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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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6) Carolinger im Flor 752-814.
macht es glaublich, daß mehr als eine bloße Mög-
lichkeit im Werke war. Aber eben damals ward
Irene zu Constantinopel gestürzt. Ihr Nachfolger
Nicephorus war mit dem, was zu Rom geschehen
war, so wenig zufrieden, daß es vielmehr in dem
untern Theile von Italien darüber noch zum Kriege
kam. Doch die Hauptsache konnte einmal von Con-
stantinopel aus nicht mehr rückgängig gemacht wer-
den. Die Gränzen des Gebietes, das den Grie-
chen noch in Italien übrig blieb, wurden in Frie-
densschlüssen bestimmt, die Nicephorus und sein
Nachfolger Michael mit Carln machten.

Sobald einmal die Abhängigkeit, worin bis-XV.
her die Römer vom Hofe zu Constantinopel gewesen
waren, gehoben war; so hatten es allerdings die
Römer in ihrer Gewalt, die Kaiserwürde, wie sie
ehedem auf ihrer Stadt und ihrem Gebiete gehaf-
tet hatte, zu erneuern; zumal wenn sich ein Herr
dazu fand, der der Sache den gehörigen Nachdruck
geben konnte, um auch von anderen Völkern und
Staaten die Anerkennung dieser neuen Würde zu
bewirken. In so weit liegt der wahre rechtliche
Grund der ganzen Sache in der übereinstimmen-
den Gesinnung, welche gleich am Weinachtstage
800. das damals in der Kirche versammelte Volk
an Tag legte. Es ließ sich wohl vorhersehen,
wie es auch würklich erfolgte, daß sowohl die
übrigen Römer, als die Longobarden und Franken
der Sache ihren Beyfall geben würden, und daß
nicht leicht irgend ein anderes Volk sich widersetzen
dürfte, Carln in dieser neuen Würde anzuerken-
nen; Gerade so, wie die erst im gegenwärtigen
Jahrhunderte neu errichtete Preussische Krone ihren

wahren

6) Carolinger im Flor 752-814.
macht es glaublich, daß mehr als eine bloße Moͤg-
lichkeit im Werke war. Aber eben damals ward
Irene zu Conſtantinopel geſtuͤrzt. Ihr Nachfolger
Nicephorus war mit dem, was zu Rom geſchehen
war, ſo wenig zufrieden, daß es vielmehr in dem
untern Theile von Italien daruͤber noch zum Kriege
kam. Doch die Hauptſache konnte einmal von Con-
ſtantinopel aus nicht mehr ruͤckgaͤngig gemacht wer-
den. Die Graͤnzen des Gebietes, das den Grie-
chen noch in Italien uͤbrig blieb, wurden in Frie-
densſchluͤſſen beſtimmt, die Nicephorus und ſein
Nachfolger Michael mit Carln machten.

Sobald einmal die Abhaͤngigkeit, worin bis-XV.
her die Roͤmer vom Hofe zu Conſtantinopel geweſen
waren, gehoben war; ſo hatten es allerdings die
Roͤmer in ihrer Gewalt, die Kaiſerwuͤrde, wie ſie
ehedem auf ihrer Stadt und ihrem Gebiete gehaf-
tet hatte, zu erneuern; zumal wenn ſich ein Herr
dazu fand, der der Sache den gehoͤrigen Nachdruck
geben konnte, um auch von anderen Voͤlkern und
Staaten die Anerkennung dieſer neuen Wuͤrde zu
bewirken. In ſo weit liegt der wahre rechtliche
Grund der ganzen Sache in der uͤbereinſtimmen-
den Geſinnung, welche gleich am Weinachtstage
800. das damals in der Kirche verſammelte Volk
an Tag legte. Es ließ ſich wohl vorherſehen,
wie es auch wuͤrklich erfolgte, daß ſowohl die
uͤbrigen Roͤmer, als die Longobarden und Franken
der Sache ihren Beyfall geben wuͤrden, und daß
nicht leicht irgend ein anderes Volk ſich widerſetzen
duͤrfte, Carln in dieſer neuen Wuͤrde anzuerken-
nen; Gerade ſo, wie die erſt im gegenwaͤrtigen
Jahrhunderte neu errichtete Preuſſiſche Krone ihren

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[61/0095] 6) Carolinger im Flor 752-814. macht es glaublich, daß mehr als eine bloße Moͤg- lichkeit im Werke war. Aber eben damals ward Irene zu Conſtantinopel geſtuͤrzt. Ihr Nachfolger Nicephorus war mit dem, was zu Rom geſchehen war, ſo wenig zufrieden, daß es vielmehr in dem untern Theile von Italien daruͤber noch zum Kriege kam. Doch die Hauptſache konnte einmal von Con- ſtantinopel aus nicht mehr ruͤckgaͤngig gemacht wer- den. Die Graͤnzen des Gebietes, das den Grie- chen noch in Italien uͤbrig blieb, wurden in Frie- densſchluͤſſen beſtimmt, die Nicephorus und ſein Nachfolger Michael mit Carln machten. Sobald einmal die Abhaͤngigkeit, worin bis- her die Roͤmer vom Hofe zu Conſtantinopel geweſen waren, gehoben war; ſo hatten es allerdings die Roͤmer in ihrer Gewalt, die Kaiſerwuͤrde, wie ſie ehedem auf ihrer Stadt und ihrem Gebiete gehaf- tet hatte, zu erneuern; zumal wenn ſich ein Herr dazu fand, der der Sache den gehoͤrigen Nachdruck geben konnte, um auch von anderen Voͤlkern und Staaten die Anerkennung dieſer neuen Wuͤrde zu bewirken. In ſo weit liegt der wahre rechtliche Grund der ganzen Sache in der uͤbereinſtimmen- den Geſinnung, welche gleich am Weinachtstage 800. das damals in der Kirche verſammelte Volk an Tag legte. Es ließ ſich wohl vorherſehen, wie es auch wuͤrklich erfolgte, daß ſowohl die uͤbrigen Roͤmer, als die Longobarden und Franken der Sache ihren Beyfall geben wuͤrden, und daß nicht leicht irgend ein anderes Volk ſich widerſetzen duͤrfte, Carln in dieſer neuen Wuͤrde anzuerken- nen; Gerade ſo, wie die erſt im gegenwaͤrtigen Jahrhunderte neu errichtete Preuſſiſche Krone ihren wahren XV.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/95>, abgerufen am 23.11.2024.