Du derartigen Dilettantenwahnsinn bei mir am wenigsten gesucht hast."
"Das muß ich sagen!"
"Der Zauber des Gegensatzes, Eduard. Einfach der Zauber des Gegensatzes! Werde Du mal so fett wie ich und suche Du nicht Deinen Gegensatz -- also hier diese Knochen! Dein Hausarzt wird sicherlich nichts dagegen einzuwenden haben. Der meinige hält zum Beispiel mein Herum -Kriechen -Keuchen und -Klettern in den umliegenden Kiesgruben und Steinbrüchen der Feldmark um die rothe Schanze für sehr wohlthätig für meine Konstitution. Seinen Redensarten nach sollte es mir manchmal vorkommen, als sei die Sintfluth nur meinetwegen eingetreten; nämlich blos damit ich mir unter ihren Ruderibus, ihren schönen Resten die mir so nothwendige Bewegung mache. Und mit ganz ähnlichen Redensarten legt auch Tinchen, wie sie sich ausdrückt, meiner Narrheit nichts in den Weg. ,Das kommt davon', fügt sie höchstens hinzu, ,wenn der dicke Bauer der rothen Schanze sein ganzes Ackerland der Zuckerfabrik Mai- holzen als Rübenacker hingibt.'"
"Mensch!" rief ich. "Jetzt laß uns endlich zu Tisch! Deine Frau wartet und ich habe es unbe- dingt nöthig, auch mit Deiner Frau über Dich zu reden!"
"Aber erst nach Tische!" grinste Stopfkuchen. Er "bat" darum, wie man das in solchen Fällen sittiger zu bezeichnen pflegt, fügte auch noch hinzu: "Daß ich mich auf dem Wege zum Essen und beim
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Du derartigen Dilettantenwahnſinn bei mir am wenigſten geſucht haſt.“
„Das muß ich ſagen!“
„Der Zauber des Gegenſatzes, Eduard. Einfach der Zauber des Gegenſatzes! Werde Du mal ſo fett wie ich und ſuche Du nicht Deinen Gegenſatz — alſo hier dieſe Knochen! Dein Hausarzt wird ſicherlich nichts dagegen einzuwenden haben. Der meinige hält zum Beiſpiel mein Herum -Kriechen -Keuchen und -Klettern in den umliegenden Kiesgruben und Steinbrüchen der Feldmark um die rothe Schanze für ſehr wohlthätig für meine Konſtitution. Seinen Redensarten nach ſollte es mir manchmal vorkommen, als ſei die Sintfluth nur meinetwegen eingetreten; nämlich blos damit ich mir unter ihren Ruderibus, ihren ſchönen Reſten die mir ſo nothwendige Bewegung mache. Und mit ganz ähnlichen Redensarten legt auch Tinchen, wie ſie ſich ausdrückt, meiner Narrheit nichts in den Weg. ‚Das kommt davon‘, fügt ſie höchſtens hinzu, ‚wenn der dicke Bauer der rothen Schanze ſein ganzes Ackerland der Zuckerfabrik Mai- holzen als Rübenacker hingibt.‘“
„Menſch!“ rief ich. „Jetzt laß uns endlich zu Tiſch! Deine Frau wartet und ich habe es unbe- dingt nöthig, auch mit Deiner Frau über Dich zu reden!“
„Aber erſt nach Tiſche!“ grinſte Stopfkuchen. Er „bat“ darum, wie man das in ſolchen Fällen ſittiger zu bezeichnen pflegt, fügte auch noch hinzu: „Daß ich mich auf dem Wege zum Eſſen und beim
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Du derartigen Dilettantenwahnſinn bei mir am
wenigſten geſucht haſt.“
„Das muß ich ſagen!“
„Der Zauber des Gegenſatzes, Eduard. Einfach
der Zauber des Gegenſatzes! Werde Du mal ſo fett
wie ich und ſuche Du nicht Deinen Gegenſatz — alſo
hier dieſe Knochen! Dein Hausarzt wird ſicherlich
nichts dagegen einzuwenden haben. Der meinige
hält zum Beiſpiel mein Herum -Kriechen -Keuchen
und -Klettern in den umliegenden Kiesgruben und
Steinbrüchen der Feldmark um die rothe Schanze für
ſehr wohlthätig für meine Konſtitution. Seinen
Redensarten nach ſollte es mir manchmal vorkommen,
als ſei die Sintfluth nur meinetwegen eingetreten;
nämlich blos damit ich mir unter ihren Ruderibus,
ihren ſchönen Reſten die mir ſo nothwendige Bewegung
mache. Und mit ganz ähnlichen Redensarten legt
auch Tinchen, wie ſie ſich ausdrückt, meiner Narrheit
nichts in den Weg. ‚Das kommt davon‘, fügt ſie
höchſtens hinzu, ‚wenn der dicke Bauer der rothen
Schanze ſein ganzes Ackerland der Zuckerfabrik Mai-
holzen als Rübenacker hingibt.‘“
„Menſch!“ rief ich. „Jetzt laß uns endlich zu
Tiſch! Deine Frau wartet und ich habe es unbe-
dingt nöthig, auch mit Deiner Frau über Dich zu
reden!“
„Aber erſt nach Tiſche!“ grinſte Stopfkuchen.
Er „bat“ darum, wie man das in ſolchen Fällen
ſittiger zu bezeichnen pflegt, fügte auch noch hinzu:
„Daß ich mich auf dem Wege zum Eſſen und beim
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/109>, abgerufen am 16.02.2025.
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