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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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für den Sarg zurecht zu legen. Die Schellenbaumen
aber griff ihn und fuhr mit ihm ab und zwar mit
einem Laut wie ein verwundetes Thier, und der Vogel¬
sang lachte ihr nach und das Theatre-Variete aus dem
Tivoli gleichfalls, als ob dieser "spaßhafte und kuriose
Herr" jetzt seinen besten Witz zu seiner "Generosität"
als Zugabe gegeben habe.

"Herrschaften, ein Schuft, wer mehr giebt, als
er hat!" rief jetzt aber er, sich auf seiner Hausthür¬
treppe hoch aufrichtend und seinen Festgästen freund¬
lich aber fest die Thür in der Gartenhecke weisend.
Und es ward leer um ihn, wie es in seinem Hause
geworden war. Aus dem war freilich nicht das Ge¬
ringste mehr zu holen. Die letzten Nachzügler aus
der alten Freundschaft des Vogelsangs waren schon
belastet mit Sparren, Bohlen und Brettern, die auf
den völligen Abbruch hindeuteten, an uns vorbei¬
geschlüpft: aber auch von ihnen hatten einige doch
scheu, verlegen und wie verdutzt ob der Sache noch
eine freie Hand hingehalten und gesagt: "Wir be¬
danken uns auch recht schön, Herr Andres."

Auch das Theatre-Variete hatte genug von dem
Spaß und sich empfohlen. Alle sehr heiter bis auf
den Affenmenschen. Der schien mit einem Male auf
allen ihm von der Wissenschaft und den Herren
Darwin, Häckel, Virchow, Waldeyer und so weiter

für den Sarg zurecht zu legen. Die Schellenbaumen
aber griff ihn und fuhr mit ihm ab und zwar mit
einem Laut wie ein verwundetes Thier, und der Vogel¬
ſang lachte ihr nach und das Theatre-Variété aus dem
Tivoli gleichfalls, als ob dieſer „ſpaßhafte und kurioſe
Herr“ jetzt ſeinen beſten Witz zu ſeiner „Generoſität“
als Zugabe gegeben habe.

„Herrſchaften, ein Schuft, wer mehr giebt, als
er hat!“ rief jetzt aber er, ſich auf ſeiner Hausthür¬
treppe hoch aufrichtend und ſeinen Feſtgäſten freund¬
lich aber feſt die Thür in der Gartenhecke weiſend.
Und es ward leer um ihn, wie es in ſeinem Hauſe
geworden war. Aus dem war freilich nicht das Ge¬
ringſte mehr zu holen. Die letzten Nachzügler aus
der alten Freundſchaft des Vogelſangs waren ſchon
belaſtet mit Sparren, Bohlen und Brettern, die auf
den völligen Abbruch hindeuteten, an uns vorbei¬
geſchlüpft: aber auch von ihnen hatten einige doch
ſcheu, verlegen und wie verdutzt ob der Sache noch
eine freie Hand hingehalten und geſagt: „Wir be¬
danken uns auch recht ſchön, Herr Andres.“

Auch das Theatre-Variété hatte genug von dem
Spaß und ſich empfohlen. Alle ſehr heiter bis auf
den Affenmenſchen. Der ſchien mit einem Male auf
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[274/0284] für den Sarg zurecht zu legen. Die Schellenbaumen aber griff ihn und fuhr mit ihm ab und zwar mit einem Laut wie ein verwundetes Thier, und der Vogel¬ ſang lachte ihr nach und das Theatre-Variété aus dem Tivoli gleichfalls, als ob dieſer „ſpaßhafte und kurioſe Herr“ jetzt ſeinen beſten Witz zu ſeiner „Generoſität“ als Zugabe gegeben habe. „Herrſchaften, ein Schuft, wer mehr giebt, als er hat!“ rief jetzt aber er, ſich auf ſeiner Hausthür¬ treppe hoch aufrichtend und ſeinen Feſtgäſten freund¬ lich aber feſt die Thür in der Gartenhecke weiſend. Und es ward leer um ihn, wie es in ſeinem Hauſe geworden war. Aus dem war freilich nicht das Ge¬ ringſte mehr zu holen. Die letzten Nachzügler aus der alten Freundſchaft des Vogelſangs waren ſchon belaſtet mit Sparren, Bohlen und Brettern, die auf den völligen Abbruch hindeuteten, an uns vorbei¬ geſchlüpft: aber auch von ihnen hatten einige doch ſcheu, verlegen und wie verdutzt ob der Sache noch eine freie Hand hingehalten und geſagt: „Wir be¬ danken uns auch recht ſchön, Herr Andres.“ Auch das Theatre-Variété hatte genug von dem Spaß und ſich empfohlen. Alle ſehr heiter bis auf den Affenmenſchen. Der ſchien mit einem Male auf allen ihm von der Wiſſenſchaft und den Herren Darwin, Häckel, Virchow, Waldeyer und ſo weiter

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/284>, abgerufen am 22.11.2024.