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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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3) Goldene Bulle 1356.
Jahre, ehe wieder eine solche Wahl geschah. Aber
daß doch eine geschehen könne, war nun, des Still-
schweigens der goldenen Bulle über diesen Punct
ungeachtet, eine ausgemachte Sache.

Bey Gelegenheit dessen, was in der goldenenXIX.
Bulle von der Kaiserwahl geordnet wurde, war
es sehr natürlich, daß Carl der IV. auch auf die
Frage kam, wie es währender Erledigung des kaiser-
lichen Throns bis zur vollzogenen Wahl mit einswei-
liger Regierung des Reichs gehalten werden sollte.
Hier bestimmt die goldene Bulle, daß der Chur-
fürst von der Pfalz in den Rheinischen, Schwä-
bischen und denen Ländern, wo Fränkisch Recht
gelte, der Churfürst von Sachsen hingegen in Län-
dern, wo Sächsische Rechte gelten, Reichsverwe-
ser
sey. Wahrscheinlich mag die pfalzgräfliche
Würde, die ursprünglich einer Richtersstelle an-
klebte, zuerst Anlaß gegeben haben, daß die Ver-
waltung der Justitz, die am wenigsten Aufschub
oder Unterbrechung leidet, auch währender Erledi-
gung des kaiserlichen Thrones vom Pfalzgrafen
erwartet wurde, und damit dann auch mehrere
solche Rechte, die auch im Zwischenreiche nicht füg-
lich ruhen konnten, nach und nach in Gang ka-
men. Diese Pfälzische Reichsverwesung würde sich
nun eigentlich auf ganz Teutschland erstreckt haben.
Aber das besondere Vorrecht, das den Sachsen
gleich bey ihrer ersten Vereinigung mit der Frän-
kischen Nation zugestanden war, hat vermuthlich
den Grund dazu hergegeben, daß die Sachsen, oder,
wie die goldene Bulle sagt, die Orte (oder Länder)
in welchen Sachsenrecht beobachtet wird, nicht un-
ter der Pfälzischen Reichsverwesung, sondern lieber

unter

3) Goldene Bulle 1356.
Jahre, ehe wieder eine ſolche Wahl geſchah. Aber
daß doch eine geſchehen koͤnne, war nun, des Still-
ſchweigens der goldenen Bulle uͤber dieſen Punct
ungeachtet, eine ausgemachte Sache.

Bey Gelegenheit deſſen, was in der goldenenXIX.
Bulle von der Kaiſerwahl geordnet wurde, war
es ſehr natuͤrlich, daß Carl der IV. auch auf die
Frage kam, wie es waͤhrender Erledigung des kaiſer-
lichen Throns bis zur vollzogenen Wahl mit einswei-
liger Regierung des Reichs gehalten werden ſollte.
Hier beſtimmt die goldene Bulle, daß der Chur-
fuͤrſt von der Pfalz in den Rheiniſchen, Schwaͤ-
biſchen und denen Laͤndern, wo Fraͤnkiſch Recht
gelte, der Churfuͤrſt von Sachſen hingegen in Laͤn-
dern, wo Saͤchſiſche Rechte gelten, Reichsverwe-
ſer
ſey. Wahrſcheinlich mag die pfalzgraͤfliche
Wuͤrde, die urſpruͤnglich einer Richtersſtelle an-
klebte, zuerſt Anlaß gegeben haben, daß die Ver-
waltung der Juſtitz, die am wenigſten Aufſchub
oder Unterbrechung leidet, auch waͤhrender Erledi-
gung des kaiſerlichen Thrones vom Pfalzgrafen
erwartet wurde, und damit dann auch mehrere
ſolche Rechte, die auch im Zwiſchenreiche nicht fuͤg-
lich ruhen konnten, nach und nach in Gang ka-
men. Dieſe Pfaͤlziſche Reichsverweſung wuͤrde ſich
nun eigentlich auf ganz Teutſchland erſtreckt haben.
Aber das beſondere Vorrecht, das den Sachſen
gleich bey ihrer erſten Vereinigung mit der Fraͤn-
kiſchen Nation zugeſtanden war, hat vermuthlich
den Grund dazu hergegeben, daß die Sachſen, oder,
wie die goldene Bulle ſagt, die Orte (oder Laͤnder)
in welchen Sachſenrecht beobachtet wird, nicht un-
ter der Pfaͤlziſchen Reichsverweſung, ſondern lieber

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[253/0287] 3) Goldene Bulle 1356. Jahre, ehe wieder eine ſolche Wahl geſchah. Aber daß doch eine geſchehen koͤnne, war nun, des Still- ſchweigens der goldenen Bulle uͤber dieſen Punct ungeachtet, eine ausgemachte Sache. Bey Gelegenheit deſſen, was in der goldenen Bulle von der Kaiſerwahl geordnet wurde, war es ſehr natuͤrlich, daß Carl der IV. auch auf die Frage kam, wie es waͤhrender Erledigung des kaiſer- lichen Throns bis zur vollzogenen Wahl mit einswei- liger Regierung des Reichs gehalten werden ſollte. Hier beſtimmt die goldene Bulle, daß der Chur- fuͤrſt von der Pfalz in den Rheiniſchen, Schwaͤ- biſchen und denen Laͤndern, wo Fraͤnkiſch Recht gelte, der Churfuͤrſt von Sachſen hingegen in Laͤn- dern, wo Saͤchſiſche Rechte gelten, Reichsverwe- ſer ſey. Wahrſcheinlich mag die pfalzgraͤfliche Wuͤrde, die urſpruͤnglich einer Richtersſtelle an- klebte, zuerſt Anlaß gegeben haben, daß die Ver- waltung der Juſtitz, die am wenigſten Aufſchub oder Unterbrechung leidet, auch waͤhrender Erledi- gung des kaiſerlichen Thrones vom Pfalzgrafen erwartet wurde, und damit dann auch mehrere ſolche Rechte, die auch im Zwiſchenreiche nicht fuͤg- lich ruhen konnten, nach und nach in Gang ka- men. Dieſe Pfaͤlziſche Reichsverweſung wuͤrde ſich nun eigentlich auf ganz Teutſchland erſtreckt haben. Aber das beſondere Vorrecht, das den Sachſen gleich bey ihrer erſten Vereinigung mit der Fraͤn- kiſchen Nation zugeſtanden war, hat vermuthlich den Grund dazu hergegeben, daß die Sachſen, oder, wie die goldene Bulle ſagt, die Orte (oder Laͤnder) in welchen Sachſenrecht beobachtet wird, nicht un- ter der Pfaͤlziſchen Reichsverweſung, ſondern lieber unter XIX.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/287>, abgerufen am 22.11.2024.