"Laß uns nach Möglichkeit vernünftig sprechen, Andres --"
"Ich habe die Jungfer Schellenbaum heute morgen um eine Säge in die Stadt geschickt; sie wird selbstverständlich bei euch gewesen sein, mit den Händen über dem Kopfe und sämmtlichen Geisteskräften in Unordnung: Bringst Du das Entmündigungs¬ dokument für mich schon mit, mein Carlos?"
"Wir wissen wenigstens in unserm Alltage schon Bescheid über das, was Du hier begonnen hast und wirklich weiter zu treiben scheinst; aber Du könntest in unserer Alltagswelt doch einen Unterschied zwischen mir und den Übrigen machen. Velten, was soll dies sein?"
"Ein äußerliches Aufräumen zu dem innerlichen, liebster Freund! Ein leichtbewegtes Herz und so weiter -- wozu nützen uns die weisesten Aussprüche großer Lehrer, wenn man ihnen nichts weiter ent¬ nimmt, als eine Stimmung für den Augenblick? Ein Hinweis darauf, daß der Meister selber keinen Ge¬ brauch von seinem Diktum gemacht habe, verschlägt nichts. Hat er sein leichtbewegtes Herz durch seine achtzig Jahre mit sich geschleppt, so ist das seine Sache gewesen und hat auch vielleicht zum Vortheil der Litteraturgeschichte -- um sie interessanter zu machen -- so sein müssen. Soll deshalb kein Anderer die Fäden abschneiden dürfen, die ihn mit dem Erden¬
„Laß uns nach Möglichkeit vernünftig ſprechen, Andres —“
„Ich habe die Jungfer Schellenbaum heute morgen um eine Säge in die Stadt geſchickt; ſie wird ſelbſtverſtändlich bei euch geweſen ſein, mit den Händen über dem Kopfe und ſämmtlichen Geiſteskräften in Unordnung: Bringſt Du das Entmündigungs¬ dokument für mich ſchon mit, mein Carlos?“
„Wir wiſſen wenigſtens in unſerm Alltage ſchon Beſcheid über das, was Du hier begonnen haſt und wirklich weiter zu treiben ſcheinſt; aber Du könnteſt in unſerer Alltagswelt doch einen Unterſchied zwiſchen mir und den Übrigen machen. Velten, was ſoll dies ſein?“
„Ein äußerliches Aufräumen zu dem innerlichen, liebſter Freund! Ein leichtbewegtes Herz und ſo weiter — wozu nützen uns die weiſeſten Ausſprüche großer Lehrer, wenn man ihnen nichts weiter ent¬ nimmt, als eine Stimmung für den Augenblick? Ein Hinweis darauf, daß der Meiſter ſelber keinen Ge¬ brauch von ſeinem Diktum gemacht habe, verſchlägt nichts. Hat er ſein leichtbewegtes Herz durch ſeine achtzig Jahre mit ſich geſchleppt, ſo iſt das ſeine Sache geweſen und hat auch vielleicht zum Vortheil der Litteraturgeſchichte — um ſie intereſſanter zu machen — ſo ſein müſſen. Soll deshalb kein Anderer die Fäden abſchneiden dürfen, die ihn mit dem Erden¬
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„Laß uns nach Möglichkeit vernünftig ſprechen,
Andres —“
„Ich habe die Jungfer Schellenbaum heute
morgen um eine Säge in die Stadt geſchickt; ſie wird
ſelbſtverſtändlich bei euch geweſen ſein, mit den
Händen über dem Kopfe und ſämmtlichen Geiſteskräften
in Unordnung: Bringſt Du das Entmündigungs¬
dokument für mich ſchon mit, mein Carlos?“
„Wir wiſſen wenigſtens in unſerm Alltage ſchon
Beſcheid über das, was Du hier begonnen haſt und
wirklich weiter zu treiben ſcheinſt; aber Du könnteſt in
unſerer Alltagswelt doch einen Unterſchied zwiſchen mir
und den Übrigen machen. Velten, was ſoll dies ſein?“
„Ein äußerliches Aufräumen zu dem innerlichen,
liebſter Freund! Ein leichtbewegtes Herz und ſo
weiter — wozu nützen uns die weiſeſten Ausſprüche
großer Lehrer, wenn man ihnen nichts weiter ent¬
nimmt, als eine Stimmung für den Augenblick? Ein
Hinweis darauf, daß der Meiſter ſelber keinen Ge¬
brauch von ſeinem Diktum gemacht habe, verſchlägt
nichts. Hat er ſein leichtbewegtes Herz durch ſeine
achtzig Jahre mit ſich geſchleppt, ſo iſt das ſeine
Sache geweſen und hat auch vielleicht zum Vortheil
der Litteraturgeſchichte — um ſie intereſſanter zu
machen — ſo ſein müſſen. Soll deshalb kein Anderer
die Fäden abſchneiden dürfen, die ihn mit dem Erden¬
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/268>, abgerufen am 23.11.2024.
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