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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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2) Friedenszeit 1753-1756.
regierende Graf von Wied-Runkel (1755. Febr.
1.) den Capucinern in seiner Residenz zu Dier-
dorf
gestattet hatte. Wo Herr und Unterthanen
einerley Religion zugethan sind, ist zwar jenem
der Regel nach unbenommen, anderen Glaubens-
genossen in seinem Lande ihre Religionsübung zu
gestatten, wie auf solche Art selbst zu Berlin erst
unter Friedrich dem II. eine catholische Kirche von
neuem gebauet war. Allein hier hatte der Graf,
der übrigens, wie seine Unterthanen, reformirter
Religion war, schon bey einer andern Gelegenheit
den Unterthanen gegen ein dafür erhaltenes Ge-
schenk einer namhaften Geldsumme die Versiche-
rung ertheilt, daß kein catholisches Kloster in sei-
nem Lande erbauet werden sollte. Wie jetzt dessen
ungeachtet jene Concession erfolgte, und der Graf
mit catholischen Geistlichen aus den benachbarten
Churtrierischen Landen vielen Umgang hatte; ge-
riethen die Unterthanen auf die Besorgniß, daß
ihr Landesherr wohl gar vielleicht heimlich catho-
lisch geworden seyn möchte. Auf ihr Ansuchen
erließ deswegen das evangelische Corpus (1755.
Jun. 3.) nicht nur ein Abmahnungsschreiben an
den Grafen, sondern auch noch besondere Schrei-
ben an Brandenburg-Anspach (als Besitzer von
Sain-Altenkirchen) und Nassau-Oranien, mit
dem Ersuchen, als Nachbaren zu verhüten, daß
nichts gegen den Westphälischen Frieden hierun-
ter vorgehen möchte. Zu Wien sah man dieses
als eine widerrechtliche Vorbeygehung der reichs-
gerichtlichen Instanz an. Der Herr Graf ließ
sich auch nicht abhalten, den Fortgang des Klo-
sterbaues zu gestatten.


Alle
F 3

2) Friedenszeit 1753-1756.
regierende Graf von Wied-Runkel (1755. Febr.
1.) den Capucinern in ſeiner Reſidenz zu Dier-
dorf
geſtattet hatte. Wo Herr und Unterthanen
einerley Religion zugethan ſind, iſt zwar jenem
der Regel nach unbenommen, anderen Glaubens-
genoſſen in ſeinem Lande ihre Religionsuͤbung zu
geſtatten, wie auf ſolche Art ſelbſt zu Berlin erſt
unter Friedrich dem II. eine catholiſche Kirche von
neuem gebauet war. Allein hier hatte der Graf,
der uͤbrigens, wie ſeine Unterthanen, reformirter
Religion war, ſchon bey einer andern Gelegenheit
den Unterthanen gegen ein dafuͤr erhaltenes Ge-
ſchenk einer namhaften Geldſumme die Verſiche-
rung ertheilt, daß kein catholiſches Kloſter in ſei-
nem Lande erbauet werden ſollte. Wie jetzt deſſen
ungeachtet jene Conceſſion erfolgte, und der Graf
mit catholiſchen Geiſtlichen aus den benachbarten
Churtrieriſchen Landen vielen Umgang hatte; ge-
riethen die Unterthanen auf die Beſorgniß, daß
ihr Landesherr wohl gar vielleicht heimlich catho-
liſch geworden ſeyn moͤchte. Auf ihr Anſuchen
erließ deswegen das evangeliſche Corpus (1755.
Jun. 3.) nicht nur ein Abmahnungsſchreiben an
den Grafen, ſondern auch noch beſondere Schrei-
ben an Brandenburg-Anſpach (als Beſitzer von
Sain-Altenkirchen) und Naſſau-Oranien, mit
dem Erſuchen, als Nachbaren zu verhuͤten, daß
nichts gegen den Weſtphaͤliſchen Frieden hierun-
ter vorgehen moͤchte. Zu Wien ſah man dieſes
als eine widerrechtliche Vorbeygehung der reichs-
gerichtlichen Inſtanz an. Der Herr Graf ließ
ſich auch nicht abhalten, den Fortgang des Klo-
ſterbaues zu geſtatten.


Alle
F 3
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[85/0119] 2) Friedenszeit 1753-1756. regierende Graf von Wied-Runkel (1755. Febr. 1.) den Capucinern in ſeiner Reſidenz zu Dier- dorf geſtattet hatte. Wo Herr und Unterthanen einerley Religion zugethan ſind, iſt zwar jenem der Regel nach unbenommen, anderen Glaubens- genoſſen in ſeinem Lande ihre Religionsuͤbung zu geſtatten, wie auf ſolche Art ſelbſt zu Berlin erſt unter Friedrich dem II. eine catholiſche Kirche von neuem gebauet war. Allein hier hatte der Graf, der uͤbrigens, wie ſeine Unterthanen, reformirter Religion war, ſchon bey einer andern Gelegenheit den Unterthanen gegen ein dafuͤr erhaltenes Ge- ſchenk einer namhaften Geldſumme die Verſiche- rung ertheilt, daß kein catholiſches Kloſter in ſei- nem Lande erbauet werden ſollte. Wie jetzt deſſen ungeachtet jene Conceſſion erfolgte, und der Graf mit catholiſchen Geiſtlichen aus den benachbarten Churtrieriſchen Landen vielen Umgang hatte; ge- riethen die Unterthanen auf die Beſorgniß, daß ihr Landesherr wohl gar vielleicht heimlich catho- liſch geworden ſeyn moͤchte. Auf ihr Anſuchen erließ deswegen das evangeliſche Corpus (1755. Jun. 3.) nicht nur ein Abmahnungsſchreiben an den Grafen, ſondern auch noch beſondere Schrei- ben an Brandenburg-Anſpach (als Beſitzer von Sain-Altenkirchen) und Naſſau-Oranien, mit dem Erſuchen, als Nachbaren zu verhuͤten, daß nichts gegen den Weſtphaͤliſchen Frieden hierun- ter vorgehen moͤchte. Zu Wien ſah man dieſes als eine widerrechtliche Vorbeygehung der reichs- gerichtlichen Inſtanz an. Der Herr Graf ließ ſich auch nicht abhalten, den Fortgang des Klo- ſterbaues zu geſtatten. Alle F 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/119>, abgerufen am 24.11.2024.