Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.schämtheit, ein Heft mit solch' beschmiertem Löschblatt Eine halbe Stunde sitze ich nun noch arbeitend, dann ſchämtheit, ein Heft mit ſolch’ beſchmiertem Löſchblatt Eine halbe Stunde ſitze ich nun noch arbeitend, dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="166"/> ſchämtheit, ein Heft mit ſolch’ beſchmiertem Löſchblatt<lb/> drin, „abliefern“ zu wollen. Das Letztere aber werde ich<lb/> confisciren, und Zeichenſtunde ſoll der Junge auch haben;<lb/> dieſer Signifer hat doch etwas zu lange Arme. —</p><lb/> <p>Eine halbe Stunde ſitze ich nun noch arbeitend, dann<lb/> ſchlägt es auf der Sophienkirche Sechs. Ich weiß nicht,<lb/> iſt es das ſchlechte Beiſpiel, welches mir da gegeben<lb/> wurde, oder der blaue Sommerhimmel und die Sonne<lb/> draußen; auf meinem Papier rücke ich nicht weiter, wohl<lb/> aber unruhig auf dem Stuhl hin und her. Eliſe hat<lb/> übrigens auch Recht: „unſere“ Dinte iſt wirklich abſcheulich.<lb/> — Ich ſchlage meine Bücher zu, ziehe den Rock an und<lb/> — gehe den Tönen eines Fortepiano’s nach, welche von<lb/> drüben herüberklingen. Wenn ich in Nr. 12 die Treppe<lb/> hinaufgeſtiegen bin, ſo finde ich dort in dem einfach<lb/> aber hübſch ausgeſtatteten Zimmer des erſten Stocks<lb/> eine Dame vor dem Clavier ſitzen, die mir freundlich<lb/> zunickt, ohne ſich in ihren Phantaſien ſtören zu laſſen.<lb/> Ich ſetze mich neben die Roſen- und Reſedatöpfe im<lb/> Fenſter, der Muſik lauſchend und kann dabei zugleich<lb/> einen muſternden Blick über das Zimmer gleiten laſſen.<lb/> Hier gleich neben mir unter den Blumen ſteht Flämm-<lb/> chen’s Meſſingbauer, in welchem der kleine Vogel bereits<lb/> auf der Stange ſitzt, das Köpfchen unter den Flügel<lb/> gezogen. Müde von den Anſtrengungen des Tages, iſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0176]
ſchämtheit, ein Heft mit ſolch’ beſchmiertem Löſchblatt
drin, „abliefern“ zu wollen. Das Letztere aber werde ich
confisciren, und Zeichenſtunde ſoll der Junge auch haben;
dieſer Signifer hat doch etwas zu lange Arme. —
Eine halbe Stunde ſitze ich nun noch arbeitend, dann
ſchlägt es auf der Sophienkirche Sechs. Ich weiß nicht,
iſt es das ſchlechte Beiſpiel, welches mir da gegeben
wurde, oder der blaue Sommerhimmel und die Sonne
draußen; auf meinem Papier rücke ich nicht weiter, wohl
aber unruhig auf dem Stuhl hin und her. Eliſe hat
übrigens auch Recht: „unſere“ Dinte iſt wirklich abſcheulich.
— Ich ſchlage meine Bücher zu, ziehe den Rock an und
— gehe den Tönen eines Fortepiano’s nach, welche von
drüben herüberklingen. Wenn ich in Nr. 12 die Treppe
hinaufgeſtiegen bin, ſo finde ich dort in dem einfach
aber hübſch ausgeſtatteten Zimmer des erſten Stocks
eine Dame vor dem Clavier ſitzen, die mir freundlich
zunickt, ohne ſich in ihren Phantaſien ſtören zu laſſen.
Ich ſetze mich neben die Roſen- und Reſedatöpfe im
Fenſter, der Muſik lauſchend und kann dabei zugleich
einen muſternden Blick über das Zimmer gleiten laſſen.
Hier gleich neben mir unter den Blumen ſteht Flämm-
chen’s Meſſingbauer, in welchem der kleine Vogel bereits
auf der Stange ſitzt, das Köpfchen unter den Flügel
gezogen. Müde von den Anſtrengungen des Tages, iſt
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