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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XII. Franz der I. 1748-1764.
gehret hatte, und deswegen erst wegen Sachsen
sich in Sicherheit setzte, hernach in Böhmen ein-
brach; gestand der König zwar der zuerst losschla-
gende Theil (Aggressor) zu seyn, behauptete aber
sich in dem Falle einer Nothwehr zu finden, und
nach den Grundsätzen des Präventionsrechts zu
handeln. -- In sofern war hier viel ähnliches
mit den Vorfällen zur Zeit Carls des V., da der
Landgraf Philipp von Hessen 1529. wegen der
Packischen Geschichte ins Feld rückte, und 1542.
wider den Herzog Henrich den jüngern von Braun-
schweig-Wolfenbüttel losschlug. Mit dem letz-
tern Falle war noch die besondere Aehnlichkeit, daß
auf gleiche Art, wie damals der Landgraf Wol-
fenbüttel eroberte, und daselbst Urkunden, die zu
seiner Rechtfertigung dienten, wovon er zum Theil
schon Abschriften hatte, vorfand, so auch diesmal
der König in Preussen sich des geheimen Archives
zu Dresden bemächtigte, und daselbst die Origi-
nalurkunden, die er in Abschriften schon gehabt
hatte, in seine Hände bekam, um damit die That-
sachen, worauf er sich berief, beweisen zu können.


IV.

Von größerer Wichtigkeit ist wohl nie die Fra-
ge von Anwendung des Landfriedens gewesen,
als in diesem Falle. Beides sowohl den Einfall
in Sachsen als in Böhmen suchte man zu Wien
als einen offenbaren Landfriedensbruch darzustellen.
Zu Berlin setzte man hinwiederum dem Wiener
Hofe entgegen, daß dem Landfrieden nicht nur zu-
wider sey, wenn ein Reichsstand den andern mit
Krieg überzöge, sondern auch wenn einer verbote-
ne Conspiration oder Bündnisse wider den andern
machte. Der Reichshofrath machte inzwischen

alle

XII. Franz der I. 1748-1764.
gehret hatte, und deswegen erſt wegen Sachſen
ſich in Sicherheit ſetzte, hernach in Boͤhmen ein-
brach; geſtand der Koͤnig zwar der zuerſt losſchla-
gende Theil (Aggreſſor) zu ſeyn, behauptete aber
ſich in dem Falle einer Nothwehr zu finden, und
nach den Grundſaͤtzen des Praͤventionsrechts zu
handeln. — In ſofern war hier viel aͤhnliches
mit den Vorfaͤllen zur Zeit Carls des V., da der
Landgraf Philipp von Heſſen 1529. wegen der
Packiſchen Geſchichte ins Feld ruͤckte, und 1542.
wider den Herzog Henrich den juͤngern von Braun-
ſchweig-Wolfenbuͤttel losſchlug. Mit dem letz-
tern Falle war noch die beſondere Aehnlichkeit, daß
auf gleiche Art, wie damals der Landgraf Wol-
fenbuͤttel eroberte, und daſelbſt Urkunden, die zu
ſeiner Rechtfertigung dienten, wovon er zum Theil
ſchon Abſchriften hatte, vorfand, ſo auch diesmal
der Koͤnig in Preuſſen ſich des geheimen Archives
zu Dresden bemaͤchtigte, und daſelbſt die Origi-
nalurkunden, die er in Abſchriften ſchon gehabt
hatte, in ſeine Haͤnde bekam, um damit die That-
ſachen, worauf er ſich berief, beweiſen zu koͤnnen.


IV.

Von groͤßerer Wichtigkeit iſt wohl nie die Fra-
ge von Anwendung des Landfriedens geweſen,
als in dieſem Falle. Beides ſowohl den Einfall
in Sachſen als in Boͤhmen ſuchte man zu Wien
als einen offenbaren Landfriedensbruch darzuſtellen.
Zu Berlin ſetzte man hinwiederum dem Wiener
Hofe entgegen, daß dem Landfrieden nicht nur zu-
wider ſey, wenn ein Reichsſtand den andern mit
Krieg uͤberzoͤge, ſondern auch wenn einer verbote-
ne Conſpiration oder Buͤndniſſe wider den andern
machte. Der Reichshofrath machte inzwiſchen

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[90/0124] XII. Franz der I. 1748-1764. gehret hatte, und deswegen erſt wegen Sachſen ſich in Sicherheit ſetzte, hernach in Boͤhmen ein- brach; geſtand der Koͤnig zwar der zuerſt losſchla- gende Theil (Aggreſſor) zu ſeyn, behauptete aber ſich in dem Falle einer Nothwehr zu finden, und nach den Grundſaͤtzen des Praͤventionsrechts zu handeln. — In ſofern war hier viel aͤhnliches mit den Vorfaͤllen zur Zeit Carls des V., da der Landgraf Philipp von Heſſen 1529. wegen der Packiſchen Geſchichte ins Feld ruͤckte, und 1542. wider den Herzog Henrich den juͤngern von Braun- ſchweig-Wolfenbuͤttel losſchlug. Mit dem letz- tern Falle war noch die beſondere Aehnlichkeit, daß auf gleiche Art, wie damals der Landgraf Wol- fenbuͤttel eroberte, und daſelbſt Urkunden, die zu ſeiner Rechtfertigung dienten, wovon er zum Theil ſchon Abſchriften hatte, vorfand, ſo auch diesmal der Koͤnig in Preuſſen ſich des geheimen Archives zu Dresden bemaͤchtigte, und daſelbſt die Origi- nalurkunden, die er in Abſchriften ſchon gehabt hatte, in ſeine Haͤnde bekam, um damit die That- ſachen, worauf er ſich berief, beweiſen zu koͤnnen. Von groͤßerer Wichtigkeit iſt wohl nie die Fra- ge von Anwendung des Landfriedens geweſen, als in dieſem Falle. Beides ſowohl den Einfall in Sachſen als in Boͤhmen ſuchte man zu Wien als einen offenbaren Landfriedensbruch darzuſtellen. Zu Berlin ſetzte man hinwiederum dem Wiener Hofe entgegen, daß dem Landfrieden nicht nur zu- wider ſey, wenn ein Reichsſtand den andern mit Krieg uͤberzoͤge, ſondern auch wenn einer verbote- ne Conſpiration oder Buͤndniſſe wider den andern machte. Der Reichshofrath machte inzwiſchen alle

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/124>, abgerufen am 25.11.2024.