mein Lebtag gewesen und für mich hingegangen, und habe Alles gehen lassen und auch ihm jahrelang seine Briefe in Gleimekendorf ins Haus getragen und mir von Amtswegen seinen Gift und Hohnspott gefallen lassen, bis mir in der Schreckensstunde hier, hier im Papenbusch sein und mein Schicksal, und des Herrn Schwiegervaters kummervolles Schicksal auch, auf den Hals gefallen ist. Herr, Herr, und so wahr ich lebe, nur durch mein halbes Zuthun und ganz durch den schrecklichen Zufall! Daß es nur ein Zu- fall gewesen ist, das weiß der höchste Richter und hat mich auch wohl nur dessentwegen doch in ein verhältnißmäßig ruhiges hohes Alter kommen lassen, und das ist denn so mein zweiter Lebenstrost ge- wesen bei Gewittersturm und Hagel, Schnee und Hitze auf der Chaussee, tagein tagaus mit sich selber alleine und seinen Gedanken. Ja, Herr Schaumann, Jeder macht sich das auf seine Weise zurecht. Nicht wahr, Sie machen es sich auch eben auf Ihre Weise zurecht, was nun Ihre Pflicht gegen mich und Ihre liebe Frau und den alten Quakatz und Kienbaum ist?' -- ,Ich wollte freilich Ihr lieber Herrgott hätte einen Andern damit betraut, Störzer!' -- ,O lassen Sie sich Das nicht anfechten; ich bin bereit, da es jetzt so mit der Offenbarung gekommen ist. Heute -- morgen -- übermorgen! Und es soll mir kein irdischer Gerichtsherr beim Verhör eine Lüge nach- sagen. Darauf lege ich Ihnen schon jetzt einen hei- ligen Eid ab.' -- Stopfkuchen mit Storzhammel im Beichtstuhl als Beichtvater und Kind, mein guter
W. Raabe. Stopfkuchen. 17
mein Lebtag geweſen und für mich hingegangen, und habe Alles gehen laſſen und auch ihm jahrelang ſeine Briefe in Gleimekendorf ins Haus getragen und mir von Amtswegen ſeinen Gift und Hohnſpott gefallen laſſen, bis mir in der Schreckensſtunde hier, hier im Papenbuſch ſein und mein Schickſal, und des Herrn Schwiegervaters kummervolles Schickſal auch, auf den Hals gefallen iſt. Herr, Herr, und ſo wahr ich lebe, nur durch mein halbes Zuthun und ganz durch den ſchrecklichen Zufall! Daß es nur ein Zu- fall geweſen iſt, das weiß der höchſte Richter und hat mich auch wohl nur deſſentwegen doch in ein verhältnißmäßig ruhiges hohes Alter kommen laſſen, und das iſt denn ſo mein zweiter Lebenstroſt ge- weſen bei Gewitterſturm und Hagel, Schnee und Hitze auf der Chauſſee, tagein tagaus mit ſich ſelber alleine und ſeinen Gedanken. Ja, Herr Schaumann, Jeder macht ſich das auf ſeine Weiſe zurecht. Nicht wahr, Sie machen es ſich auch eben auf Ihre Weiſe zurecht, was nun Ihre Pflicht gegen mich und Ihre liebe Frau und den alten Quakatz und Kienbaum iſt?‘ — ‚Ich wollte freilich Ihr lieber Herrgott hätte einen Andern damit betraut, Störzer!‘ — ‚O laſſen Sie ſich Das nicht anfechten; ich bin bereit, da es jetzt ſo mit der Offenbarung gekommen iſt. Heute — morgen — übermorgen! Und es ſoll mir kein irdiſcher Gerichtsherr beim Verhör eine Lüge nach- ſagen. Darauf lege ich Ihnen ſchon jetzt einen hei- ligen Eid ab.‘ — Stopfkuchen mit Storzhammel im Beichtſtuhl als Beichtvater und Kind, mein guter
W. Raabe. Stopfkuchen. 17
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mein Lebtag geweſen und für mich hingegangen,
und habe Alles gehen laſſen und auch ihm jahrelang
ſeine Briefe in Gleimekendorf ins Haus getragen
und mir von Amtswegen ſeinen Gift und Hohnſpott
gefallen laſſen, bis mir in der Schreckensſtunde hier,
hier im Papenbuſch ſein und mein Schickſal, und des
Herrn Schwiegervaters kummervolles Schickſal auch,
auf den Hals gefallen iſt. Herr, Herr, und ſo wahr
ich lebe, nur durch mein halbes Zuthun und ganz
durch den ſchrecklichen Zufall! Daß es nur ein Zu-
fall geweſen iſt, das weiß der höchſte Richter und
hat mich auch wohl nur deſſentwegen doch in ein
verhältnißmäßig ruhiges hohes Alter kommen laſſen,
und das iſt denn ſo mein zweiter Lebenstroſt ge-
weſen bei Gewitterſturm und Hagel, Schnee und Hitze
auf der Chauſſee, tagein tagaus mit ſich ſelber alleine
und ſeinen Gedanken. Ja, Herr Schaumann, Jeder
macht ſich das auf ſeine Weiſe zurecht. Nicht wahr,
Sie machen es ſich auch eben auf Ihre Weiſe zurecht,
was nun Ihre Pflicht gegen mich und Ihre liebe
Frau und den alten Quakatz und Kienbaum iſt?‘ —
‚Ich wollte freilich Ihr lieber Herrgott hätte einen
Andern damit betraut, Störzer!‘ — ‚O laſſen
Sie ſich Das nicht anfechten; ich bin bereit, da
es jetzt ſo mit der Offenbarung gekommen iſt. Heute
— morgen — übermorgen! Und es ſoll mir kein
irdiſcher Gerichtsherr beim Verhör eine Lüge nach-
ſagen. Darauf lege ich Ihnen ſchon jetzt einen hei-
ligen Eid ab.‘ — Stopfkuchen mit Storzhammel im
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W. Raabe. Stopfkuchen. 17
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/267>, abgerufen am 18.05.2024.
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