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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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2) Friedenszeit 1753-1756.
theiliger Sätze Anlaß; -- alles zwar ohne daß
ein Hof selber gerade zu Parthey nahm, aber doch
so, daß die Verschiedenheit der Gesinnungen un-
serer großen Höfe nicht unverkannt bleiben konnte.

Noch deutlicher veroffenbarte sich dieser Unter-VI.
schied in Gesinnungen und Grundsätzen bey Gele-
genheit einer Fürsprache, die das Corpus der evan-
gelischen Stände in einem Schreiben an die Kai-
serinn Maria Theresia (1754. Nov. 6.) für die
evangelischen Unterthanen in Kärnthen, Steier-
mark und Oberoesterreich einlegte, da eine Verfü-
gung ergangen war, dieselben, wenn sie sich nicht
zur catholischen Religion bekennen würden, nach
Ungarn und Siebenbürgen transplantiren zu
laßen. -- Dem Westphälischen Frieden ist es
zwar nicht zuwider, daß ein catholischer Landes-
herr evangelische Unterthanen, denen das Entschei-
dungsjahr 1624. nicht zu statten kömmt, zur Aus-
wanderung aus dem Lande zwingen kann. Allein
dann bleibt doch den vertriebenen Unterthanen frey,
nach ihrer eigenen Wahl sich zu wenden, wohin sie
wollen; wie auf solche Art in den Jahren 1732.
u. f. viele tausend evangelische Emigranten aus
dem Salzburgischen in anderen evangelischen Län-
dern ihre Aufnahme gefunden hatten. Und eine
solche gewaltsame Vertreibung -- an sich schon
hart genug, -- ist dann doch auch das äußerste,
was der Westphälische Friede irgend einem catho-
lischen Landesherrn über evangelische Unterthanen
gestattet. Alles, was über diese Gränzen hinaus
noch weiter gehet, läßt sich offenbar mit den
Grundsätzen des Westphälischen Friedens nicht

ver-
F 2

2) Friedenszeit 1753-1756.
theiliger Saͤtze Anlaß; — alles zwar ohne daß
ein Hof ſelber gerade zu Parthey nahm, aber doch
ſo, daß die Verſchiedenheit der Geſinnungen un-
ſerer großen Hoͤfe nicht unverkannt bleiben konnte.

Noch deutlicher veroffenbarte ſich dieſer Unter-VI.
ſchied in Geſinnungen und Grundſaͤtzen bey Gele-
genheit einer Fuͤrſprache, die das Corpus der evan-
geliſchen Staͤnde in einem Schreiben an die Kai-
ſerinn Maria Thereſia (1754. Nov. 6.) fuͤr die
evangeliſchen Unterthanen in Kaͤrnthen, Steier-
mark und Oberoeſterreich einlegte, da eine Verfuͤ-
gung ergangen war, dieſelben, wenn ſie ſich nicht
zur catholiſchen Religion bekennen wuͤrden, nach
Ungarn und Siebenbuͤrgen transplantiren zu
laßen. — Dem Weſtphaͤliſchen Frieden iſt es
zwar nicht zuwider, daß ein catholiſcher Landes-
herr evangeliſche Unterthanen, denen das Entſchei-
dungsjahr 1624. nicht zu ſtatten koͤmmt, zur Aus-
wanderung aus dem Lande zwingen kann. Allein
dann bleibt doch den vertriebenen Unterthanen frey,
nach ihrer eigenen Wahl ſich zu wenden, wohin ſie
wollen; wie auf ſolche Art in den Jahren 1732.
u. f. viele tauſend evangeliſche Emigranten aus
dem Salzburgiſchen in anderen evangeliſchen Laͤn-
dern ihre Aufnahme gefunden hatten. Und eine
ſolche gewaltſame Vertreibung — an ſich ſchon
hart genug, — iſt dann doch auch das aͤußerſte,
was der Weſtphaͤliſche Friede irgend einem catho-
liſchen Landesherrn uͤber evangeliſche Unterthanen
geſtattet. Alles, was uͤber dieſe Graͤnzen hinaus
noch weiter gehet, laͤßt ſich offenbar mit den
Grundſaͤtzen des Weſtphaͤliſchen Friedens nicht

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[83/0117] 2) Friedenszeit 1753-1756. theiliger Saͤtze Anlaß; — alles zwar ohne daß ein Hof ſelber gerade zu Parthey nahm, aber doch ſo, daß die Verſchiedenheit der Geſinnungen un- ſerer großen Hoͤfe nicht unverkannt bleiben konnte. Noch deutlicher veroffenbarte ſich dieſer Unter- ſchied in Geſinnungen und Grundſaͤtzen bey Gele- genheit einer Fuͤrſprache, die das Corpus der evan- geliſchen Staͤnde in einem Schreiben an die Kai- ſerinn Maria Thereſia (1754. Nov. 6.) fuͤr die evangeliſchen Unterthanen in Kaͤrnthen, Steier- mark und Oberoeſterreich einlegte, da eine Verfuͤ- gung ergangen war, dieſelben, wenn ſie ſich nicht zur catholiſchen Religion bekennen wuͤrden, nach Ungarn und Siebenbuͤrgen transplantiren zu laßen. — Dem Weſtphaͤliſchen Frieden iſt es zwar nicht zuwider, daß ein catholiſcher Landes- herr evangeliſche Unterthanen, denen das Entſchei- dungsjahr 1624. nicht zu ſtatten koͤmmt, zur Aus- wanderung aus dem Lande zwingen kann. Allein dann bleibt doch den vertriebenen Unterthanen frey, nach ihrer eigenen Wahl ſich zu wenden, wohin ſie wollen; wie auf ſolche Art in den Jahren 1732. u. f. viele tauſend evangeliſche Emigranten aus dem Salzburgiſchen in anderen evangeliſchen Laͤn- dern ihre Aufnahme gefunden hatten. Und eine ſolche gewaltſame Vertreibung — an ſich ſchon hart genug, — iſt dann doch auch das aͤußerſte, was der Weſtphaͤliſche Friede irgend einem catho- liſchen Landesherrn uͤber evangeliſche Unterthanen geſtattet. Alles, was uͤber dieſe Graͤnzen hinaus noch weiter gehet, laͤßt ſich offenbar mit den Grundſaͤtzen des Weſtphaͤliſchen Friedens nicht ver- VI. F 2

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/117>, abgerufen am 27.04.2024.