und den Streit zum gütlichen Austrag zu bringen suchte. Nicht selten ließen sich streitende Par- theyen, wenn sie der Thätlichkeiten müde waren, oder solchen auch lieber vorbeugen wollten, den Austrag eines dritten Freundes gefallen. Damit war dann gemeiniglich mehr gewonnen, als mit dem mißlichen Ausgange einer ans Fürstenrecht oder an den Hofrichter gebrachten Rechtssache. Daher ward der Gebrauch solcher Austräge bald so gemein, daß man weit häufiger dergleichen Aus- tragsvermittelungen oder auch Austragsweise er- theilte Rechtssprüche, als kaiserliche oder Hofge- richts-Erkenntnisse selbiger Zeiten findet.
Viele Reichsstände trafen in ihren VerträgenXIV. eigne Abreden darüber, daß, wenn unter ihnen oder ihren Nachkommen Streit entstehen würde, derselbe weder mit Gewaltthätigkeiten, noch mit Klagen beym Kaiser oder beym kaiserlichen Hof- richter, sondern mittelst Austrages eines dritten Standes oder auch beider Theile dazu zu ernen- nender Vasallen geschlichtet werden sollte. Man nannte das gewillkührte Austräge(n). Da- durch wurde der Gebrauch solcher Austräge so gäng und gäbe, daß auch Partheyen, die keine Verträge darüber errichtet hatten, doch darauf anzutragen pflegten. Man hielt es beynahe für unanständig, einen Fürsten beym Kaiser zu ver- klagen, wenn man ihn nicht vorher ersucht hatte, ob er sich nicht den Austrag eines dritten Fürsten wollte gefallen laßen. Noch übler nahm man es einem Fürsten, den man auf solche Art um Aus-
trag
(n) Cammergerichtsordnung 1495. Tit. 24.
O 3
12) Friedrich der II. 1220-1235.
und den Streit zum guͤtlichen Austrag zu bringen ſuchte. Nicht ſelten ließen ſich ſtreitende Par- theyen, wenn ſie der Thaͤtlichkeiten muͤde waren, oder ſolchen auch lieber vorbeugen wollten, den Austrag eines dritten Freundes gefallen. Damit war dann gemeiniglich mehr gewonnen, als mit dem mißlichen Ausgange einer ans Fuͤrſtenrecht oder an den Hofrichter gebrachten Rechtsſache. Daher ward der Gebrauch ſolcher Austraͤge bald ſo gemein, daß man weit haͤufiger dergleichen Aus- tragsvermittelungen oder auch Austragsweiſe er- theilte Rechtsſpruͤche, als kaiſerliche oder Hofge- richts-Erkenntniſſe ſelbiger Zeiten findet.
Viele Reichsſtaͤnde trafen in ihren VertraͤgenXIV. eigne Abreden daruͤber, daß, wenn unter ihnen oder ihren Nachkommen Streit entſtehen wuͤrde, derſelbe weder mit Gewaltthaͤtigkeiten, noch mit Klagen beym Kaiſer oder beym kaiſerlichen Hof- richter, ſondern mittelſt Austrages eines dritten Standes oder auch beider Theile dazu zu ernen- nender Vaſallen geſchlichtet werden ſollte. Man nannte das gewillkuͤhrte Austraͤge(n). Da- durch wurde der Gebrauch ſolcher Austraͤge ſo gaͤng und gaͤbe, daß auch Partheyen, die keine Vertraͤge daruͤber errichtet hatten, doch darauf anzutragen pflegten. Man hielt es beynahe fuͤr unanſtaͤndig, einen Fuͤrſten beym Kaiſer zu ver- klagen, wenn man ihn nicht vorher erſucht hatte, ob er ſich nicht den Austrag eines dritten Fuͤrſten wollte gefallen laßen. Noch uͤbler nahm man es einem Fuͤrſten, den man auf ſolche Art um Aus-
trag
(n) Cammergerichtsordnung 1495. Tit. 24.
