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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VII. Neuere Zeit. Westph. Fr. 1648.
auf einige Zusätze, die von neuem Widerspruch
gefunden haben, und nach Beschaffenheit einer
jeden Stelle zu prüfen sind. Ueber einige Gegen-
stände haben seitdem selbst die Churfürsten Beden-
ken gefunden, etwas neues in die Wahlcapitulation
einzurücken; nur durch churfürstliche Collegialschrei-
ben haben sie dann den Kaiser ersucht, solche Sa-
chen an die allgemeine Reichsversammlung zur Be-
rathschlagung zu bringen.)


IV

Ein anderer Gegenstand, der mit der bestän-
digen Wahlcapitulation ungefähr gleiches Schick-
sal hatte, betraf die Römischen Königswahlen.
Obgleich Teutschland ein unwidersprechliches Wahl-
reich war, so hatte man doch zur Zeit des West-
phälischen Friedens schon eine Reihe von 200. Jah-
ren hindurch wahrzunehmen gehabt, daß die Kai-
serwürde unverrückt beym Hause Oesterreich geblie-
ben war. Das zu bewirken, glaubte man, habe
hauptsächlich ein jedesmaliger Kaiser nur das chur-
fürstliche Collegium gesucht auf seiner Seite zu
haben, um von Fall zu Fall durch eine Römische
Königswahl sich der ferneren Thronfolge zu ver-
sichern. Weil die goldene Bulle der Römischen
Königswahl nicht gedenket, sondern nur die Kai-
serwahlen den Churfürsten überläßt; so ward die
Frage aufgeworfen, ob die Churfürsten auch mit
der Römischen Königswahl bloß nach ihrem Gut-
dünken zu Werke zu gehen berechtiget seyen, und
ob es nicht auch rathsamer seyn möchte, wenig-
stens die jedesmalige Bestimmung der Frage: ob
auch eine Römische Königswahl nöthig und zuträg-
lich sey? nicht den Churfürsten alleine zu über-
laßen, damit nicht unvermerkt durch dieses Mittel,

da

VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
auf einige Zuſaͤtze, die von neuem Widerſpruch
gefunden haben, und nach Beſchaffenheit einer
jeden Stelle zu pruͤfen ſind. Ueber einige Gegen-
ſtaͤnde haben ſeitdem ſelbſt die Churfuͤrſten Beden-
ken gefunden, etwas neues in die Wahlcapitulation
einzuruͤcken; nur durch churfuͤrſtliche Collegialſchrei-
ben haben ſie dann den Kaiſer erſucht, ſolche Sa-
chen an die allgemeine Reichsverſammlung zur Be-
rathſchlagung zu bringen.)


IV

Ein anderer Gegenſtand, der mit der beſtaͤn-
digen Wahlcapitulation ungefaͤhr gleiches Schick-
ſal hatte, betraf die Roͤmiſchen Koͤnigswahlen.
Obgleich Teutſchland ein unwiderſprechliches Wahl-
reich war, ſo hatte man doch zur Zeit des Weſt-
phaͤliſchen Friedens ſchon eine Reihe von 200. Jah-
ren hindurch wahrzunehmen gehabt, daß die Kai-
ſerwuͤrde unverruͤckt beym Hauſe Oeſterreich geblie-
ben war. Das zu bewirken, glaubte man, habe
hauptſaͤchlich ein jedesmaliger Kaiſer nur das chur-
fuͤrſtliche Collegium geſucht auf ſeiner Seite zu
haben, um von Fall zu Fall durch eine Roͤmiſche
Koͤnigswahl ſich der ferneren Thronfolge zu ver-
ſichern. Weil die goldene Bulle der Roͤmiſchen
Koͤnigswahl nicht gedenket, ſondern nur die Kai-
ſerwahlen den Churfuͤrſten uͤberlaͤßt; ſo ward die
Frage aufgeworfen, ob die Churfuͤrſten auch mit
der Roͤmiſchen Koͤnigswahl bloß nach ihrem Gut-
duͤnken zu Werke zu gehen berechtiget ſeyen, und
ob es nicht auch rathſamer ſeyn moͤchte, wenig-
ſtens die jedesmalige Beſtimmung der Frage: ob
auch eine Roͤmiſche Koͤnigswahl noͤthig und zutraͤg-
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[120/0162] VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648. auf einige Zuſaͤtze, die von neuem Widerſpruch gefunden haben, und nach Beſchaffenheit einer jeden Stelle zu pruͤfen ſind. Ueber einige Gegen- ſtaͤnde haben ſeitdem ſelbſt die Churfuͤrſten Beden- ken gefunden, etwas neues in die Wahlcapitulation einzuruͤcken; nur durch churfuͤrſtliche Collegialſchrei- ben haben ſie dann den Kaiſer erſucht, ſolche Sa- chen an die allgemeine Reichsverſammlung zur Be- rathſchlagung zu bringen.) Ein anderer Gegenſtand, der mit der beſtaͤn- digen Wahlcapitulation ungefaͤhr gleiches Schick- ſal hatte, betraf die Roͤmiſchen Koͤnigswahlen. Obgleich Teutſchland ein unwiderſprechliches Wahl- reich war, ſo hatte man doch zur Zeit des Weſt- phaͤliſchen Friedens ſchon eine Reihe von 200. Jah- ren hindurch wahrzunehmen gehabt, daß die Kai- ſerwuͤrde unverruͤckt beym Hauſe Oeſterreich geblie- ben war. Das zu bewirken, glaubte man, habe hauptſaͤchlich ein jedesmaliger Kaiſer nur das chur- fuͤrſtliche Collegium geſucht auf ſeiner Seite zu haben, um von Fall zu Fall durch eine Roͤmiſche Koͤnigswahl ſich der ferneren Thronfolge zu ver- ſichern. Weil die goldene Bulle der Roͤmiſchen Koͤnigswahl nicht gedenket, ſondern nur die Kai- ſerwahlen den Churfuͤrſten uͤberlaͤßt; ſo ward die Frage aufgeworfen, ob die Churfuͤrſten auch mit der Roͤmiſchen Koͤnigswahl bloß nach ihrem Gut- duͤnken zu Werke zu gehen berechtiget ſeyen, und ob es nicht auch rathſamer ſeyn moͤchte, wenig- ſtens die jedesmalige Beſtimmung der Frage: ob auch eine Roͤmiſche Koͤnigswahl noͤthig und zutraͤg- lich ſey? nicht den Churfuͤrſten alleine zu uͤber- laßen, damit nicht unvermerkt durch dieſes Mittel, da

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/162>, abgerufen am 08.05.2024.