Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889."Bleibe Er ruhig, Schelze; aber Er, Thedel Münch¬ Eine unansehnliche enge Spalte im Gestein! .... "Hier hinunter?" ächzte Mademoisell Selinde, die "Hier hört man keinen Muffel seufzen, Hier läuft kein Kramer mit Gewichten, Hier rast kein Menzel mit Husaren -- Hier sind wir einfach, fromm und stille! Hier schwärmen keine schwarzen Sorgen, Hier hört man kein Geschrei der Laster -- Hier wollen wir uns Hütten bauen! Was fehlt der Fülle solcher Wonne? Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe. Geh, hole Du Dein blondes Mädchen, Ich will die braune Doris holen --" schieb Deinen Kerl, Deinen Heinrich vorsichtig dem Ma¬ "Neulich sprach ich mit den Bergen, Und sie priesen mir ihr Silber, Und den Schatz in goldnen Adern, Und sie wollten mir ihn schenken --" alle Hagel und Wetter, höre einer den Chabot, wie er „Bleibe Er ruhig, Schelze; aber Er, Thedel Münch¬ Eine unanſehnliche enge Spalte im Geſtein! .... „Hier hinunter?“ ächzte Mademoiſell Selinde, die „Hier hört man keinen Muffel ſeufzen, Hier läuft kein Kramer mit Gewichten, Hier raſt kein Menzel mit Huſaren — Hier ſind wir einfach, fromm und ſtille! Hier ſchwärmen keine ſchwarzen Sorgen, Hier hört man kein Geſchrei der Laſter — Hier wollen wir uns Hütten bauen! Was fehlt der Fülle ſolcher Wonne? Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe. Geh, hole Du Dein blondes Mädchen, Ich will die braune Doris holen —“ ſchieb Deinen Kerl, Deinen Heinrich vorſichtig dem Ma¬ „Neulich ſprach ich mit den Bergen, Und ſie prieſen mir ihr Silber, Und den Schatz in goldnen Adern, Und ſie wollten mir ihn ſchenken —“ alle Hagel und Wetter, höre einer den Chabot, wie er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0202" n="194"/> <p>„Bleibe Er ruhig, Schelze; aber Er, Thedel Münch¬<lb/> hauſen, faſſe Er mit an.“</p><lb/> <p>Eine unanſehnliche enge Spalte im Geſtein! ....</p><lb/> <p>„Hier hinunter?“ ächzte Mademoiſell Selinde, die<lb/> Hände ringend; doch Magiſter Buchius zeigte bereits<lb/> fürder den Weg, das heißt er war ſchon verſchwunden im<lb/> „Bauche der Erden“. Thedel Münchhauſen den linken<lb/> Arm um des Herrn Amtmanns Vetterstochter legend,<lb/> breitbeinig ſtehend und mit hochgeſchwungener Rechten<lb/> citirte, außer ſich vor Vergnügen, den Kanonikus Gleim:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Hier hört man keinen Muffel ſeufzen,</l><lb/> <l>Hier läuft kein Kramer mit Gewichten,</l><lb/> <l>Hier raſt kein Menzel mit Huſaren —</l><lb/> <l>Hier ſind wir einfach, fromm und ſtille!</l><lb/> <l>Hier ſchwärmen keine ſchwarzen Sorgen,</l><lb/> <l>Hier hört man kein Geſchrei der Laſter —</l><lb/> <l>Hier wollen wir uns Hütten bauen!</l><lb/> <l>Was fehlt der Fülle ſolcher Wonne?</l><lb/> <l>Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe.</l><lb/> <l>Geh, hole Du Dein blondes Mädchen,</l><lb/> <l>Ich will die braune Doris holen —“</l><lb/> </lg> <p>ſchieb Deinen Kerl, Deinen Heinrich vorſichtig dem Ma¬<lb/> giſter nach, Wieſchen. Ach Mamſell, Prinzeſſin, Engel,</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Neulich ſprach ich mit den Bergen,</l><lb/> <l>Und ſie prieſen mir ihr Silber,</l><lb/> <l>Und den Schatz in goldnen Adern,</l><lb/> <l>Und ſie wollten mir ihn ſchenken —“</l><lb/> </lg> <p>alle Hagel und Wetter, höre einer den Chabot, wie er<lb/> die Berge hinaufdrückt —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [194/0202]
„Bleibe Er ruhig, Schelze; aber Er, Thedel Münch¬
hauſen, faſſe Er mit an.“
Eine unanſehnliche enge Spalte im Geſtein! ....
„Hier hinunter?“ ächzte Mademoiſell Selinde, die
Hände ringend; doch Magiſter Buchius zeigte bereits
fürder den Weg, das heißt er war ſchon verſchwunden im
„Bauche der Erden“. Thedel Münchhauſen den linken
Arm um des Herrn Amtmanns Vetterstochter legend,
breitbeinig ſtehend und mit hochgeſchwungener Rechten
citirte, außer ſich vor Vergnügen, den Kanonikus Gleim:
„Hier hört man keinen Muffel ſeufzen,
Hier läuft kein Kramer mit Gewichten,
Hier raſt kein Menzel mit Huſaren —
Hier ſind wir einfach, fromm und ſtille!
Hier ſchwärmen keine ſchwarzen Sorgen,
Hier hört man kein Geſchrei der Laſter —
Hier wollen wir uns Hütten bauen!
Was fehlt der Fülle ſolcher Wonne?
Ach Freund, es fehlt uns noch die Liebe.
Geh, hole Du Dein blondes Mädchen,
Ich will die braune Doris holen —“
ſchieb Deinen Kerl, Deinen Heinrich vorſichtig dem Ma¬
giſter nach, Wieſchen. Ach Mamſell, Prinzeſſin, Engel,
„Neulich ſprach ich mit den Bergen,
Und ſie prieſen mir ihr Silber,
Und den Schatz in goldnen Adern,
Und ſie wollten mir ihn ſchenken —“
alle Hagel und Wetter, höre einer den Chabot, wie er
die Berge hinaufdrückt —
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Zitationshilfe: | Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/202>, abgerufen am 26.07.2024. |