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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
gerade um die Zeit, als der größte Theil von Teutsch-
land ohnedem wider ihn aufgebracht war. Theils
hatten überhaupt die Sachsen zu dieser Fränki-
schen Regierung kein rechtes Herz. Theils sieng
ein gegenseitiges Mißtrauen schon an, in öffent-
liche Gährungen auszubrechen. Darüber kam es
zu einem förmlichen bürgerlichen Kriege, der ge-
wissermaßen damit feierlich eröffnet ward, daß un-
ter Anführung eines päbstlichen Botschafters an
statt des mit dem Kirchenbanne belegten und der
Regierung unfähig erklärten Kaisers Henrichs des IV.
ein anderer Fürst auf den kaiserlichen Thron erho-
ben werden sollte; mit der ausdrücklich zugleich
erklärten Absicht, daß von nun an nicht mehr, wie
bisher, ein regierender königlicher Stamm zur
Krone berechtiget seyn, sondern bey jeder Erledi-
gung des Thrones, wenn derselbe auch von Va-
ter auf Sohn gehen würde, dieser doch nicht aus
einem Erbfolgsrechte, sondern nur mittelst freyer
Wahl dazu gelangen sollte. Kurz: von nun an
sollte aller Schatten eines Erbreichs aufhören, und
Teutschland nebst dem Römischen Kaiserthume in
ein völlig freyes Wahlreich verwandelt werden.


VIII.

Wenn sich das alles durchsetzen ließ, so war
auf der einen Seite keine weltliche Macht der geist-
lichen Gewalt mehr gewachsen, und auf der andern
Seite schien selbst das Interesse der Teutschen
Reichsstände, sowohl der weltlichen als der geist-
lichen, in eben dem Verhältnisse zu gewinnen, wie
die kaiserliche Macht geschwächt wurde. In so
weit konnte es nicht fehlen, daß diese beide
Triebfedern einander freundschaftlich die Hand
bieten mußten.


Dann

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
gerade um die Zeit, als der groͤßte Theil von Teutſch-
land ohnedem wider ihn aufgebracht war. Theils
hatten uͤberhaupt die Sachſen zu dieſer Fraͤnki-
ſchen Regierung kein rechtes Herz. Theils ſieng
ein gegenſeitiges Mißtrauen ſchon an, in oͤffent-
liche Gaͤhrungen auszubrechen. Daruͤber kam es
zu einem foͤrmlichen buͤrgerlichen Kriege, der ge-
wiſſermaßen damit feierlich eroͤffnet ward, daß un-
ter Anfuͤhrung eines paͤbſtlichen Botſchafters an
ſtatt des mit dem Kirchenbanne belegten und der
Regierung unfaͤhig erklaͤrten Kaiſers Henrichs des IV.
ein anderer Fuͤrſt auf den kaiſerlichen Thron erho-
ben werden ſollte; mit der ausdruͤcklich zugleich
erklaͤrten Abſicht, daß von nun an nicht mehr, wie
bisher, ein regierender koͤniglicher Stamm zur
Krone berechtiget ſeyn, ſondern bey jeder Erledi-
gung des Thrones, wenn derſelbe auch von Va-
ter auf Sohn gehen wuͤrde, dieſer doch nicht aus
einem Erbfolgsrechte, ſondern nur mittelſt freyer
Wahl dazu gelangen ſollte. Kurz: von nun an
ſollte aller Schatten eines Erbreichs aufhoͤren, und
Teutſchland nebſt dem Roͤmiſchen Kaiſerthume in
ein voͤllig freyes Wahlreich verwandelt werden.


VIII.

Wenn ſich das alles durchſetzen ließ, ſo war
auf der einen Seite keine weltliche Macht der geiſt-
lichen Gewalt mehr gewachſen, und auf der andern
Seite ſchien ſelbſt das Intereſſe der Teutſchen
Reichsſtaͤnde, ſowohl der weltlichen als der geiſt-
lichen, in eben dem Verhaͤltniſſe zu gewinnen, wie
die kaiſerliche Macht geſchwaͤcht wurde. In ſo
weit konnte es nicht fehlen, daß dieſe beide
Triebfedern einander freundſchaftlich die Hand
bieten mußten.


Dann
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[146/0180] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. gerade um die Zeit, als der groͤßte Theil von Teutſch- land ohnedem wider ihn aufgebracht war. Theils hatten uͤberhaupt die Sachſen zu dieſer Fraͤnki- ſchen Regierung kein rechtes Herz. Theils ſieng ein gegenſeitiges Mißtrauen ſchon an, in oͤffent- liche Gaͤhrungen auszubrechen. Daruͤber kam es zu einem foͤrmlichen buͤrgerlichen Kriege, der ge- wiſſermaßen damit feierlich eroͤffnet ward, daß un- ter Anfuͤhrung eines paͤbſtlichen Botſchafters an ſtatt des mit dem Kirchenbanne belegten und der Regierung unfaͤhig erklaͤrten Kaiſers Henrichs des IV. ein anderer Fuͤrſt auf den kaiſerlichen Thron erho- ben werden ſollte; mit der ausdruͤcklich zugleich erklaͤrten Abſicht, daß von nun an nicht mehr, wie bisher, ein regierender koͤniglicher Stamm zur Krone berechtiget ſeyn, ſondern bey jeder Erledi- gung des Thrones, wenn derſelbe auch von Va- ter auf Sohn gehen wuͤrde, dieſer doch nicht aus einem Erbfolgsrechte, ſondern nur mittelſt freyer Wahl dazu gelangen ſollte. Kurz: von nun an ſollte aller Schatten eines Erbreichs aufhoͤren, und Teutſchland nebſt dem Roͤmiſchen Kaiſerthume in ein voͤllig freyes Wahlreich verwandelt werden. Wenn ſich das alles durchſetzen ließ, ſo war auf der einen Seite keine weltliche Macht der geiſt- lichen Gewalt mehr gewachſen, und auf der andern Seite ſchien ſelbſt das Intereſſe der Teutſchen Reichsſtaͤnde, ſowohl der weltlichen als der geiſt- lichen, in eben dem Verhaͤltniſſe zu gewinnen, wie die kaiſerliche Macht geſchwaͤcht wurde. In ſo weit konnte es nicht fehlen, daß dieſe beide Triebfedern einander freundſchaftlich die Hand bieten mußten. Dann

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/180>, abgerufen am 24.11.2024.