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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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ballast verknüpfen? Ja, ich heize in diesem Winter
mit meinem hiesigen Eigenthum an der wohlgegrün¬
deten Erde, mit meinen Habseligkeiten aus dem
Vogelsang." Er sprach das Wort "Habseligkeiten" in
einer Weise aus, die man im Werkeltagsverkehr nicht
zu hören bekommt.

Ja, er heizte durch den seltsamen Winter mit alle
dem, wovon sich andere Leute nur sehr schwer, und
wenn es gar nicht anders geht, und manchmal nur
mit Thränen in den Augen trennen. Und er trieb
das Ding äußerst systematisch und hatte dabei an
mir einen Zuschauer und Theilnehmer, der nur durch
seine Ruhe abgehalten wurde, mit einem: "Aber
Velten, auch das?" mit beiden Händen dreinzu¬
greifen und dem Autodafe Einhalt zu thun.

Ich wehrte mich vergebens gegen das Interesse,
das ich von Tag zu Tage mehr an dem seltsamen
Zerstörungswerk nahm. Meinem Weibe gegenüber
den abscheulichen, den "unsinnigen Menschen" noch
zu rechtfertigen, hatte ich bald aufgegeben, aber bald
wär's auch nöthig geworden, daß ich mich nur noch
verstohlen vom Hause nach dem Vogelsang wegge¬
schlichen hätte.

"Karl, Karl," jammerte meine arme gute Kleine,
"o, Karl, bitte, bitte, werde mir nicht so wie Der!
Bitte, denke immer an uns, an das Herze da in der

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ballaſt verknüpfen? Ja, ich heize in dieſem Winter
mit meinem hieſigen Eigenthum an der wohlgegrün¬
deten Erde, mit meinen Habſeligkeiten aus dem
Vogelſang.“ Er ſprach das Wort „Habſeligkeiten“ in
einer Weiſe aus, die man im Werkeltagsverkehr nicht
zu hören bekommt.

Ja, er heizte durch den ſeltſamen Winter mit alle
dem, wovon ſich andere Leute nur ſehr ſchwer, und
wenn es gar nicht anders geht, und manchmal nur
mit Thränen in den Augen trennen. Und er trieb
das Ding äußerſt ſyſtematiſch und hatte dabei an
mir einen Zuſchauer und Theilnehmer, der nur durch
ſeine Ruhe abgehalten wurde, mit einem: „Aber
Velten, auch das?“ mit beiden Händen dreinzu¬
greifen und dem Autodafé Einhalt zu thun.

Ich wehrte mich vergebens gegen das Intereſſe,
das ich von Tag zu Tage mehr an dem ſeltſamen
Zerſtörungswerk nahm. Meinem Weibe gegenüber
den abſcheulichen, den „unſinnigen Menſchen“ noch
zu rechtfertigen, hatte ich bald aufgegeben, aber bald
wär's auch nöthig geworden, daß ich mich nur noch
verſtohlen vom Hauſe nach dem Vogelſang wegge¬
ſchlichen hätte.

„Karl, Karl,“ jammerte meine arme gute Kleine,
„o, Karl, bitte, bitte, werde mir nicht ſo wie Der!
Bitte, denke immer an uns, an das Herze da in der

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[259/0269] ballaſt verknüpfen? Ja, ich heize in dieſem Winter mit meinem hieſigen Eigenthum an der wohlgegrün¬ deten Erde, mit meinen Habſeligkeiten aus dem Vogelſang.“ Er ſprach das Wort „Habſeligkeiten“ in einer Weiſe aus, die man im Werkeltagsverkehr nicht zu hören bekommt. Ja, er heizte durch den ſeltſamen Winter mit alle dem, wovon ſich andere Leute nur ſehr ſchwer, und wenn es gar nicht anders geht, und manchmal nur mit Thränen in den Augen trennen. Und er trieb das Ding äußerſt ſyſtematiſch und hatte dabei an mir einen Zuſchauer und Theilnehmer, der nur durch ſeine Ruhe abgehalten wurde, mit einem: „Aber Velten, auch das?“ mit beiden Händen dreinzu¬ greifen und dem Autodafé Einhalt zu thun. Ich wehrte mich vergebens gegen das Intereſſe, das ich von Tag zu Tage mehr an dem ſeltſamen Zerſtörungswerk nahm. Meinem Weibe gegenüber den abſcheulichen, den „unſinnigen Menſchen“ noch zu rechtfertigen, hatte ich bald aufgegeben, aber bald wär's auch nöthig geworden, daß ich mich nur noch verſtohlen vom Hauſe nach dem Vogelſang wegge¬ ſchlichen hätte. „Karl, Karl,“ jammerte meine arme gute Kleine, „o, Karl, bitte, bitte, werde mir nicht ſo wie Der! Bitte, denke immer an uns, an das Herze da in der 17 *

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/269>, abgerufen am 23.11.2024.