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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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"Schrieb ich dem Andreas am andern Morgen das
Geschehene, denn er wußte noch nichts davon. ..."

Der Kranke im Bett stöhnte, als ob ihm das Herz
zerbreche, während ich schwindelnd und wortlos da
saß. ...

"Verkauften wir unsere Liegenschaften und brachten
wir die Louise und Dich, Franz, ihr kleines Kind, hier-
her in den grünen Wald. Sie war immer still vor sich
hin und ward immer stiller; sie sang nicht mehr ihre
alten Liederverse und saß am liebsten in der Sonne
und hielt ihre armen magern Finger gegen das Son-
nenlicht. Dann lachte sie wohl und sagte:

"Noch immer, -- noch immer, -- wie es rinnt,
rinnt!" --

"Und eines Morgens -- -- -- Ja, wie war's denn,
was ich einmal im Franzosenland von Einem den Offi-
ficieren vorlesen hörte, als ich Wache vor dem Zelt stand.
Ich glaube, Herr Göthe oder so nannten sie ihn, der
es las (er zog mit des Herzogs Durchlaucht) und es
handelte von einer dänischen Prinzessin, die wahnsinnig
wurde, weil ihr Liebster sich wahnsinnig gestellt hatte. ..."

"Bleib' bei der Stange, Burchhard," rief mein
Oheim plötzlich, sich aufrichtend, -- "eines Morgens
lag sie am Rande des Hungerteiches ertrunken im Was-
ser!" --

„Schrieb ich dem Andreas am andern Morgen das
Geſchehene, denn er wußte noch nichts davon. …“

Der Kranke im Bett ſtöhnte, als ob ihm das Herz
zerbreche, während ich ſchwindelnd und wortlos da
ſaß. …

„Verkauften wir unſere Liegenſchaften und brachten
wir die Louiſe und Dich, Franz, ihr kleines Kind, hier-
her in den grünen Wald. Sie war immer ſtill vor ſich
hin und ward immer ſtiller; ſie ſang nicht mehr ihre
alten Liederverſe und ſaß am liebſten in der Sonne
und hielt ihre armen magern Finger gegen das Son-
nenlicht. Dann lachte ſie wohl und ſagte:

„Noch immer, — noch immer, — wie es rinnt,
rinnt!“ —

„Und eines Morgens — — — Ja, wie war’s denn,
was ich einmal im Franzoſenland von Einem den Offi-
ficieren vorleſen hörte, als ich Wache vor dem Zelt ſtand.
Ich glaube, Herr Göthe oder ſo nannten ſie ihn, der
es las (er zog mit des Herzogs Durchlaucht) und es
handelte von einer däniſchen Prinzeſſin, die wahnſinnig
wurde, weil ihr Liebſter ſich wahnſinnig geſtellt hatte. …“

„Bleib’ bei der Stange, Burchhard,“ rief mein
Oheim plötzlich, ſich aufrichtend, — „eines Morgens
lag ſie am Rande des Hungerteiches ertrunken im Waſ-
ſer!“ —

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[58/0068] „Schrieb ich dem Andreas am andern Morgen das Geſchehene, denn er wußte noch nichts davon. …“ Der Kranke im Bett ſtöhnte, als ob ihm das Herz zerbreche, während ich ſchwindelnd und wortlos da ſaß. … „Verkauften wir unſere Liegenſchaften und brachten wir die Louiſe und Dich, Franz, ihr kleines Kind, hier- her in den grünen Wald. Sie war immer ſtill vor ſich hin und ward immer ſtiller; ſie ſang nicht mehr ihre alten Liederverſe und ſaß am liebſten in der Sonne und hielt ihre armen magern Finger gegen das Son- nenlicht. Dann lachte ſie wohl und ſagte: „Noch immer, — noch immer, — wie es rinnt, rinnt!“ — „Und eines Morgens — — — Ja, wie war’s denn, was ich einmal im Franzoſenland von Einem den Offi- ficieren vorleſen hörte, als ich Wache vor dem Zelt ſtand. Ich glaube, Herr Göthe oder ſo nannten ſie ihn, der es las (er zog mit des Herzogs Durchlaucht) und es handelte von einer däniſchen Prinzeſſin, die wahnſinnig wurde, weil ihr Liebſter ſich wahnſinnig geſtellt hatte. …“ „Bleib’ bei der Stange, Burchhard,“ rief mein Oheim plötzlich, ſich aufrichtend, — „eines Morgens lag ſie am Rande des Hungerteiches ertrunken im Waſ- ſer!“ —

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/68>, abgerufen am 25.11.2024.