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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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7) Henrich der IV. 1056-1106.

Dann mochte nun immer dem Kaiser die Ein-IX.
bildung gelaßen werden, daß er als Nachfolger
der ehemaligen Römischen Kaiser, wie selbige sich
hatten schmeichlen laßen, Herr der Welt sey.
So ließ sich selbst ein scheinbares Lehrgebäude auf-
führen, daß zwey sichtbare Oberhäupter der
Welt von Gott angeordnet wären, ein geistliches,
unter dem alle Bischöfe und Erzbischöfe mit ihren
untergebenen Geistlichen ständen, und ein weltli-
ches, das über alle Könige und Fürsten gehe. Nur
durfte nicht dabey außer Acht gelaßen werden,
daß alle weltliche Gewalt zur geistlichen sich so,
wie der Leib zur Seele, das Zeitliche zur Ewigkeit,
der Mond zur Sonne, verhalte. So vereinigte
sich doch am Ende der höchste Gipfel aller mensch-
lichen Gewalt in der über alles erhabenen Macht
des Römischen Bischofs, oder, wie nun ihm al-
leine dieser Name eigen wurde, des Pabstes (z).

Würklich waren alle diese Entwürfe zu großX.
und zu weit umfassend, als daß sie auf einmal und
nur durch einerley ganz einfache Mittel hätten zur
Vollziehung gebracht werden können. War aber

irgend
(z) "Vorher war der Name Pabst gemeiner
Name aller Bischöfe. Gregor nahm sich denselben
ganz eigenthümlich; und ein Schriftsteller des
damaligen Zeitalters braucht schon den Ausdruck:
das Wort Pabst in der mehreren Zahl sey eben
so gotteslästerlich, als den Namen Gottes in der
mehreren Zahl zu gebrauchen." Spittlers Gesch.
der Christl. Kirche (Aufl. II. 1785.) S. 220. Ein
lesenswürdiger Vorschlag, den Titel: Fürstbischof
zu Rom
, gäng und gäbe zu machen, findet sich
in Schlözers Staatsanzeigen B. 5. Heft 19.
S. 265-273.
K 2
7) Henrich der IV. 1056-1106.

Dann mochte nun immer dem Kaiſer die Ein-IX.
bildung gelaßen werden, daß er als Nachfolger
der ehemaligen Roͤmiſchen Kaiſer, wie ſelbige ſich
hatten ſchmeichlen laßen, Herr der Welt ſey.
So ließ ſich ſelbſt ein ſcheinbares Lehrgebaͤude auf-
fuͤhren, daß zwey ſichtbare Oberhaͤupter der
Welt von Gott angeordnet waͤren, ein geiſtliches,
unter dem alle Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe mit ihren
untergebenen Geiſtlichen ſtaͤnden, und ein weltli-
ches, das uͤber alle Koͤnige und Fuͤrſten gehe. Nur
durfte nicht dabey außer Acht gelaßen werden,
daß alle weltliche Gewalt zur geiſtlichen ſich ſo,
wie der Leib zur Seele, das Zeitliche zur Ewigkeit,
der Mond zur Sonne, verhalte. So vereinigte
ſich doch am Ende der hoͤchſte Gipfel aller menſch-
lichen Gewalt in der uͤber alles erhabenen Macht
des Roͤmiſchen Biſchofs, oder, wie nun ihm al-
leine dieſer Name eigen wurde, des Pabſtes (z).

Wuͤrklich waren alle dieſe Entwuͤrfe zu großX.
und zu weit umfaſſend, als daß ſie auf einmal und
nur durch einerley ganz einfache Mittel haͤtten zur
Vollziehung gebracht werden koͤnnen. War aber

irgend
(z) ”Vorher war der Name Pabſt gemeiner
Name aller Biſchoͤfe. Gregor nahm ſich denſelben
ganz eigenthuͤmlich; und ein Schriftſteller des
damaligen Zeitalters braucht ſchon den Ausdruck:
das Wort Pabſt in der mehreren Zahl ſey eben
ſo gotteslaͤſterlich, als den Namen Gottes in der
mehreren Zahl zu gebrauchen.” Spittlers Geſch.
der Chriſtl. Kirche (Aufl. II. 1785.) S. 220. Ein
leſenswuͤrdiger Vorſchlag, den Titel: Fuͤrſtbiſchof
zu Rom
, gaͤng und gaͤbe zu machen, findet ſich
in Schloͤzers Staatsanzeigen B. 5. Heft 19.
S. 265-273.
K 2
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[147/0181] 7) Henrich der IV. 1056-1106. Dann mochte nun immer dem Kaiſer die Ein- bildung gelaßen werden, daß er als Nachfolger der ehemaligen Roͤmiſchen Kaiſer, wie ſelbige ſich hatten ſchmeichlen laßen, Herr der Welt ſey. So ließ ſich ſelbſt ein ſcheinbares Lehrgebaͤude auf- fuͤhren, daß zwey ſichtbare Oberhaͤupter der Welt von Gott angeordnet waͤren, ein geiſtliches, unter dem alle Biſchoͤfe und Erzbiſchoͤfe mit ihren untergebenen Geiſtlichen ſtaͤnden, und ein weltli- ches, das uͤber alle Koͤnige und Fuͤrſten gehe. Nur durfte nicht dabey außer Acht gelaßen werden, daß alle weltliche Gewalt zur geiſtlichen ſich ſo, wie der Leib zur Seele, das Zeitliche zur Ewigkeit, der Mond zur Sonne, verhalte. So vereinigte ſich doch am Ende der hoͤchſte Gipfel aller menſch- lichen Gewalt in der uͤber alles erhabenen Macht des Roͤmiſchen Biſchofs, oder, wie nun ihm al- leine dieſer Name eigen wurde, des Pabſtes (z). IX. Wuͤrklich waren alle dieſe Entwuͤrfe zu groß und zu weit umfaſſend, als daß ſie auf einmal und nur durch einerley ganz einfache Mittel haͤtten zur Vollziehung gebracht werden koͤnnen. War aber irgend X. (z) ”Vorher war der Name Pabſt gemeiner Name aller Biſchoͤfe. Gregor nahm ſich denſelben ganz eigenthuͤmlich; und ein Schriftſteller des damaligen Zeitalters braucht ſchon den Ausdruck: das Wort Pabſt in der mehreren Zahl ſey eben ſo gotteslaͤſterlich, als den Namen Gottes in der mehreren Zahl zu gebrauchen.” Spittlers Geſch. der Chriſtl. Kirche (Aufl. II. 1785.) S. 220. Ein leſenswuͤrdiger Vorſchlag, den Titel: Fuͤrſtbiſchof zu Rom, gaͤng und gaͤbe zu machen, findet ſich in Schloͤzers Staatsanzeigen B. 5. Heft 19. S. 265-273. K 2

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/181>, abgerufen am 27.11.2024.