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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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4) Religionsverhältnisse.

So, sage ich, war und blieb das VerhältnißXVIII.
der beiderley Religionen in den besonderen Teut-
schen Staaten gar sehr unterschieden, da aller-
dings bald die eine, bald die andere als die herr-
schende Religion angesehen werden konnte, nur
an wenigen Orten eine Religionsgleichheit obwal-
tete. Aber sollte nun auch für das Teutsche Reich
im Ganzen die catholische Religion noch als die
herrschende gelten? die evangelische nur als un-
gleich geduldete, etwa wie die jüdische? -- Das
war freylich wohl der Sinn der Jesuiten und
derer, die von ihren Grundsätzen eingenommen
waren, die selbst im Religionsfrieden höchstens
nichts als eine den Protestanten versprochene Si-
cherheit, etwa auf den Fuß, wie in Ländern, wo
man den Juden Schutz ertheilt, solchen Schutz-
juden, zugestanden wissen wollten. Das Teutsche
Reich im Ganzen als ein in Ansehung der Reli-
gion vermischtes Reich anzusehen, und einen Re-
ligionstheil dem andern darin gleich gelten zu laßen,
wollte ihnen nicht in den Sinn. Gleichwohl war
das eben so, als wenn man die ganze Schweiz
noch für einen pur catholischen Staat rechnen, oder
doch die catholische Religion als die herrschende
ansehen wollte, da von den 13. Cantons nur 4.
evangelisch, 7. catholisch, und 2. vermischt sind.

Freylich war und blieb die Person des KaisersXIX.
catholisch. Es ward auch nicht ausgemacht, wie
sich vielleicht hätte denken laßen können, daß ab-
wechselnd bald ein catholischer, bald ein evangeli-
scher Kaiser seyn sollte. Es war aber doch auch
durch kein Grundgesetz ausgemacht, daß kein evan-
gelischer Kaiser seyn könnte. Und allemal konnte

der
4) Religionsverhaͤltniſſe.

So, ſage ich, war und blieb das VerhaͤltnißXVIII.
der beiderley Religionen in den beſonderen Teut-
ſchen Staaten gar ſehr unterſchieden, da aller-
dings bald die eine, bald die andere als die herr-
ſchende Religion angeſehen werden konnte, nur
an wenigen Orten eine Religionsgleichheit obwal-
tete. Aber ſollte nun auch fuͤr das Teutſche Reich
im Ganzen die catholiſche Religion noch als die
herrſchende gelten? die evangeliſche nur als un-
gleich geduldete, etwa wie die juͤdiſche? — Das
war freylich wohl der Sinn der Jeſuiten und
derer, die von ihren Grundſaͤtzen eingenommen
waren, die ſelbſt im Religionsfrieden hoͤchſtens
nichts als eine den Proteſtanten verſprochene Si-
cherheit, etwa auf den Fuß, wie in Laͤndern, wo
man den Juden Schutz ertheilt, ſolchen Schutz-
juden, zugeſtanden wiſſen wollten. Das Teutſche
Reich im Ganzen als ein in Anſehung der Reli-
gion vermiſchtes Reich anzuſehen, und einen Re-
ligionstheil dem andern darin gleich gelten zu laßen,
wollte ihnen nicht in den Sinn. Gleichwohl war
das eben ſo, als wenn man die ganze Schweiz
noch fuͤr einen pur catholiſchen Staat rechnen, oder
doch die catholiſche Religion als die herrſchende
anſehen wollte, da von den 13. Cantons nur 4.
evangeliſch, 7. catholiſch, und 2. vermiſcht ſind.

Freylich war und blieb die Perſon des KaiſersXIX.
catholiſch. Es ward auch nicht ausgemacht, wie
ſich vielleicht haͤtte denken laßen koͤnnen, daß ab-
wechſelnd bald ein catholiſcher, bald ein evangeli-
ſcher Kaiſer ſeyn ſollte. Es war aber doch auch
durch kein Grundgeſetz ausgemacht, daß kein evan-
geliſcher Kaiſer ſeyn koͤnnte. Und allemal konnte

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[75/0117] 4) Religionsverhaͤltniſſe. So, ſage ich, war und blieb das Verhaͤltniß der beiderley Religionen in den beſonderen Teut- ſchen Staaten gar ſehr unterſchieden, da aller- dings bald die eine, bald die andere als die herr- ſchende Religion angeſehen werden konnte, nur an wenigen Orten eine Religionsgleichheit obwal- tete. Aber ſollte nun auch fuͤr das Teutſche Reich im Ganzen die catholiſche Religion noch als die herrſchende gelten? die evangeliſche nur als un- gleich geduldete, etwa wie die juͤdiſche? — Das war freylich wohl der Sinn der Jeſuiten und derer, die von ihren Grundſaͤtzen eingenommen waren, die ſelbſt im Religionsfrieden hoͤchſtens nichts als eine den Proteſtanten verſprochene Si- cherheit, etwa auf den Fuß, wie in Laͤndern, wo man den Juden Schutz ertheilt, ſolchen Schutz- juden, zugeſtanden wiſſen wollten. Das Teutſche Reich im Ganzen als ein in Anſehung der Reli- gion vermiſchtes Reich anzuſehen, und einen Re- ligionstheil dem andern darin gleich gelten zu laßen, wollte ihnen nicht in den Sinn. Gleichwohl war das eben ſo, als wenn man die ganze Schweiz noch fuͤr einen pur catholiſchen Staat rechnen, oder doch die catholiſche Religion als die herrſchende anſehen wollte, da von den 13. Cantons nur 4. evangeliſch, 7. catholiſch, und 2. vermiſcht ſind. XVIII. Freylich war und blieb die Perſon des Kaiſers catholiſch. Es ward auch nicht ausgemacht, wie ſich vielleicht haͤtte denken laßen koͤnnen, daß ab- wechſelnd bald ein catholiſcher, bald ein evangeli- ſcher Kaiſer ſeyn ſollte. Es war aber doch auch durch kein Grundgeſetz ausgemacht, daß kein evan- geliſcher Kaiſer ſeyn koͤnnte. Und allemal konnte der XIX.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/117>, abgerufen am 06.05.2024.