der Gegenwärtigkeit frei zu machen, und zu thun, als ob sie nicht wären. Wir haben die Exempla berühmter Kriegsleute und weiser Männer. Plutarchos giebt uns Beispiele von den Erstern. Was die zweite Art an¬ gehet, so haben wir vor allem Platons zwei Bücher, den Phädon und den Kriton -- Er höret mich doch, Münchhausen?"
"Wie die, welche das Ohrenklingen haben, das ganze Gehör voll Pauken, Flöten und Trompeten haben, Herr Magister," brummte der Exscholar von Amelungsborn, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, daß er jetzt wirklich das Buch Kriton am Schluß ziemlich wörtlich citire. "Der Herr Magister brauchen nur zu befehlen, wovon wir hier im Erdenbauch diskurriren sollen, während uns der Kuckuck und sein Küster über den Köpfen aufspielen, tanzen und den Tanzboden eintreten --"
"Herr Magister," seufzte aus seiner Ecke in der Erdhöhle Knecht Heinrich. "Herr Magister, ich meine, ich bin halbwegs wieder bei Beinen. Den Kellerhals kenn' ich ja leidergottes gegen des Herrn Magisters Vorwissen, und auf die Gefahr käm's mir nicht an, den Kopf vorzustecken und zuzusehen, wie's draußen stünde."
"Du bleibst hier, Du bleibst bei mir, Du bleibst wo Du bist und rührst Dich nicht von der Stelle," kreischte Wieschen. "Wer einzig und allein hier zu sagen und zu befehlen hat, und den Kopf vorzustecken und draußen zu spioniren hat, das ist einzig und allein unser einzigster Trost und Helfer in dieser Angst und
der Gegenwärtigkeit frei zu machen, und zu thun, als ob ſie nicht wären. Wir haben die Exempla berühmter Kriegsleute und weiſer Männer. Plutarchos giebt uns Beiſpiele von den Erſtern. Was die zweite Art an¬ gehet, ſo haben wir vor allem Platons zwei Bücher, den Phädon und den Kriton — Er höret mich doch, Münchhauſen?“
„Wie die, welche das Ohrenklingen haben, das ganze Gehör voll Pauken, Flöten und Trompeten haben, Herr Magiſter,“ brummte der Exſcholar von Amelungsborn, ohne die geringſte Ahnung davon zu haben, daß er jetzt wirklich das Buch Kriton am Schluß ziemlich wörtlich citire. „Der Herr Magiſter brauchen nur zu befehlen, wovon wir hier im Erdenbauch diskurriren ſollen, während uns der Kuckuck und ſein Küſter über den Köpfen aufſpielen, tanzen und den Tanzboden eintreten —“
„Herr Magiſter,“ ſeufzte aus ſeiner Ecke in der Erdhöhle Knecht Heinrich. „Herr Magiſter, ich meine, ich bin halbwegs wieder bei Beinen. Den Kellerhals kenn' ich ja leidergottes gegen des Herrn Magiſters Vorwiſſen, und auf die Gefahr käm's mir nicht an, den Kopf vorzuſtecken und zuzuſehen, wie's draußen ſtünde.“
„Du bleibſt hier, Du bleibſt bei mir, Du bleibſt wo Du biſt und rührſt Dich nicht von der Stelle,“ kreiſchte Wieſchen. „Wer einzig und allein hier zu ſagen und zu befehlen hat, und den Kopf vorzuſtecken und draußen zu ſpioniren hat, das iſt einzig und allein unſer einzigſter Troſt und Helfer in dieſer Angſt und
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der Gegenwärtigkeit frei zu machen, und zu thun, als
ob ſie nicht wären. Wir haben die Exempla berühmter
Kriegsleute und weiſer Männer. Plutarchos giebt uns
Beiſpiele von den Erſtern. Was die zweite Art an¬
gehet, ſo haben wir vor allem Platons zwei Bücher,
den Phädon und den Kriton — Er höret mich doch,
Münchhauſen?“
„Wie die, welche das Ohrenklingen haben, das ganze
Gehör voll Pauken, Flöten und Trompeten haben, Herr
Magiſter,“ brummte der Exſcholar von Amelungsborn,
ohne die geringſte Ahnung davon zu haben, daß er jetzt
wirklich das Buch Kriton am Schluß ziemlich wörtlich
citire. „Der Herr Magiſter brauchen nur zu befehlen,
wovon wir hier im Erdenbauch diskurriren ſollen, während
uns der Kuckuck und ſein Küſter über den Köpfen
aufſpielen, tanzen und den Tanzboden eintreten —“
„Herr Magiſter,“ ſeufzte aus ſeiner Ecke in der
Erdhöhle Knecht Heinrich. „Herr Magiſter, ich meine,
ich bin halbwegs wieder bei Beinen. Den Kellerhals
kenn' ich ja leidergottes gegen des Herrn Magiſters
Vorwiſſen, und auf die Gefahr käm's mir nicht an, den
Kopf vorzuſtecken und zuzuſehen, wie's draußen ſtünde.“
„Du bleibſt hier, Du bleibſt bei mir, Du bleibſt
wo Du biſt und rührſt Dich nicht von der Stelle,“
kreiſchte Wieſchen. „Wer einzig und allein hier zu ſagen
und zu befehlen hat, und den Kopf vorzuſtecken und
draußen zu ſpioniren hat, das iſt einzig und allein
unſer einzigſter Troſt und Helfer in dieſer Angſt und
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/221>, abgerufen am 26.07.2024.
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