kind! da haben Sie Recht; aber dafür und dessenun- geachtet und gerade darum hat man wohl das Recht, jede Tröstung auf dem schweren Wege mitzunehmen. Herr, Herr, wie hat mir Der meine Wege schwer gemacht von Kindsbeinen an, von Schulwegen an bis auf diese königliche Landstraße hier! Er ist es gewesen, der mir auf der Schulbank den Schimpf- namen Storzhammel erfunden und für mein Leben angehängt hat. Er ist es gewesen, der mir von der Schulbank an von allen Menschen am meisten den Unterschied zwischen Armuth und Wohlstand und zwischen einer langsamen Besinnlichkeit und einem hellen Kopf mit Bosheit und großem Maul zu er- kennen gegeben hat. Herr, Herr, sein Blut klebt an mir, und ich will es heute noch durch meines gerne abwaschen, wenn das so wie jetzt so von selber sich macht, ohne mein Zuthun: aber Herr, Herr, er -- Kienbaum muß auch für das Seinige aufkommen, was er mir an Angst vor ihm und Zorn und Wuth und Verdruß gegen ihn von Kindesbeinen an fast tagtäglich aufgelegt hat. Denn der liebe Herrgott hatte ihn ja auch in seinem Beruf nachher auf die Chaussee gesetzt als reichen Viehhändler. Herr, wenn da an jeder Ecke ein früherer alter Raubritter auf mich und meine Briefschaften gelauert hätte, hätte es nicht schlimmer sein können, als sich ewig sagen zu müssen: ,Gleich kommt wieder Kienbaum angefahren und bietet Dir die Tageszeit auf seine Weise.' Herr Schaumann, Sie sind hier als ein guter, stiller Mensch bekannt, und ein stiller Mensch bin auch ich
kind! da haben Sie Recht; aber dafür und deſſenun- geachtet und gerade darum hat man wohl das Recht, jede Tröſtung auf dem ſchweren Wege mitzunehmen. Herr, Herr, wie hat mir Der meine Wege ſchwer gemacht von Kindsbeinen an, von Schulwegen an bis auf dieſe königliche Landſtraße hier! Er iſt es geweſen, der mir auf der Schulbank den Schimpf- namen Storzhammel erfunden und für mein Leben angehängt hat. Er iſt es geweſen, der mir von der Schulbank an von allen Menſchen am meiſten den Unterſchied zwiſchen Armuth und Wohlſtand und zwiſchen einer langſamen Beſinnlichkeit und einem hellen Kopf mit Bosheit und großem Maul zu er- kennen gegeben hat. Herr, Herr, ſein Blut klebt an mir, und ich will es heute noch durch meines gerne abwaſchen, wenn das ſo wie jetzt ſo von ſelber ſich macht, ohne mein Zuthun: aber Herr, Herr, er — Kienbaum muß auch für das Seinige aufkommen, was er mir an Angſt vor ihm und Zorn und Wuth und Verdruß gegen ihn von Kindesbeinen an faſt tagtäglich aufgelegt hat. Denn der liebe Herrgott hatte ihn ja auch in ſeinem Beruf nachher auf die Chauſſee geſetzt als reichen Viehhändler. Herr, wenn da an jeder Ecke ein früherer alter Raubritter auf mich und meine Briefſchaften gelauert hätte, hätte es nicht ſchlimmer ſein können, als ſich ewig ſagen zu müſſen: ‚Gleich kommt wieder Kienbaum angefahren und bietet Dir die Tageszeit auf ſeine Weiſe.‘ Herr Schaumann, Sie ſind hier als ein guter, ſtiller Menſch bekannt, und ein ſtiller Menſch bin auch ich
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kind! da haben Sie Recht; aber dafür und deſſenun-
geachtet und gerade darum hat man wohl das Recht,
jede Tröſtung auf dem ſchweren Wege mitzunehmen.
Herr, Herr, wie hat mir Der meine Wege ſchwer
gemacht von Kindsbeinen an, von Schulwegen an
bis auf dieſe königliche Landſtraße hier! Er iſt es
geweſen, der mir auf der Schulbank den Schimpf-
namen Storzhammel erfunden und für mein Leben
angehängt hat. Er iſt es geweſen, der mir von der
Schulbank an von allen Menſchen am meiſten den
Unterſchied zwiſchen Armuth und Wohlſtand und
zwiſchen einer langſamen Beſinnlichkeit und einem
hellen Kopf mit Bosheit und großem Maul zu er-
kennen gegeben hat. Herr, Herr, ſein Blut klebt an
mir, und ich will es heute noch durch meines gerne
abwaſchen, wenn das ſo wie jetzt ſo von ſelber ſich
macht, ohne mein Zuthun: aber Herr, Herr, er —
Kienbaum muß auch für das Seinige aufkommen,
was er mir an Angſt vor ihm und Zorn und Wuth
und Verdruß gegen ihn von Kindesbeinen an faſt
tagtäglich aufgelegt hat. Denn der liebe Herrgott
hatte ihn ja auch in ſeinem Beruf nachher auf die
Chauſſee geſetzt als reichen Viehhändler. Herr, wenn
da an jeder Ecke ein früherer alter Raubritter auf
mich und meine Briefſchaften gelauert hätte, hätte es
nicht ſchlimmer ſein können, als ſich ewig ſagen zu
müſſen: ‚Gleich kommt wieder Kienbaum angefahren
und bietet Dir die Tageszeit auf ſeine Weiſe.‘ Herr
Schaumann, Sie ſind hier als ein guter, ſtiller
Menſch bekannt, und ein ſtiller Menſch bin auch ich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/266>, abgerufen am 25.11.2024.
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