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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493.
men bekommen werde, als rechtmäßig erwehlten
Kaiser erkennen wolle. Die Stimmen selbst wer-
den hernach im Conclave (in der Sacristey) bey
verschlossenen Thüren abgegeben; wobey eines der
wichtigsten Stücke der goldenen Bulle in den
Verordnungen besteht, daß hier schlechterdings die
Mehrheit der Stimmen gilt, ohne daß auch die
Abwesenheit oder Entfernung eines Churfürsten der-
selben Abbruch thun kann, und hingegen so, daß
auch die Stimme mitgerechnet wird, die sich ein Chur-
fürst selber geben kann. Auch die Krönung, wel-
che vermöge der goldenen Bulle eigentlich zu Aachen
geschehen soll, aber jetzt eben da, wo die Wahl
geschehen, vollzogen zu werden pflegt, hat ihre
althergebrachte Feierlichkeiten; wie sie zur Ehre
des Alterthums soviel möglich bis auf den heuti-
gen Tag beybehalten werden.


XVIII.

Zu bewundern war es, daß Carl der IV. bey
Abfassung der goldenen Bulle nicht auch darauf Be-
dacht genommen hatte, wie noch bey Lebzeiten eines
regierenden Kaisers ein Römischer König zum
Thronfolger erwehlt werden könne. Sollte er viel-
leicht besorgt gewesen seyn, daß er mehr Schwie-
rigkeiten finden möchte, wenn er die Sache rege
machte, als wenn er sie mit Stillschweigen über-
gienge, und, wie bisher, dem Herkommen, oder
künftigen günstigen Zeitläuften überließe? Für das
Herkommen vergangener Zeiten konnten schon die
Beyspiele der Römischen Königswahlen zur Zeit der
Schwäbischen Kaiser Bürge seyn. Carln gelang
es auch nach der goldenen Bulle für seinen Sohn
Wenzel die Römische Königswahl zu Stande zu
bringen. Hernach vergiengen zwar über hundert

Jah-

III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493.
men bekommen werde, als rechtmaͤßig erwehlten
Kaiſer erkennen wolle. Die Stimmen ſelbſt wer-
den hernach im Conclave (in der Sacriſtey) bey
verſchloſſenen Thuͤren abgegeben; wobey eines der
wichtigſten Stuͤcke der goldenen Bulle in den
Verordnungen beſteht, daß hier ſchlechterdings die
Mehrheit der Stimmen gilt, ohne daß auch die
Abweſenheit oder Entfernung eines Churfuͤrſten der-
ſelben Abbruch thun kann, und hingegen ſo, daß
auch die Stimme mitgerechnet wird, die ſich ein Chur-
fuͤrſt ſelber geben kann. Auch die Kroͤnung, wel-
che vermoͤge der goldenen Bulle eigentlich zu Aachen
geſchehen ſoll, aber jetzt eben da, wo die Wahl
geſchehen, vollzogen zu werden pflegt, hat ihre
althergebrachte Feierlichkeiten; wie ſie zur Ehre
des Alterthums ſoviel moͤglich bis auf den heuti-
gen Tag beybehalten werden.


XVIII.

Zu bewundern war es, daß Carl der IV. bey
Abfaſſung der goldenen Bulle nicht auch darauf Be-
dacht genommen hatte, wie noch bey Lebzeiten eines
regierenden Kaiſers ein Roͤmiſcher Koͤnig zum
Thronfolger erwehlt werden koͤnne. Sollte er viel-
leicht beſorgt geweſen ſeyn, daß er mehr Schwie-
rigkeiten finden moͤchte, wenn er die Sache rege
machte, als wenn er ſie mit Stillſchweigen uͤber-
gienge, und, wie bisher, dem Herkommen, oder
kuͤnftigen guͤnſtigen Zeitlaͤuften uͤberließe? Fuͤr das
Herkommen vergangener Zeiten konnten ſchon die
Beyſpiele der Roͤmiſchen Koͤnigswahlen zur Zeit der
Schwaͤbiſchen Kaiſer Buͤrge ſeyn. Carln gelang
es auch nach der goldenen Bulle fuͤr ſeinen Sohn
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bringen. Hernach vergiengen zwar uͤber hundert

Jah-
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[252/0286] III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493. men bekommen werde, als rechtmaͤßig erwehlten Kaiſer erkennen wolle. Die Stimmen ſelbſt wer- den hernach im Conclave (in der Sacriſtey) bey verſchloſſenen Thuͤren abgegeben; wobey eines der wichtigſten Stuͤcke der goldenen Bulle in den Verordnungen beſteht, daß hier ſchlechterdings die Mehrheit der Stimmen gilt, ohne daß auch die Abweſenheit oder Entfernung eines Churfuͤrſten der- ſelben Abbruch thun kann, und hingegen ſo, daß auch die Stimme mitgerechnet wird, die ſich ein Chur- fuͤrſt ſelber geben kann. Auch die Kroͤnung, wel- che vermoͤge der goldenen Bulle eigentlich zu Aachen geſchehen ſoll, aber jetzt eben da, wo die Wahl geſchehen, vollzogen zu werden pflegt, hat ihre althergebrachte Feierlichkeiten; wie ſie zur Ehre des Alterthums ſoviel moͤglich bis auf den heuti- gen Tag beybehalten werden. Zu bewundern war es, daß Carl der IV. bey Abfaſſung der goldenen Bulle nicht auch darauf Be- dacht genommen hatte, wie noch bey Lebzeiten eines regierenden Kaiſers ein Roͤmiſcher Koͤnig zum Thronfolger erwehlt werden koͤnne. Sollte er viel- leicht beſorgt geweſen ſeyn, daß er mehr Schwie- rigkeiten finden moͤchte, wenn er die Sache rege machte, als wenn er ſie mit Stillſchweigen uͤber- gienge, und, wie bisher, dem Herkommen, oder kuͤnftigen guͤnſtigen Zeitlaͤuften uͤberließe? Fuͤr das Herkommen vergangener Zeiten konnten ſchon die Beyſpiele der Roͤmiſchen Koͤnigswahlen zur Zeit der Schwaͤbiſchen Kaiſer Buͤrge ſeyn. Carln gelang es auch nach der goldenen Bulle fuͤr ſeinen Sohn Wenzel die Roͤmiſche Koͤnigswahl zu Stande zu bringen. Hernach vergiengen zwar uͤber hundert Jah-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/286>, abgerufen am 22.11.2024.