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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XII. Franz der I. 1748-1764.
vereinbaren. Nun ist klar, daß eine gewaltsame
Verpflanzung, wodurch Unterthanen nicht nur ihr
angebohrnes Vaterland zu verlaßen, sondern auch
an einen bestimmten Ort wider ihren Willen sich
zu begeben gezwungen werden, noch ungleich mehr
ist, als eine bloß erzwungene Auswanderung, die
noch den Vertriebenen die Wahl läßt, wohin sie
sich wenden wollen. Also kann jene Verpflan-
zung mit dem Westphälischen Frieden nicht beste-
hen. Der Militärstand bringt es zwar mit sich,
daß eine Versetzung aus einem Regimente ins an-
dere, und aus einer Besatzung in die andere statt
finden kann. Sonst aber kann selbst ohne Rück-
sicht auf die Religion wohl keiner höchsten Gewalt
ein solches Recht zugestanden werden, anders als
wegen strafbarer Verbrechen einen Unterthanen
von einem Orte zum andern zu versetzen. Viel-
weniger kann es der Religion halber geschehen;
und vollends nicht ohne ungerechten Gewissens-
zwang, wenn nur zwischen Verlaßung einer bis-
her gehabten Religion oder einer gewaltsamen Ver-
pflanzung in ein ander Land und Clima die Wahl
gelaßen wird. -- Diese und andere Vorstellun-
gen fanden aber damals zu Wien so wenig Ein-
gang, daß vielmehr an den Oesterreichischen Di-
rectorialgesandten ein heftiges Rescript von seinem
Hofe erfolgte (1755. Apr. 23.), worin derselbe
über jene Fürsprache sich sehr empfindlich bezeigte.
Die einmal beschlossene Transplantation behielt
auch ihren Fortgang.


VII.

Endlich ereignete sich noch ein Gegenstand strei-
tiger Grundsätze über einen Klosterbau, den der

regie-

XII. Franz der I. 1748-1764.
vereinbaren. Nun iſt klar, daß eine gewaltſame
Verpflanzung, wodurch Unterthanen nicht nur ihr
angebohrnes Vaterland zu verlaßen, ſondern auch
an einen beſtimmten Ort wider ihren Willen ſich
zu begeben gezwungen werden, noch ungleich mehr
iſt, als eine bloß erzwungene Auswanderung, die
noch den Vertriebenen die Wahl laͤßt, wohin ſie
ſich wenden wollen. Alſo kann jene Verpflan-
zung mit dem Weſtphaͤliſchen Frieden nicht beſte-
hen. Der Militaͤrſtand bringt es zwar mit ſich,
daß eine Verſetzung aus einem Regimente ins an-
dere, und aus einer Beſatzung in die andere ſtatt
finden kann. Sonſt aber kann ſelbſt ohne Ruͤck-
ſicht auf die Religion wohl keiner hoͤchſten Gewalt
ein ſolches Recht zugeſtanden werden, anders als
wegen ſtrafbarer Verbrechen einen Unterthanen
von einem Orte zum andern zu verſetzen. Viel-
weniger kann es der Religion halber geſchehen;
und vollends nicht ohne ungerechten Gewiſſens-
zwang, wenn nur zwiſchen Verlaßung einer bis-
her gehabten Religion oder einer gewaltſamen Ver-
pflanzung in ein ander Land und Clima die Wahl
gelaßen wird. — Dieſe und andere Vorſtellun-
gen fanden aber damals zu Wien ſo wenig Ein-
gang, daß vielmehr an den Oeſterreichiſchen Di-
rectorialgeſandten ein heftiges Reſcript von ſeinem
Hofe erfolgte (1755. Apr. 23.), worin derſelbe
uͤber jene Fuͤrſprache ſich ſehr empfindlich bezeigte.
Die einmal beſchloſſene Transplantation behielt
auch ihren Fortgang.


VII.

Endlich ereignete ſich noch ein Gegenſtand ſtrei-
tiger Grundſaͤtze uͤber einen Kloſterbau, den der

regie-
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[84/0118] XII. Franz der I. 1748-1764. vereinbaren. Nun iſt klar, daß eine gewaltſame Verpflanzung, wodurch Unterthanen nicht nur ihr angebohrnes Vaterland zu verlaßen, ſondern auch an einen beſtimmten Ort wider ihren Willen ſich zu begeben gezwungen werden, noch ungleich mehr iſt, als eine bloß erzwungene Auswanderung, die noch den Vertriebenen die Wahl laͤßt, wohin ſie ſich wenden wollen. Alſo kann jene Verpflan- zung mit dem Weſtphaͤliſchen Frieden nicht beſte- hen. Der Militaͤrſtand bringt es zwar mit ſich, daß eine Verſetzung aus einem Regimente ins an- dere, und aus einer Beſatzung in die andere ſtatt finden kann. Sonſt aber kann ſelbſt ohne Ruͤck- ſicht auf die Religion wohl keiner hoͤchſten Gewalt ein ſolches Recht zugeſtanden werden, anders als wegen ſtrafbarer Verbrechen einen Unterthanen von einem Orte zum andern zu verſetzen. Viel- weniger kann es der Religion halber geſchehen; und vollends nicht ohne ungerechten Gewiſſens- zwang, wenn nur zwiſchen Verlaßung einer bis- her gehabten Religion oder einer gewaltſamen Ver- pflanzung in ein ander Land und Clima die Wahl gelaßen wird. — Dieſe und andere Vorſtellun- gen fanden aber damals zu Wien ſo wenig Ein- gang, daß vielmehr an den Oeſterreichiſchen Di- rectorialgeſandten ein heftiges Reſcript von ſeinem Hofe erfolgte (1755. Apr. 23.), worin derſelbe uͤber jene Fuͤrſprache ſich ſehr empfindlich bezeigte. Die einmal beſchloſſene Transplantation behielt auch ihren Fortgang. Endlich ereignete ſich noch ein Gegenſtand ſtrei- tiger Grundſaͤtze uͤber einen Kloſterbau, den der regie-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/118>, abgerufen am 27.04.2024.