auf ward also die ganze Erziehung gerichtet, der ganze Sinn geschärft, und beynahe das ganze Band der bürgerlichen Gesellschaft gebauet. That der Lehnmann nur dem Lehnherrn seine Dienste, so hatte einer um den andern sich weiter nicht zu be- kümmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini- gen machen, was er wollte; nun mochte er mit seinem Eigenthume, und in seinem Hauswesen, in seiner Familie, und insonderheit mit seinen Bauern oder Eigenbehörigen zu Werk gehen, wie es ihm gut dünkte; darüber hatte er keine Einschränkun- gen einer höhern Gewalt zu besorgen.
XII.
In so weit stieg freylich der Genuß der Frey- heit für den Stand, der sich derselben zu rühmen hatte, d. i. für Fürsten, Grafen und Herren, oder auch für jeden freyen Güterbesitzer, oder, nach unserer jetzigen Art zu reden, für den hohen und niedern Adel, bis zur höchsten Stuffe; aber auch bis zu unvermeidlichen Mißbräuchen; desto erbar- menswürdiger mußte hingegen nothwendig der Zu- stand nichtfreyer Leute werden, d. i. gerade des zahlreichsten und wichtigsten Standes, der Bauern.
XIII.
Die Krone verlohr dabey zusehends. Jetzt verstand sichs schon von selbsten, daß ohne Ein- willigung der Stände von Königen nichts erhebli- ches geschehen durfte. Selbst auf jenen brüder- lichen Versammlungen der Fränkischen Könige sahen diese sich genöthiget, einander wechselsweise die Zusage zu thun, daß sie nicht nur ihre Stände, einen jeden in seinen Rechten und Würden laßen und schützen, sondern auch ihren gemeinschaftlichen Rath in Geschäfften der Kirche und des Staats
gebrau-
I. Alte Zeiten bis 888.
auf ward alſo die ganze Erziehung gerichtet, der ganze Sinn geſchaͤrft, und beynahe das ganze Band der buͤrgerlichen Geſellſchaft gebauet. That der Lehnmann nur dem Lehnherrn ſeine Dienſte, ſo hatte einer um den andern ſich weiter nicht zu be- kuͤmmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini- gen machen, was er wollte; nun mochte er mit ſeinem Eigenthume, und in ſeinem Hausweſen, in ſeiner Familie, und inſonderheit mit ſeinen Bauern oder Eigenbehoͤrigen zu Werk gehen, wie es ihm gut duͤnkte; daruͤber hatte er keine Einſchraͤnkun- gen einer hoͤhern Gewalt zu beſorgen.
XII.
In ſo weit ſtieg freylich der Genuß der Frey- heit fuͤr den Stand, der ſich derſelben zu ruͤhmen hatte, d. i. fuͤr Fuͤrſten, Grafen und Herren, oder auch fuͤr jeden freyen Guͤterbeſitzer, oder, nach unſerer jetzigen Art zu reden, fuͤr den hohen und niedern Adel, bis zur hoͤchſten Stuffe; aber auch bis zu unvermeidlichen Mißbraͤuchen; deſto erbar- menswuͤrdiger mußte hingegen nothwendig der Zu- ſtand nichtfreyer Leute werden, d. i. gerade des zahlreichſten und wichtigſten Standes, der Bauern.
XIII.
Die Krone verlohr dabey zuſehends. Jetzt verſtand ſichs ſchon von ſelbſten, daß ohne Ein- willigung der Staͤnde von Koͤnigen nichts erhebli- ches geſchehen durfte. Selbſt auf jenen bruͤder- lichen Verſammlungen der Fraͤnkiſchen Koͤnige ſahen dieſe ſich genoͤthiget, einander wechſelsweiſe die Zuſage zu thun, daß ſie nicht nur ihre Staͤnde, einen jeden in ſeinen Rechten und Wuͤrden laßen und ſchuͤtzen, ſondern auch ihren gemeinſchaftlichen Rath in Geſchaͤfften der Kirche und des Staats
gebrau-
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I. Alte Zeiten bis 888.
auf ward alſo die ganze Erziehung gerichtet, der
ganze Sinn geſchaͤrft, und beynahe das ganze Band
der buͤrgerlichen Geſellſchaft gebauet. That der
Lehnmann nur dem Lehnherrn ſeine Dienſte, ſo
hatte einer um den andern ſich weiter nicht zu be-
kuͤmmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini-
gen machen, was er wollte; nun mochte er mit
ſeinem Eigenthume, und in ſeinem Hausweſen, in
ſeiner Familie, und inſonderheit mit ſeinen Bauern
oder Eigenbehoͤrigen zu Werk gehen, wie es ihm
gut duͤnkte; daruͤber hatte er keine Einſchraͤnkun-
gen einer hoͤhern Gewalt zu beſorgen.
In ſo weit ſtieg freylich der Genuß der Frey-
heit fuͤr den Stand, der ſich derſelben zu ruͤhmen
hatte, d. i. fuͤr Fuͤrſten, Grafen und Herren, oder
auch fuͤr jeden freyen Guͤterbeſitzer, oder, nach
unſerer jetzigen Art zu reden, fuͤr den hohen und
niedern Adel, bis zur hoͤchſten Stuffe; aber auch
bis zu unvermeidlichen Mißbraͤuchen; deſto erbar-
menswuͤrdiger mußte hingegen nothwendig der Zu-
ſtand nichtfreyer Leute werden, d. i. gerade des
zahlreichſten und wichtigſten Standes, der Bauern.
Die Krone verlohr dabey zuſehends. Jetzt
verſtand ſichs ſchon von ſelbſten, daß ohne Ein-
willigung der Staͤnde von Koͤnigen nichts erhebli-
ches geſchehen durfte. Selbſt auf jenen bruͤder-
lichen Verſammlungen der Fraͤnkiſchen Koͤnige ſahen
dieſe ſich genoͤthiget, einander wechſelsweiſe die
Zuſage zu thun, daß ſie nicht nur ihre Staͤnde,
einen jeden in ſeinen Rechten und Wuͤrden laßen
und ſchuͤtzen, ſondern auch ihren gemeinſchaftlichen
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/120>, abgerufen am 25.07.2024.
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