Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
irgend noch ein Mittel, das zu eben dem Zwecke
mit führen konnte, für die dabey interessirten Theile
erwünschlich; so kam keines dem gleich, das um
eben diese Zeit noch vor dem Beschlusse der Regie-
rung Henrichs des IV. mit den bekannten Kreuz-
zügen
in Gang gebracht wurde.


XI.

Kaum läßt sich zwar vom wahren Geiste der
Christlichen Religion, die Gott nur im Geiste und
in der Wahrheit angebetet wissen will, etwas ent-
fernters gedenken, als daß gottesdienstliche Hand-
lungen, nachdem sie an diesem oder einem andern
Orte ausgeübet werden, Gott wohlgefälliger seyn
sollten, und daß gegen ungläubige Völker, nur um
ihnen solche Orte, wo Christus sichtbar gelebt, zu
entreissen, die Waffen ergriffen werden sollten.
Inzwischen war das nun einmal schon lange ein-
geführte Volksgesinnung, daß Wallfahrten an Orte,
die der Aufenthalt heiliger Personen oder das An-
denken geschehener Wunderthaten schätzbar mache,
Gott vorzüglich gefallen müßten, und daß Men-
schen sich selbst um Gott verdient machen könnten,
wenn sie ihm zu Ehren das Schwerdt gegen Ungläu-
bige zuckten. So läßt sichs begreifen, wie schon von
langen Zeiten her Teutsche und andere Europäische
Christen tausendweise vorzüglich ihre Wallfahrten
nach Palästina gerichtet, um zu Bethlehem, Na-
zareth, Jerusalem, als an den Orten, wo Chri-
stus selbst gelebt und gelitten, ihre Andacht zu ver-
richten; und wie zu einer Zeit, da diesen Wall-
fahrten von einer in selbige Gegenden neu vorge-
rückten Nation mehrere Schwierigkeiten in Weg
gelegt worden, solche ungeheure Züge in Gang
gebracht werden können, daß in weniger als zwey

hun-

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
irgend noch ein Mittel, das zu eben dem Zwecke
mit fuͤhren konnte, fuͤr die dabey intereſſirten Theile
erwuͤnſchlich; ſo kam keines dem gleich, das um
eben dieſe Zeit noch vor dem Beſchluſſe der Regie-
rung Henrichs des IV. mit den bekannten Kreuz-
zuͤgen
in Gang gebracht wurde.


XI.

Kaum laͤßt ſich zwar vom wahren Geiſte der
Chriſtlichen Religion, die Gott nur im Geiſte und
in der Wahrheit angebetet wiſſen will, etwas ent-
fernters gedenken, als daß gottesdienſtliche Hand-
lungen, nachdem ſie an dieſem oder einem andern
Orte ausgeuͤbet werden, Gott wohlgefaͤlliger ſeyn
ſollten, und daß gegen unglaͤubige Voͤlker, nur um
ihnen ſolche Orte, wo Chriſtus ſichtbar gelebt, zu
entreiſſen, die Waffen ergriffen werden ſollten.
Inzwiſchen war das nun einmal ſchon lange ein-
gefuͤhrte Volksgeſinnung, daß Wallfahrten an Orte,
die der Aufenthalt heiliger Perſonen oder das An-
denken geſchehener Wunderthaten ſchaͤtzbar mache,
Gott vorzuͤglich gefallen muͤßten, und daß Men-
ſchen ſich ſelbſt um Gott verdient machen koͤnnten,
wenn ſie ihm zu Ehren das Schwerdt gegen Unglaͤu-
bige zuckten. So laͤßt ſichs begreifen, wie ſchon von
langen Zeiten her Teutſche und andere Europaͤiſche
Chriſten tauſendweiſe vorzuͤglich ihre Wallfahrten
nach Palaͤſtina gerichtet, um zu Bethlehem, Na-
zareth, Jeruſalem, als an den Orten, wo Chri-
ſtus ſelbſt gelebt und gelitten, ihre Andacht zu ver-
richten; und wie zu einer Zeit, da dieſen Wall-
fahrten von einer in ſelbige Gegenden neu vorge-
ruͤckten Nation mehrere Schwierigkeiten in Weg
gelegt worden, ſolche ungeheure Zuͤge in Gang
gebracht werden koͤnnen, daß in weniger als zwey

