Pfeifen und Zischen. Und mit vollem Recht! Es ist ein schweres Eintrittsgeld, das man für die Tragikomödie des Daseins zu erlegen hat. "Paß auf Dein Stichwort, Du da, König oder Narr da auf den Brettern, und störe uns das Behagen nicht, von Vergnügen kann ja so schon wenig die Rede sein!" --
Leider recht bald wurde um mich her die Bühne, wenigstens für einen Augenblick, sehr leer und gab ungestörten Raum zu jeglichem Monolog über Sein und Nichtsein, und ob es besser sei und so weiter, und so weiter. Nämlich meinen Eltern bekam die veränderte Umgebung durchaus nicht; und hier beuge ich die Stirn tief über dieses Blatt! Hätte ich nicht doch mehr dazu thun müssen und sollen, daß sie in ihren Greisentagen ihr An- und Ein¬ fügungsvermögen in das Ungewohnte mir zuliebe nicht zu sehr überschätzten? Und die Braut, die ich ihnen dann in das Haus, nein, nicht in das Haus, sondern die Miethwohnung inmitten der Stadt, wenn auch der "besten Gegend" der Stadt brachte, die wußte nichts von dem Vogelsang und brachte ihren Sonnenschein nur für mich mit in die Archivstraße. Die Blumenzucht in der Fensterbank konnte meinem Vater seinen Vorstadtgarten nicht ersetzen, und noch viel weniger die vornehme Stadtgegend meiner
Pfeifen und Ziſchen. Und mit vollem Recht! Es iſt ein ſchweres Eintrittsgeld, das man für die Tragikomödie des Daſeins zu erlegen hat. „Paß auf Dein Stichwort, Du da, König oder Narr da auf den Brettern, und ſtöre uns das Behagen nicht, von Vergnügen kann ja ſo ſchon wenig die Rede ſein!“ —
Leider recht bald wurde um mich her die Bühne, wenigſtens für einen Augenblick, ſehr leer und gab ungeſtörten Raum zu jeglichem Monolog über Sein und Nichtſein, und ob es beſſer ſei und ſo weiter, und ſo weiter. Nämlich meinen Eltern bekam die veränderte Umgebung durchaus nicht; und hier beuge ich die Stirn tief über dieſes Blatt! Hätte ich nicht doch mehr dazu thun müſſen und ſollen, daß ſie in ihren Greiſentagen ihr An- und Ein¬ fügungsvermögen in das Ungewohnte mir zuliebe nicht zu ſehr überſchätzten? Und die Braut, die ich ihnen dann in das Haus, nein, nicht in das Haus, ſondern die Miethwohnung inmitten der Stadt, wenn auch der „beſten Gegend“ der Stadt brachte, die wußte nichts von dem Vogelſang und brachte ihren Sonnenſchein nur für mich mit in die Archivſtraße. Die Blumenzucht in der Fenſterbank konnte meinem Vater ſeinen Vorſtadtgarten nicht erſetzen, und noch viel weniger die vornehme Stadtgegend meiner
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[200/0210]
Pfeifen und Ziſchen. Und mit vollem Recht! Es
iſt ein ſchweres Eintrittsgeld, das man für die
Tragikomödie des Daſeins zu erlegen hat. „Paß
auf Dein Stichwort, Du da, König oder Narr da
auf den Brettern, und ſtöre uns das Behagen nicht,
von Vergnügen kann ja ſo ſchon wenig die Rede
ſein!“ —
Leider recht bald wurde um mich her die Bühne,
wenigſtens für einen Augenblick, ſehr leer und gab
ungeſtörten Raum zu jeglichem Monolog über Sein
und Nichtſein, und ob es beſſer ſei und ſo weiter,
und ſo weiter. Nämlich meinen Eltern bekam die
veränderte Umgebung durchaus nicht; und hier
beuge ich die Stirn tief über dieſes Blatt! Hätte
ich nicht doch mehr dazu thun müſſen und ſollen,
daß ſie in ihren Greiſentagen ihr An- und Ein¬
fügungsvermögen in das Ungewohnte mir zuliebe
nicht zu ſehr überſchätzten? Und die Braut, die ich
ihnen dann in das Haus, nein, nicht in das Haus,
ſondern die Miethwohnung inmitten der Stadt, wenn
auch der „beſten Gegend“ der Stadt brachte, die
wußte nichts von dem Vogelſang und brachte ihren
Sonnenſchein nur für mich mit in die Archivſtraße.
Die Blumenzucht in der Fenſterbank konnte meinem
Vater ſeinen Vorſtadtgarten nicht erſetzen, und noch
viel weniger die vornehme Stadtgegend meiner
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/210>, abgerufen am 24.11.2024.
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