich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">W. Raabe. Stopfkuchen. 4</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0059]
Mann im Evangelio. An des Jägers Begräbniß
haben ſie mit allen übrigen Thieren ſehr Theil ge-
nommen und dem Sarge alle Ehre erwieſen. Eben-
ſo dem Wort: Du ſollſt nicht tödten. Es hängt
übrigens kein neues Bild zu ihrer Begutachtung an
der Wand. An der Schanze des ſiebenjährigen
Krieges iſt ſelbſt die neueſte Weltgeſchichte vorbeige-
zogen, ohne ein Zeichen hinterlaſſen zu haben. Kein
Schlachtenbild aus Neu-Ruppin vom Düppelſturm,
keins von Sechsundſechzig, keins von Siebenzig. Nicht
Kaiſer Wilhelm, Fürſt Bismarck und Graf Moltke!
was ging die Weltgeſchichte den Bauer von der rothen
Schanze an? Er hatte ſeinen Kienbaum; er hatte
viel zu ſchwer an ſeinem eigenen Daſein auf dieſer
Erde zu tragen, um ſich viel um das anderer Leute
kümmern zu können und wenn es die Erſten dieſer
Welt waren! Ihm hatte dieſe Welt, überall in ſeinem
Hauſe, wo er auf eine Wand ſah, Kienbaum daran
gehängt, und er brauchte dazu nicht Malerkunſt und
Glas und Rahmen: er ſah den Mann jederzeit und
ſelbſt bei geſchloſſenen Augen ſo genau und deutlich
vor ſich, wie kein Maler, und wenn es der allerbeſte
geweſen wäre, ihn ihm hätte malen können.
Ich gaffe von dem bunten Bilderbogen der zehn
Gebote verlegen und unruhig auf das uns anſtarrende
Mädchen, da ſagt Heinrich:
„Nun, Tinchen, laß das dumme Zeug und ſtiere
die beiden beſten Lateiner und firmſten Griechen des
diesmaligen Oſter-Abgangs-Schwindels, — grinſe
nicht, Eduard! — aus ihrer guten Meinung von ſich
W. Raabe. Stopfkuchen. 4
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