hun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="148"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Mittlere Zeiten <hi rendition="#aq">a</hi>) 888-1235.</hi></fw><lb/>
irgend noch ein Mittel, das zu eben dem Zwecke<lb/>
mit fu&#x0364;hren konnte, fu&#x0364;r die dabey intere&#x017F;&#x017F;irten Theile<lb/>
erwu&#x0364;n&#x017F;chlich; &#x017F;o kam keines dem gleich, das um<lb/>
eben die&#x017F;e Zeit noch vor dem Be&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e der Regie-<lb/>
rung Henrichs des <hi rendition="#aq">IV.</hi> mit den bekannten <hi rendition="#fr">Kreuz-<lb/>
zu&#x0364;gen</hi> in Gang gebracht wurde.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XI.</hi> </note>
          <p>Kaum la&#x0364;ßt &#x017F;ich zwar vom wahren Gei&#x017F;te der<lb/>
Chri&#x017F;tlichen Religion, die Gott nur im Gei&#x017F;te und<lb/>
in der Wahrheit angebetet wi&#x017F;&#x017F;en will, etwas ent-<lb/>
fernters gedenken, als daß gottesdien&#x017F;tliche Hand-<lb/>
lungen, nachdem &#x017F;ie an die&#x017F;em oder einem andern<lb/>
Orte ausgeu&#x0364;bet werden, Gott wohlgefa&#x0364;lliger &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollten, und daß gegen ungla&#x0364;ubige Vo&#x0364;lker, nur um<lb/>
ihnen &#x017F;olche Orte, wo Chri&#x017F;tus &#x017F;ichtbar gelebt, zu<lb/>
entrei&#x017F;&#x017F;en, die Waffen ergriffen werden &#x017F;ollten.<lb/>
Inzwi&#x017F;chen war das nun einmal &#x017F;chon lange ein-<lb/>
gefu&#x0364;hrte Volksge&#x017F;innung, daß Wallfahrten an Orte,<lb/>
die der Aufenthalt heiliger Per&#x017F;onen oder das An-<lb/>
denken ge&#x017F;chehener Wunderthaten &#x017F;cha&#x0364;tzbar mache,<lb/>
Gott vorzu&#x0364;glich gefallen mu&#x0364;ßten, und daß Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t um Gott verdient machen ko&#x0364;nnten,<lb/>
wenn &#x017F;ie ihm zu Ehren das Schwerdt gegen Ungla&#x0364;u-<lb/>
bige zuckten. So la&#x0364;ßt &#x017F;ichs begreifen, wie &#x017F;chon von<lb/>
langen Zeiten her Teut&#x017F;che und andere Europa&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
Chri&#x017F;ten tau&#x017F;endwei&#x017F;e vorzu&#x0364;glich ihre Wallfahrten<lb/>
nach Pala&#x0364;&#x017F;tina gerichtet, um zu Bethlehem, Na-<lb/>
zareth, Jeru&#x017F;alem, als an den Orten, wo Chri-<lb/>
&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t gelebt und gelitten, ihre Andacht zu ver-<lb/>
richten; und wie zu einer Zeit, da die&#x017F;en Wall-<lb/>
fahrten von einer in &#x017F;elbige Gegenden neu vorge-<lb/>
ru&#x0364;ckten Nation mehrere Schwierigkeiten in Weg<lb/>
gelegt worden, &#x017F;olche ungeheure Zu&#x0364;ge in Gang<lb/>
gebracht werden ko&#x0364;nnen, daß in weniger als zwey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hun-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0182] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. irgend noch ein Mittel, das zu eben dem Zwecke mit fuͤhren konnte, fuͤr die dabey intereſſirten Theile erwuͤnſchlich; ſo kam keines dem gleich, das um eben dieſe Zeit noch vor dem Beſchluſſe der Regie- rung Henrichs des IV. mit den bekannten Kreuz- zuͤgen in Gang gebracht wurde. Kaum laͤßt ſich zwar vom wahren Geiſte der Chriſtlichen Religion, die Gott nur im Geiſte und in der Wahrheit angebetet wiſſen will, etwas ent- fernters gedenken, als daß gottesdienſtliche Hand- lungen, nachdem ſie an dieſem oder einem andern Orte ausgeuͤbet werden, Gott wohlgefaͤlliger ſeyn ſollten, und daß gegen unglaͤubige Voͤlker, nur um ihnen ſolche Orte, wo Chriſtus ſichtbar gelebt, zu entreiſſen, die Waffen ergriffen werden ſollten. Inzwiſchen war das nun einmal ſchon lange ein- gefuͤhrte Volksgeſinnung, daß Wallfahrten an Orte, die der Aufenthalt heiliger Perſonen oder das An- denken geſchehener Wunderthaten ſchaͤtzbar mache, Gott vorzuͤglich gefallen muͤßten, und daß Men- ſchen ſich ſelbſt um Gott verdient machen koͤnnten, wenn ſie ihm zu Ehren das Schwerdt gegen Unglaͤu- bige zuckten. So laͤßt ſichs begreifen, wie ſchon von langen Zeiten her Teutſche und andere Europaͤiſche Chriſten tauſendweiſe vorzuͤglich ihre Wallfahrten nach Palaͤſtina gerichtet, um zu Bethlehem, Na- zareth, Jeruſalem, als an den Orten, wo Chri- ſtus ſelbſt gelebt und gelitten, ihre Andacht zu ver- richten; und wie zu einer Zeit, da dieſen Wall- fahrten von einer in ſelbige Gegenden neu vorge- ruͤckten Nation mehrere Schwierigkeiten in Weg gelegt worden, ſolche ungeheure Zuͤge in Gang gebracht werden koͤnnen, daß in weniger als zwey hun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/182
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/182>, abgerufen am 05.05.2024.