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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
einmal gewohnt war, auch in solchen Dingen Vor-
schriften der Oberen anzunehmen, jetzt aber auch
alle Ursache zum Mißtrauen wegfiel, da Herr und
Land in ihren Religionsgesinnungen übereinka-
men. Doch bekamen nach Verschiedenheit der
Verfassung der Länder theils Landstände mehr oder
mindern Antheil an diesen Geschäfften, theils wur-
den gemeiniglich besondere Consistorien errichtet,
die aus geistlichen und weltlichen Räthen bestan-
den, und meist das zu besorgen bekamen, was in
catholischen Ländern nur von der bischöflichen, erz-
bischöflichen oder päbstlichen Gewalt besorget wurde.


IX.

Was also auch irgend ein evangelischer Reichs-
stand seitdem in Kirchensachen in seinem Lande mehr
Gewalt hatte, als ein catholischer weltlicher Reichs-
stand, das hatte er nicht vermöge der Landesho-
heit; denn diese blieb bey catholischen und evange-
lischen Reichsständen einerley. Sondern es wa-
ren besonders erworbene Rechte, die ihm von sei-
ner Landschaft, weil er mit derselben sich zu glei-
cher Religion bekannte, zugestanden waren. Ein
jeder evangelischer Reichsstand stellte seitdem
zweyerley Personen vor; gerade wie die catholi-
schen geistlichen Reichsstände. Was diese mit welt-
lichen Ständen gemein haben, sind Teutsche Lan-
deshoheitsrechte; was sie aber nicht als Teutsche
Reichsfürsten, sondern in ihrer anderen Eigen-
schaft als Bischöfe für Rechte haben, das sind kei-
ne Rechte der Landeshoheit. So übt ein evange-
lischer Reichsstand aus Landeshoheit nur eben die
Rechte, die ein catholischer weltlicher Reichsstand
ausübt. Was er in der Kirchenverfassung seines
Landes zu sagen hat, das ist eigentlich kein Theil

der

V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
einmal gewohnt war, auch in ſolchen Dingen Vor-
ſchriften der Oberen anzunehmen, jetzt aber auch
alle Urſache zum Mißtrauen wegfiel, da Herr und
Land in ihren Religionsgeſinnungen uͤbereinka-
men. Doch bekamen nach Verſchiedenheit der
Verfaſſung der Laͤnder theils Landſtaͤnde mehr oder
mindern Antheil an dieſen Geſchaͤfften, theils wur-
den gemeiniglich beſondere Conſiſtorien errichtet,
die aus geiſtlichen und weltlichen Raͤthen beſtan-
den, und meiſt das zu beſorgen bekamen, was in
catholiſchen Laͤndern nur von der biſchoͤflichen, erz-
biſchoͤflichen oder paͤbſtlichen Gewalt beſorget wurde.


IX.

Was alſo auch irgend ein evangeliſcher Reichs-
ſtand ſeitdem in Kirchenſachen in ſeinem Lande mehr
Gewalt hatte, als ein catholiſcher weltlicher Reichs-
ſtand, das hatte er nicht vermoͤge der Landesho-
heit; denn dieſe blieb bey catholiſchen und evange-
liſchen Reichsſtaͤnden einerley. Sondern es wa-
ren beſonders erworbene Rechte, die ihm von ſei-
ner Landſchaft, weil er mit derſelben ſich zu glei-
cher Religion bekannte, zugeſtanden waren. Ein
jeder evangeliſcher Reichsſtand ſtellte ſeitdem
zweyerley Perſonen vor; gerade wie die catholi-
ſchen geiſtlichen Reichsſtaͤnde. Was dieſe mit welt-
lichen Staͤnden gemein haben, ſind Teutſche Lan-
deshoheitsrechte; was ſie aber nicht als Teutſche
Reichsfuͤrſten, ſondern in ihrer anderen Eigen-
ſchaft als Biſchoͤfe fuͤr Rechte haben, das ſind kei-
ne Rechte der Landeshoheit. So uͤbt ein evange-
liſcher Reichsſtand aus Landeshoheit nur eben die
Rechte, die ein catholiſcher weltlicher Reichsſtand
ausuͤbt. Was er in der Kirchenverfaſſung ſeines
Landes zu ſagen hat, das iſt eigentlich kein Theil

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[418/0452] V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558. einmal gewohnt war, auch in ſolchen Dingen Vor- ſchriften der Oberen anzunehmen, jetzt aber auch alle Urſache zum Mißtrauen wegfiel, da Herr und Land in ihren Religionsgeſinnungen uͤbereinka- men. Doch bekamen nach Verſchiedenheit der Verfaſſung der Laͤnder theils Landſtaͤnde mehr oder mindern Antheil an dieſen Geſchaͤfften, theils wur- den gemeiniglich beſondere Conſiſtorien errichtet, die aus geiſtlichen und weltlichen Raͤthen beſtan- den, und meiſt das zu beſorgen bekamen, was in catholiſchen Laͤndern nur von der biſchoͤflichen, erz- biſchoͤflichen oder paͤbſtlichen Gewalt beſorget wurde. Was alſo auch irgend ein evangeliſcher Reichs- ſtand ſeitdem in Kirchenſachen in ſeinem Lande mehr Gewalt hatte, als ein catholiſcher weltlicher Reichs- ſtand, das hatte er nicht vermoͤge der Landesho- heit; denn dieſe blieb bey catholiſchen und evange- liſchen Reichsſtaͤnden einerley. Sondern es wa- ren beſonders erworbene Rechte, die ihm von ſei- ner Landſchaft, weil er mit derſelben ſich zu glei- cher Religion bekannte, zugeſtanden waren. Ein jeder evangeliſcher Reichsſtand ſtellte ſeitdem zweyerley Perſonen vor; gerade wie die catholi- ſchen geiſtlichen Reichsſtaͤnde. Was dieſe mit welt- lichen Staͤnden gemein haben, ſind Teutſche Lan- deshoheitsrechte; was ſie aber nicht als Teutſche Reichsfuͤrſten, ſondern in ihrer anderen Eigen- ſchaft als Biſchoͤfe fuͤr Rechte haben, das ſind kei- ne Rechte der Landeshoheit. So uͤbt ein evange- liſcher Reichsſtand aus Landeshoheit nur eben die Rechte, die ein catholiſcher weltlicher Reichsſtand ausuͤbt. Was er in der Kirchenverfaſſung ſeines Landes zu ſagen hat, das iſt eigentlich kein Theil der

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/452>, abgerufen am 23.11.2024.