Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Lächeln auf dem Gesicht: Ob es den Herren ge-
fällig sei? --


Es war den Herren gefällig.

Heute, unter der Linie, habe ich zwar die Glocke
des Schiffskochs nicht überhört, aber ich habe ihr
doch auch nicht Folge geleistet. Ich bin von Tische
fort und bei meinem Manuskript geblieben. Mit dem
Appetit des Nordländers ist es zwischen den Wende-
kreisen des Krebses und des Steinbocks leider nur zu
häufig so so, und Die sind schon gut dran, die in
jenen schönen Gegenden sich wenigstens noch mit Be-
hagen oder doch ohne Mißbehagen an frühern Tafel-
genuß und bessere Verdauung erinnern dürfen.

"Na, Tinchen, da hast Du denn endlich einmal
wieder einen Andern, der Dir seinen Arm bietet,"
sagte Heinrich, seine Pfeife an die Gartenbank lehnend
und seinen Schlafrock um sich zusammenziehend, was
die einzige Verbesserung und Verschönerung seiner
Diner-Toilette blieb, während seine Frau im hübschen
und geschmackvollen, im tadellosen, feiertäglichen Haus-
kleide zu uns gekommen war. "Nämlich," fügte er
hinzu, Stopfkuchen nämlich: "So habe ich sie ge-
wöhnt, Eduard, daß ich mich in dieser Hinsicht all-
mählich auf sie verlassen kann. Sie reicht mir stets
unaufgefordert den Arm und ich habe ihn nöthig.
Aber, wie gesagt, Weib, reiche ihn heute ihm. Eines

Lächeln auf dem Geſicht: Ob es den Herren ge-
fällig ſei? —


Es war den Herren gefällig.

Heute, unter der Linie, habe ich zwar die Glocke
des Schiffskochs nicht überhört, aber ich habe ihr
doch auch nicht Folge geleiſtet. Ich bin von Tiſche
fort und bei meinem Manuſkript geblieben. Mit dem
Appetit des Nordländers iſt es zwiſchen den Wende-
kreiſen des Krebſes und des Steinbocks leider nur zu
häufig ſo ſo, und Die ſind ſchon gut dran, die in
jenen ſchönen Gegenden ſich wenigſtens noch mit Be-
hagen oder doch ohne Mißbehagen an frühern Tafel-
genuß und beſſere Verdauung erinnern dürfen.

„Na, Tinchen, da haſt Du denn endlich einmal
wieder einen Andern, der Dir ſeinen Arm bietet,“
ſagte Heinrich, ſeine Pfeife an die Gartenbank lehnend
und ſeinen Schlafrock um ſich zuſammenziehend, was
die einzige Verbeſſerung und Verſchönerung ſeiner
Diner-Toilette blieb, während ſeine Frau im hübſchen
und geſchmackvollen, im tadelloſen, feiertäglichen Haus-
kleide zu uns gekommen war. „Nämlich,“ fügte er
hinzu, Stopfkuchen nämlich: „So habe ich ſie ge-
wöhnt, Eduard, daß ich mich in dieſer Hinſicht all-
mählich auf ſie verlaſſen kann. Sie reicht mir ſtets
unaufgefordert den Arm und ich habe ihn nöthig.
Aber, wie geſagt, Weib, reiche ihn heute ihm. Eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="94"/>
Lächeln auf dem Ge&#x017F;icht: Ob es den Herren ge-<lb/>
fällig &#x017F;ei? &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es war den Herren gefällig.</p><lb/>
        <p>Heute, unter der Linie, habe ich zwar die Glocke<lb/>
des Schiffskochs nicht überhört, aber ich habe ihr<lb/>
doch auch nicht Folge gelei&#x017F;tet. Ich bin von Ti&#x017F;che<lb/>
fort und bei meinem Manu&#x017F;kript geblieben. Mit dem<lb/>
Appetit des Nordländers i&#x017F;t es zwi&#x017F;chen den Wende-<lb/>
krei&#x017F;en des Kreb&#x017F;es und des Steinbocks leider nur zu<lb/>
häufig &#x017F;o &#x017F;o, und Die &#x017F;ind &#x017F;chon gut dran, die in<lb/>
jenen &#x017F;chönen Gegenden &#x017F;ich wenig&#x017F;tens noch mit Be-<lb/>
hagen oder doch ohne Mißbehagen an frühern Tafel-<lb/>
genuß und be&#x017F;&#x017F;ere Verdauung erinnern dürfen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Na, Tinchen, da ha&#x017F;t Du denn endlich einmal<lb/>
wieder einen Andern, der Dir &#x017F;einen Arm bietet,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Heinrich, &#x017F;eine Pfeife an die Gartenbank lehnend<lb/>
und &#x017F;einen Schlafrock um &#x017F;ich zu&#x017F;ammenziehend, was<lb/>
die einzige Verbe&#x017F;&#x017F;erung und Ver&#x017F;chönerung &#x017F;einer<lb/>
Diner-Toilette blieb, während &#x017F;eine Frau im hüb&#x017F;chen<lb/>
und ge&#x017F;chmackvollen, im tadello&#x017F;en, feiertäglichen Haus-<lb/>
kleide zu uns gekommen war. &#x201E;Nämlich,&#x201C; fügte er<lb/>
hinzu, Stopfkuchen nämlich: &#x201E;So habe ich &#x017F;ie ge-<lb/>
wöhnt, Eduard, daß ich mich in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht all-<lb/>
mählich auf &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en kann. Sie reicht mir &#x017F;tets<lb/>
unaufgefordert den Arm und ich habe ihn nöthig.<lb/>
Aber, wie ge&#x017F;agt, Weib, reiche ihn heute ihm. Eines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0104] Lächeln auf dem Geſicht: Ob es den Herren ge- fällig ſei? — Es war den Herren gefällig. Heute, unter der Linie, habe ich zwar die Glocke des Schiffskochs nicht überhört, aber ich habe ihr doch auch nicht Folge geleiſtet. Ich bin von Tiſche fort und bei meinem Manuſkript geblieben. Mit dem Appetit des Nordländers iſt es zwiſchen den Wende- kreiſen des Krebſes und des Steinbocks leider nur zu häufig ſo ſo, und Die ſind ſchon gut dran, die in jenen ſchönen Gegenden ſich wenigſtens noch mit Be- hagen oder doch ohne Mißbehagen an frühern Tafel- genuß und beſſere Verdauung erinnern dürfen. „Na, Tinchen, da haſt Du denn endlich einmal wieder einen Andern, der Dir ſeinen Arm bietet,“ ſagte Heinrich, ſeine Pfeife an die Gartenbank lehnend und ſeinen Schlafrock um ſich zuſammenziehend, was die einzige Verbeſſerung und Verſchönerung ſeiner Diner-Toilette blieb, während ſeine Frau im hübſchen und geſchmackvollen, im tadelloſen, feiertäglichen Haus- kleide zu uns gekommen war. „Nämlich,“ fügte er hinzu, Stopfkuchen nämlich: „So habe ich ſie ge- wöhnt, Eduard, daß ich mich in dieſer Hinſicht all- mählich auf ſie verlaſſen kann. Sie reicht mir ſtets unaufgefordert den Arm und ich habe ihn nöthig. Aber, wie geſagt, Weib, reiche ihn heute ihm. Eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/104
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/104>, abgerufen am 24.11.2024.