bekümmern, wie es die Catholischen unter sich fer- ner mit ihren Einrichtungen halten möchten.
Da die Protestanten das ganze hierarchischeVII. System, als einen Mißbrauch, und als ein Hin- derniß, die Kirchenverfassung nach dem wahren Geiste des Christenthums einzurichten, ansahen; so galt es für sie nur um Wegräumung dieses Hin- dernisses, um jetzt ihrer natürlichen Freyheit sich zu bedienen. Sie hatten auch nicht nöthig, dar- über für alle evangelische Staaten und Länder eine völlig gleichförmige Einrichtung zu treffen. Son- dern sie konnten, wie ich oben schon bemerkt habe, die genauere Bestimmung davon jedem Staate oder Lande nach seiner eignen Convenienz überlas- sen. In den meisten Teutschen Ländern ließen Landschaften und Unterthanen gerne geschehen, daß solche Rechte, die bisher von Bischöfen unter päbst- licher Gewalt nach Grundsätzen, die sie ihrem Ge- wissen zuwider hielten, ausgeübt waren, jetzt von Landesherren, die mit ihnen einerley Religions- grundsätze annahmen, ausgeübt wurden; zumal da manche Rechte, welche Pabst, Bischöfe und Erzbischöfe an sich gezogen hatten, selbst nach rich- tigen Grundsätzen des allgemeinen Staats- und Kirchenrechts einer jeden höchsten Gewalt von Rechtswegen zukommen.
Aber auch solche Rechte, die an sich nicht derVIII. bürgerlichen höchsten Gewalt, sondern der kirchli- chen Gewalt einer jeden kirchlichen Gesellschaft zu- kämen, und allenfalls collegialisch ausgeübt wer- den könnten, überließ man in den meisten Ländern gerne der Besorgung der Landesherren, weil man
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7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb.
bekuͤmmern, wie es die Catholiſchen unter ſich fer- ner mit ihren Einrichtungen halten moͤchten.
Da die Proteſtanten das ganze hierarchiſcheVII. Syſtem, als einen Mißbrauch, und als ein Hin- derniß, die Kirchenverfaſſung nach dem wahren Geiſte des Chriſtenthums einzurichten, anſahen; ſo galt es fuͤr ſie nur um Wegraͤumung dieſes Hin- derniſſes, um jetzt ihrer natuͤrlichen Freyheit ſich zu bedienen. Sie hatten auch nicht noͤthig, dar- uͤber fuͤr alle evangeliſche Staaten und Laͤnder eine voͤllig gleichfoͤrmige Einrichtung zu treffen. Son- dern ſie konnten, wie ich oben ſchon bemerkt habe, die genauere Beſtimmung davon jedem Staate oder Lande nach ſeiner eignen Convenienz uͤberlaſ- ſen. In den meiſten Teutſchen Laͤndern ließen Landſchaften und Unterthanen gerne geſchehen, daß ſolche Rechte, die bisher von Biſchoͤfen unter paͤbſt- licher Gewalt nach Grundſaͤtzen, die ſie ihrem Ge- wiſſen zuwider hielten, ausgeuͤbt waren, jetzt von Landesherren, die mit ihnen einerley Religions- grundſaͤtze annahmen, ausgeuͤbt wurden; zumal da manche Rechte, welche Pabſt, Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe an ſich gezogen hatten, ſelbſt nach rich- tigen Grundſaͤtzen des allgemeinen Staats- und Kirchenrechts einer jeden hoͤchſten Gewalt von Rechtswegen zukommen.
Aber auch ſolche Rechte, die an ſich nicht derVIII. buͤrgerlichen hoͤchſten Gewalt, ſondern der kirchli- chen Gewalt einer jeden kirchlichen Geſellſchaft zu- kaͤmen, und allenfalls collegialiſch ausgeuͤbt wer- den koͤnnten, uͤberließ man in den meiſten Laͤndern gerne der Beſorgung der Landesherren, weil man
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7) Relig. Fr. 1555. b) geiſtl. Gerichtb.
bekuͤmmern, wie es die Catholiſchen unter ſich fer-
ner mit ihren Einrichtungen halten moͤchten.
Da die Proteſtanten das ganze hierarchiſche
Syſtem, als einen Mißbrauch, und als ein Hin-
derniß, die Kirchenverfaſſung nach dem wahren
Geiſte des Chriſtenthums einzurichten, anſahen;
ſo galt es fuͤr ſie nur um Wegraͤumung dieſes Hin-
derniſſes, um jetzt ihrer natuͤrlichen Freyheit ſich
zu bedienen. Sie hatten auch nicht noͤthig, dar-
uͤber fuͤr alle evangeliſche Staaten und Laͤnder eine
voͤllig gleichfoͤrmige Einrichtung zu treffen. Son-
dern ſie konnten, wie ich oben ſchon bemerkt habe,
die genauere Beſtimmung davon jedem Staate
oder Lande nach ſeiner eignen Convenienz uͤberlaſ-
ſen. In den meiſten Teutſchen Laͤndern ließen
Landſchaften und Unterthanen gerne geſchehen, daß
ſolche Rechte, die bisher von Biſchoͤfen unter paͤbſt-
licher Gewalt nach Grundſaͤtzen, die ſie ihrem Ge-
wiſſen zuwider hielten, ausgeuͤbt waren, jetzt von
Landesherren, die mit ihnen einerley Religions-
grundſaͤtze annahmen, ausgeuͤbt wurden; zumal
da manche Rechte, welche Pabſt, Biſchoͤfe und
Erzbiſchoͤfe an ſich gezogen hatten, ſelbſt nach rich-
tigen Grundſaͤtzen des allgemeinen Staats- und
Kirchenrechts einer jeden hoͤchſten Gewalt von
Rechtswegen zukommen.
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Aber auch ſolche Rechte, die an ſich nicht der
buͤrgerlichen hoͤchſten Gewalt, ſondern der kirchli-
chen Gewalt einer jeden kirchlichen Geſellſchaft zu-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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