Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

spielt, seine Rolle ist Jedem auf den Leib gewachsen
und das jedesmalige Kostüm gleichfalls. Nur in
seltenen stillen Augenblicken gelangt wohl ein und
der Andere dazu, sich vor die Stirn zu schlagen:
"Ja, wie ist denn das eigentlich? War das sonst
nicht anders um Dich her und in Dir? Wie kommst
Du zu allem diesen und gehörst Du wirklich hierher,
und ist das nun Ernst oder Spaß, was Du jetzt hier
treibst oder treiben mußt? Und wem zuliebe und zum
Nutzen?"

Das sind dann freilich sehr kuriose Gedanken¬
stimmungen. Wie aus einem unbekannten schauer¬
lichen Draußen haucht das vor den Theaterlichtern
Einen fremd und kalt an, meistens wenn die Bühne
einmal um einen her leer geworden ist; aber dann
und wann bei gefüllter Scene im Gewühl der Edlen,
Ritter, Bürger, Damen des Hofes, der Mönche,
Herren und Frauen, Herolde, Beamten, Soldaten,
kurz des ganzen zu dem ewig wechselnden und ewig
gleichen Schauspiel gehörigen Volksspiels. Und so
rasch als möglich fort damit! Dergleichen Nach¬
denken stört sehr bei der Durchführung der zuge¬
theilten Rolle, bringt nur Stockungen hervor und
ein verehrliches Publikum, von der Hofloge bis zu
den höchsten Galerien zu einem ironischen Lächeln,
bedauernden Achselzucken, wiehernden Hohnlachen,

ſpielt, ſeine Rolle iſt Jedem auf den Leib gewachſen
und das jedesmalige Koſtüm gleichfalls. Nur in
ſeltenen ſtillen Augenblicken gelangt wohl ein und
der Andere dazu, ſich vor die Stirn zu ſchlagen:
„Ja, wie iſt denn das eigentlich? War das ſonſt
nicht anders um Dich her und in Dir? Wie kommſt
Du zu allem dieſen und gehörſt Du wirklich hierher,
und iſt das nun Ernſt oder Spaß, was Du jetzt hier
treibſt oder treiben mußt? Und wem zuliebe und zum
Nutzen?“

Das ſind dann freilich ſehr kurioſe Gedanken¬
ſtimmungen. Wie aus einem unbekannten ſchauer¬
lichen Draußen haucht das vor den Theaterlichtern
Einen fremd und kalt an, meiſtens wenn die Bühne
einmal um einen her leer geworden iſt; aber dann
und wann bei gefüllter Scene im Gewühl der Edlen,
Ritter, Bürger, Damen des Hofes, der Mönche,
Herren und Frauen, Herolde, Beamten, Soldaten,
kurz des ganzen zu dem ewig wechſelnden und ewig
gleichen Schauſpiel gehörigen Volksſpiels. Und ſo
raſch als möglich fort damit! Dergleichen Nach¬
denken ſtört ſehr bei der Durchführung der zuge¬
theilten Rolle, bringt nur Stockungen hervor und
ein verehrliches Publikum, von der Hofloge bis zu
den höchſten Galerien zu einem ironiſchen Lächeln,
bedauernden Achſelzucken, wiehernden Hohnlachen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0209" n="199"/>
&#x017F;pielt, &#x017F;eine Rolle i&#x017F;t Jedem auf den Leib gewach&#x017F;en<lb/>
und das jedesmalige Ko&#x017F;tüm gleichfalls. Nur in<lb/>
&#x017F;eltenen &#x017F;tillen Augenblicken gelangt wohl ein und<lb/>
der Andere dazu, &#x017F;ich vor die Stirn zu &#x017F;chlagen:<lb/>
&#x201E;Ja, wie i&#x017F;t denn das eigentlich? War das &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
nicht anders um Dich her und in Dir? Wie komm&#x017F;t<lb/>
Du zu allem die&#x017F;en und gehör&#x017F;t Du wirklich hierher,<lb/>
und i&#x017F;t das nun Ern&#x017F;t oder Spaß, was Du jetzt hier<lb/>
treib&#x017F;t oder treiben mußt? Und wem zuliebe und zum<lb/>
Nutzen?&#x201C;</p><lb/>
      <p>Das &#x017F;ind dann freilich &#x017F;ehr kurio&#x017F;e Gedanken¬<lb/>
&#x017F;timmungen. Wie aus einem unbekannten &#x017F;chauer¬<lb/>
lichen Draußen haucht das vor den Theaterlichtern<lb/>
Einen fremd und kalt an, mei&#x017F;tens wenn die Bühne<lb/>
einmal um einen her leer geworden i&#x017F;t; aber dann<lb/>
und wann bei gefüllter Scene im Gewühl der Edlen,<lb/>
Ritter, Bürger, Damen des Hofes, der Mönche,<lb/>
Herren und Frauen, Herolde, Beamten, Soldaten,<lb/>
kurz des ganzen zu dem ewig wech&#x017F;elnden und ewig<lb/>
gleichen Schau&#x017F;piel gehörigen Volks&#x017F;piels. Und &#x017F;o<lb/>
ra&#x017F;ch als möglich fort damit! Dergleichen Nach¬<lb/>
denken &#x017F;tört &#x017F;ehr bei der Durchführung der zuge¬<lb/>
theilten Rolle, bringt nur Stockungen hervor und<lb/>
ein verehrliches Publikum, von der Hofloge bis zu<lb/>
den höch&#x017F;ten Galerien zu einem ironi&#x017F;chen Lächeln,<lb/>
bedauernden Ach&#x017F;elzucken, wiehernden Hohnlachen,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0209] ſpielt, ſeine Rolle iſt Jedem auf den Leib gewachſen und das jedesmalige Koſtüm gleichfalls. Nur in ſeltenen ſtillen Augenblicken gelangt wohl ein und der Andere dazu, ſich vor die Stirn zu ſchlagen: „Ja, wie iſt denn das eigentlich? War das ſonſt nicht anders um Dich her und in Dir? Wie kommſt Du zu allem dieſen und gehörſt Du wirklich hierher, und iſt das nun Ernſt oder Spaß, was Du jetzt hier treibſt oder treiben mußt? Und wem zuliebe und zum Nutzen?“ Das ſind dann freilich ſehr kurioſe Gedanken¬ ſtimmungen. Wie aus einem unbekannten ſchauer¬ lichen Draußen haucht das vor den Theaterlichtern Einen fremd und kalt an, meiſtens wenn die Bühne einmal um einen her leer geworden iſt; aber dann und wann bei gefüllter Scene im Gewühl der Edlen, Ritter, Bürger, Damen des Hofes, der Mönche, Herren und Frauen, Herolde, Beamten, Soldaten, kurz des ganzen zu dem ewig wechſelnden und ewig gleichen Schauſpiel gehörigen Volksſpiels. Und ſo raſch als möglich fort damit! Dergleichen Nach¬ denken ſtört ſehr bei der Durchführung der zuge¬ theilten Rolle, bringt nur Stockungen hervor und ein verehrliches Publikum, von der Hofloge bis zu den höchſten Galerien zu einem ironiſchen Lächeln, bedauernden Achſelzucken, wiehernden Hohnlachen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/209
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/209>, abgerufen am 02.05.2024.