O 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0247"n="213"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">12) Friedrich der <hirendition="#aq">II.</hi> 1220-1235.</hi></fw><lb/>
und den Streit zum guͤtlichen Austrag zu bringen<lb/>ſuchte. Nicht ſelten ließen ſich ſtreitende Par-<lb/>
theyen, wenn ſie der Thaͤtlichkeiten muͤde waren,<lb/>
oder ſolchen auch lieber vorbeugen wollten, den<lb/>
Austrag eines dritten Freundes gefallen. Damit<lb/>
war dann gemeiniglich mehr gewonnen, als mit<lb/>
dem mißlichen Ausgange einer ans Fuͤrſtenrecht<lb/>
oder an den Hofrichter gebrachten Rechtsſache.<lb/>
Daher ward der Gebrauch ſolcher <hirendition="#fr">Austraͤge</hi> bald<lb/>ſo gemein, daß man weit haͤufiger dergleichen Aus-<lb/>
tragsvermittelungen oder auch Austragsweiſe er-<lb/>
theilte Rechtsſpruͤche, als kaiſerliche oder Hofge-<lb/>
richts-Erkenntniſſe ſelbiger Zeiten findet.</p><lb/><p>Viele Reichsſtaͤnde trafen in ihren Vertraͤgen<noteplace="right"><hirendition="#aq">XIV.</hi></note><lb/>
eigne Abreden daruͤber, daß, wenn unter ihnen<lb/>
oder ihren Nachkommen Streit entſtehen wuͤrde,<lb/>
derſelbe weder mit Gewaltthaͤtigkeiten, noch mit<lb/>
Klagen beym Kaiſer oder beym kaiſerlichen Hof-<lb/>
richter, ſondern mittelſt Austrages eines dritten<lb/>
Standes oder auch beider Theile dazu zu ernen-<lb/>
nender Vaſallen geſchlichtet werden ſollte. Man<lb/>
nannte das <hirendition="#fr">gewillkuͤhrte Austraͤge</hi><noteplace="foot"n="(n)">Cammergerichtsordnung 1495. Tit. 24.</note>. Da-<lb/>
durch wurde der Gebrauch ſolcher Austraͤge ſo<lb/>
gaͤng und gaͤbe, daß auch Partheyen, die keine<lb/>
Vertraͤge daruͤber errichtet hatten, doch darauf<lb/>
anzutragen pflegten. Man hielt es beynahe fuͤr<lb/>
unanſtaͤndig, einen Fuͤrſten beym Kaiſer zu ver-<lb/>
klagen, wenn man ihn nicht vorher erſucht hatte,<lb/>
ob er ſich nicht den Austrag eines dritten Fuͤrſten<lb/>
wollte gefallen laßen. Noch uͤbler nahm man es<lb/>
einem Fuͤrſten, den man auf ſolche Art um Aus-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">trag</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[213/0247]
12) Friedrich der II. 1220-1235.
und den Streit zum guͤtlichen Austrag zu bringen
ſuchte. Nicht ſelten ließen ſich ſtreitende Par-
theyen, wenn ſie der Thaͤtlichkeiten muͤde waren,
oder ſolchen auch lieber vorbeugen wollten, den
Austrag eines dritten Freundes gefallen. Damit
war dann gemeiniglich mehr gewonnen, als mit
dem mißlichen Ausgange einer ans Fuͤrſtenrecht
oder an den Hofrichter gebrachten Rechtsſache.
Daher ward der Gebrauch ſolcher Austraͤge bald
ſo gemein, daß man weit haͤufiger dergleichen Aus-
tragsvermittelungen oder auch Austragsweiſe er-
theilte Rechtsſpruͤche, als kaiſerliche oder Hofge-
richts-Erkenntniſſe ſelbiger Zeiten findet.
Viele Reichsſtaͤnde trafen in ihren Vertraͤgen
eigne Abreden daruͤber, daß, wenn unter ihnen
oder ihren Nachkommen Streit entſtehen wuͤrde,
derſelbe weder mit Gewaltthaͤtigkeiten, noch mit
Klagen beym Kaiſer oder beym kaiſerlichen Hof-
richter, ſondern mittelſt Austrages eines dritten
Standes oder auch beider Theile dazu zu ernen-
nender Vaſallen geſchlichtet werden ſollte. Man
nannte das gewillkuͤhrte Austraͤge (n). Da-
durch wurde der Gebrauch ſolcher Austraͤge ſo
gaͤng und gaͤbe, daß auch Partheyen, die keine
Vertraͤge daruͤber errichtet hatten, doch darauf
anzutragen pflegten. Man hielt es beynahe fuͤr
unanſtaͤndig, einen Fuͤrſten beym Kaiſer zu ver-
klagen, wenn man ihn nicht vorher erſucht hatte,
ob er ſich nicht den Austrag eines dritten Fuͤrſten
wollte gefallen laßen. Noch uͤbler nahm man es
einem Fuͤrſten, den man auf ſolche Art um Aus-
trag
XIV.
(n) Cammergerichtsordnung 1495. Tit. 24.
O 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/247>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.