Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

"Was kann ich dagegen machen? sagen Sie selber
aus ältester Bekanntschaft mit ihm, Herr Eduard!"
lachte Frau Valentine, und dabei stand auch ich an
Stopfkuchens Arm auf seinem Hausflur und fiel in
ein neues Erstaunen.

"Ja aber, was ist denn Das?" entrang sich, um
im gehobenen Ton zu bleiben, das Wort meinen
Lippen.

"Ein Bruchtheil meines geologischen Museums.
Die Piece de resistance, die Krone, mein Mammuth,
werde ich Dir nach Tische zeigen," sagte Schau-
mann.

Ich stand starr.

"Es ist die Liebhaberei meiner alten Tage,"
fuhr der dicke Freund fort. "Etwas muß der Mensch
doch immer haben, woran er sich hält, wenn er dem
Gebote des Herrn nachkommt und aus dem Kasten
geht. Was wunderst Du Dich? Für alle Ewigkeit
reicht doch selbst der Prinz Xaver von Sachsen nicht
aus, um einem Einsiedler oder vielmehr Zweisiedler
durch die Stunden, Tage, Wochen und Jahre ein
Liebhabereibedürfniß behaglich zu stillen. Aber sei
nur ruhig, Eduard; dies ist meine Sache, dieses sind
meine Knochen! Du kriegst die Suppe von ihnen
nicht, Tinchen hält sich mehr an was Frischeres mit
mehr Fleisch darauf. Ich hoffe, Du wirst ihre Koch-
kunst, meinem osteologischen Museum zum Trotz loben
und draußen im Säkulum gleichfalls bestätigen, daß
man auf der rothen Schanze nicht bloß an den Knochen
nagt. Uebrigens sehe ich zu meinem Erstaunen, daß

„Was kann ich dagegen machen? ſagen Sie ſelber
aus älteſter Bekanntſchaft mit ihm, Herr Eduard!“
lachte Frau Valentine, und dabei ſtand auch ich an
Stopfkuchens Arm auf ſeinem Hausflur und fiel in
ein neues Erſtaunen.

„Ja aber, was iſt denn Das?“ entrang ſich, um
im gehobenen Ton zu bleiben, das Wort meinen
Lippen.

„Ein Bruchtheil meines geologiſchen Muſeums.
Die Pièce de résistance, die Krone, mein Mammuth,
werde ich Dir nach Tiſche zeigen,“ ſagte Schau-
mann.

Ich ſtand ſtarr.

