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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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7) Carolinger im Verfall 814-888.
und Gewaltthätigkeiten, die der Adel schon anfieng
gleichsam als eine rechtmäßig hergebrachte Befug-
niß anzusehen; wowider sie schon mit göttlichem
und königlichem Banne droheten (m). Der Er-
folg hat aber bald gewiesen, daß diese Drohungen
unwirksam geblieben sind, und nur Uebel ärger
geworden ist. Es kam vielmehr bald dahin, daß
alle Nationaleinrichtungen nur auf kriegerische An-
stalten, auf Angriff oder Vertheidigung giengen,
und zwar nicht etwa nur zum Behuf solcher Krie-
ge, die für die ganze Nation zu führen waren,
sondern zu Vertheidigungen oder Angriffen, die
ein jeder für sich zu machen gut fand. Darüber
vergaß man bald die wesentlichen Vorrechte der
höchsten Gewalt, der es alleine zukommen sollte,
Krieg mit Auswärtigen zu führen, und Streitig-
keiten der Mitbürger unter einander richterlich zu
schlichten, durchaus aber keine Selbsthülfe zu ge-
statten. Statt dessen ward jetzt das Lehnswesen
beynahe das Hauptwerk aller Völker. Nur der
war mächtig und angesehen, der viele Lehnleute
hatte, und seine Burge mit vielen Burgmännern
besetzen konnte. Nur der war geachtet, der als
Lehnmann seinen Dienst mit vorzüglicher Geschick-
lichkeit und Tapferkeit zu verrichten wußte. Dar-

auf
(m) Conuentus I. apud Marsnam a. 847. c. 6.
Balvz. tom. 2. p. 42.: "vt rapinae et depraeda-
tiones
, quae quasi iure legitimo hactenus factae
sunt, penitus interdicantur." etc. Adnunciatio
pacti Confluentini
860. c. 6., Balvz. tom. 2.
p. 143.: "De istis rapinis et depraedationibus, quas
iam quasi pro lege multi per consuetudinem tenent,
ab hoc die de Dei banno et de nostro verbo ban-
nimus." etc.
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7) Carolinger im Verfall 814-888.
und Gewaltthaͤtigkeiten, die der Adel ſchon anfieng
gleichſam als eine rechtmaͤßig hergebrachte Befug-
niß anzuſehen; wowider ſie ſchon mit goͤttlichem
und koͤniglichem Banne droheten (m). Der Er-
folg hat aber bald gewieſen, daß dieſe Drohungen
unwirkſam geblieben ſind, und nur Uebel aͤrger
geworden iſt. Es kam vielmehr bald dahin, daß
alle Nationaleinrichtungen nur auf kriegeriſche An-
ſtalten, auf Angriff oder Vertheidigung giengen,
und zwar nicht etwa nur zum Behuf ſolcher Krie-
ge, die fuͤr die ganze Nation zu fuͤhren waren,
ſondern zu Vertheidigungen oder Angriffen, die
ein jeder fuͤr ſich zu machen gut fand. Daruͤber
vergaß man bald die weſentlichen Vorrechte der
hoͤchſten Gewalt, der es alleine zukommen ſollte,
Krieg mit Auswaͤrtigen zu fuͤhren, und Streitig-
keiten der Mitbuͤrger unter einander richterlich zu
ſchlichten, durchaus aber keine Selbſthuͤlfe zu ge-
ſtatten. Statt deſſen ward jetzt das Lehnsweſen
beynahe das Hauptwerk aller Voͤlker. Nur der
war maͤchtig und angeſehen, der viele Lehnleute
hatte, und ſeine Burge mit vielen Burgmaͤnnern
beſetzen konnte. Nur der war geachtet, der als
Lehnmann ſeinen Dienſt mit vorzuͤglicher Geſchick-
lichkeit und Tapferkeit zu verrichten wußte. Dar-

auf
(m) Conuentus I. apud Marsnam a. 847. c. 6.
Balvz. tom. 2. p. 42.: ”vt rapinae et depraeda-
tiones
, quae quaſi iure legitimo hactenus factae
ſunt, penitus interdicantur.” etc. Adnunciatio
pacti Confluentini
860. c. 6., Balvz. tom. 2.
p. 143.: ”De iſtis rapinis et depraedationibus, quas
iam quaſi pro lege multi per conſuetudinem tenent,
ab hoc die de Dei banno et de noſtro verbo ban-
nimus.” etc.
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[85/0119] 7) Carolinger im Verfall 814-888. und Gewaltthaͤtigkeiten, die der Adel ſchon anfieng gleichſam als eine rechtmaͤßig hergebrachte Befug- niß anzuſehen; wowider ſie ſchon mit goͤttlichem und koͤniglichem Banne droheten (m). Der Er- folg hat aber bald gewieſen, daß dieſe Drohungen unwirkſam geblieben ſind, und nur Uebel aͤrger geworden iſt. Es kam vielmehr bald dahin, daß alle Nationaleinrichtungen nur auf kriegeriſche An- ſtalten, auf Angriff oder Vertheidigung giengen, und zwar nicht etwa nur zum Behuf ſolcher Krie- ge, die fuͤr die ganze Nation zu fuͤhren waren, ſondern zu Vertheidigungen oder Angriffen, die ein jeder fuͤr ſich zu machen gut fand. Daruͤber vergaß man bald die weſentlichen Vorrechte der hoͤchſten Gewalt, der es alleine zukommen ſollte, Krieg mit Auswaͤrtigen zu fuͤhren, und Streitig- keiten der Mitbuͤrger unter einander richterlich zu ſchlichten, durchaus aber keine Selbſthuͤlfe zu ge- ſtatten. Statt deſſen ward jetzt das Lehnsweſen beynahe das Hauptwerk aller Voͤlker. Nur der war maͤchtig und angeſehen, der viele Lehnleute hatte, und ſeine Burge mit vielen Burgmaͤnnern beſetzen konnte. Nur der war geachtet, der als Lehnmann ſeinen Dienſt mit vorzuͤglicher Geſchick- lichkeit und Tapferkeit zu verrichten wußte. Dar- auf (m) Conuentus I. apud Marsnam a. 847. c. 6. Balvz. tom. 2. p. 42.: ”vt rapinae et depraeda- tiones, quae quaſi iure legitimo hactenus factae ſunt, penitus interdicantur.” etc. Adnunciatio pacti Confluentini 860. c. 6., Balvz. tom. 2. p. 143.: ”De iſtis rapinis et depraedationibus, quas iam quaſi pro lege multi per conſuetudinem tenent, ab hoc die de Dei banno et de noſtro verbo ban- nimus.” etc. F 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/119>, abgerufen am 24.11.2024.