„Es iſt die Liebhaberei meiner alten Tage,“
fuhr der dicke Freund fort. „Etwas muß der Menſch
doch immer haben, woran er ſich hält, wenn er dem
Gebote des Herrn nachkommt und aus dem Kaſten
geht. Was wunderſt Du Dich? Für alle Ewigkeit
reicht doch ſelbſt der Prinz Xaver von Sachſen nicht
aus, um einem Einſiedler oder vielmehr Zweiſiedler
durch die Stunden, Tage, Wochen und Jahre ein
Liebhabereibedürfniß behaglich zu ſtillen. Aber ſei
nur ruhig, Eduard; dies iſt meine Sache, dieſes ſind
meine Knochen! Du kriegſt die Suppe von ihnen
nicht, Tinchen hält ſich mehr an was Friſcheres mit
mehr Fleiſch darauf. Ich hoffe, Du wirſt ihre Koch-
kunſt, meinem oſteologiſchen Muſeum zum Trotz loben
und draußen im Säkulum gleichfalls beſtätigen, daß
man auf der rothen Schanze nicht bloß an den Knochen
nagt. Uebrigens ſehe ich zu meinem Erſtaunen, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0108" n="98"/>
        <p>&#x201E;Was kann ich dagegen machen? &#x017F;agen Sie &#x017F;elber<lb/>
aus älte&#x017F;ter Bekannt&#x017F;chaft mit ihm, Herr Eduard!&#x201C;<lb/>
lachte Frau Valentine, und dabei &#x017F;tand auch ich an<lb/>
Stopfkuchens Arm auf &#x017F;einem Hausflur und fiel in<lb/>
ein neues Er&#x017F;taunen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja aber, was i&#x017F;t denn Das?&#x201C; entrang &#x017F;ich, um<lb/>
im gehobenen Ton zu bleiben, das Wort meinen<lb/>
Lippen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Bruchtheil meines geologi&#x017F;chen Mu&#x017F;eums.<lb/>
Die <hi rendition="#aq">Pièce de résistance</hi>, die Krone, mein Mammuth,<lb/>
werde ich Dir nach Ti&#x017F;che zeigen,&#x201C; &#x017F;agte Schau-<lb/>
mann.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;tand &#x017F;tarr.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t die Liebhaberei meiner alten Tage,&#x201C;<lb/>
fuhr der dicke Freund fort. &#x201E;Etwas muß der Men&#x017F;ch<lb/>
doch immer haben, woran er &#x017F;ich hält, wenn er dem<lb/>
Gebote des Herrn nachkommt und aus dem Ka&#x017F;ten<lb/>
geht. Was wunder&#x017F;t Du Dich? Für alle Ewigkeit<lb/>
reicht doch &#x017F;elb&#x017F;t der Prinz Xaver von Sach&#x017F;en nicht<lb/>
aus, um einem Ein&#x017F;iedler oder vielmehr Zwei&#x017F;iedler<lb/>
durch die Stunden, Tage, Wochen und Jahre ein<lb/>
Liebhabereibedürfniß behaglich zu &#x017F;tillen. Aber &#x017F;ei<lb/>
nur ruhig, Eduard; dies i&#x017F;t meine Sache, die&#x017F;es &#x017F;ind<lb/>
meine Knochen! Du krieg&#x017F;t die Suppe von ihnen<lb/>
nicht, Tinchen hält &#x017F;ich mehr an was Fri&#x017F;cheres mit<lb/>
mehr Flei&#x017F;ch darauf. Ich hoffe, Du wir&#x017F;t ihre Koch-<lb/>
kun&#x017F;t, meinem o&#x017F;teologi&#x017F;chen Mu&#x017F;eum zum Trotz loben<lb/>
und draußen im Säkulum gleichfalls be&#x017F;tätigen, daß<lb/>
man auf der rothen Schanze nicht bloß an den Knochen<lb/>
nagt. Uebrigens &#x017F;ehe ich zu meinem Er&#x017F;taunen, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0108] „Was kann ich dagegen machen? ſagen Sie ſelber aus älteſter Bekanntſchaft mit ihm, Herr Eduard!“ lachte Frau Valentine, und dabei ſtand auch ich an Stopfkuchens Arm auf ſeinem Hausflur und fiel in ein neues Erſtaunen. „Ja aber, was iſt denn Das?“ entrang ſich, um im gehobenen Ton zu bleiben, das Wort meinen Lippen. „Ein Bruchtheil meines geologiſchen Muſeums. Die Pièce de résistance, die Krone, mein Mammuth, werde ich Dir nach Tiſche zeigen,“ ſagte Schau- mann. Ich ſtand ſtarr. „Es iſt die Liebhaberei meiner alten Tage,“ fuhr der dicke Freund fort. „Etwas muß der Menſch doch immer haben, woran er ſich hält, wenn er dem Gebote des Herrn nachkommt und aus dem Kaſten geht. Was wunderſt Du Dich? Für alle Ewigkeit reicht doch ſelbſt der Prinz Xaver von Sachſen nicht aus, um einem Einſiedler oder vielmehr Zweiſiedler durch die Stunden, Tage, Wochen und Jahre ein Liebhabereibedürfniß behaglich zu ſtillen. Aber ſei nur ruhig, Eduard; dies iſt meine Sache, dieſes ſind meine Knochen! Du kriegſt die Suppe von ihnen nicht, Tinchen hält ſich mehr an was Friſcheres mit mehr Fleiſch darauf. Ich hoffe, Du wirſt ihre Koch- kunſt, meinem oſteologiſchen Muſeum zum Trotz loben und draußen im Säkulum gleichfalls beſtätigen, daß man auf der rothen Schanze nicht bloß an den Knochen nagt. Uebrigens ſehe ich zu meinem Erſtaunen, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/108
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/108>, abgerufen am 25.11.2024.