Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

schmähliches Ende an der Nation rächt, und sich auch
vielleicht einmal ein englischer Dandy in Paris der
schönen Augen einer Nachkommin Napoleons wegen
erschießt. Wir Deutsche begnügen uns, jenen Helden
und sein Geschlecht in jeder Hinsicht nur von weitem
zu bewundern, denn gleich der Sonne, that es einst
in der Mittagshitze nicht gut, zu nahe seinem Glanz
zu wohnen, und heut ist das Gestirn untergegan-
gen.*)

Damit empfahl ich mich, und gab, zu Hause ange-
kommen, sogleich Befehl zur Beschleunigung meiner
Abreise. Hoffentlich werde ich im Stande seyn, mor-
gen schon meinen Zug in entferntere, freiere Ge-
genden zu beginnen, und sobald soll kein städtisches,
eingepferchtes Leben mir wieder nahen!

Irgendwo sagt Lord Byron von sich: seine Seele
habe nur in der Einsamkeit ihren vollen freien Wir-
kungskreis gehabt. Diese Wahrheit paßt auch, sehe
ich, auf geringere Leute, denn mir geht es nicht an-
ders. In der lästigen Gesellschaft fühle ich die Seele
stets nur halb, und schrecklich ist mir schon der Ge-
danke: jetzt sollst du, wo möglich, aimable seyn! Da-
gegen bin ich, wie Du weißt, eben in der Einsam-

*) Wir hätten Bedenken tragen können, das Vorhergehende
im Texte stehen zu lassen, wenn das Wesentliche der Be-
gebenheit nicht schon, mit noch viel näheren, wenn gleich
zum Theil unrichtigen Details, aus mehreren öffentlichen
Blättern dem Publikum bekannt geworden wäre.
A. d. H.

ſchmähliches Ende an der Nation rächt, und ſich auch
vielleicht einmal ein engliſcher Dandy in Paris der
ſchönen Augen einer Nachkommin Napoleons wegen
erſchießt. Wir Deutſche begnügen uns, jenen Helden
und ſein Geſchlecht in jeder Hinſicht nur von weitem
zu bewundern, denn gleich der Sonne, that es einſt
in der Mittagshitze nicht gut, zu nahe ſeinem Glanz
zu wohnen, und heut iſt das Geſtirn untergegan-
gen.*)

Damit empfahl ich mich, und gab, zu Hauſe ange-
kommen, ſogleich Befehl zur Beſchleunigung meiner
Abreiſe. Hoffentlich werde ich im Stande ſeyn, mor-
gen ſchon meinen Zug in entferntere, freiere Ge-
genden zu beginnen, und ſobald ſoll kein ſtädtiſches,
eingepferchtes Leben mir wieder nahen!

Irgendwo ſagt Lord Byron von ſich: ſeine Seele
habe nur in der Einſamkeit ihren vollen freien Wir-
kungskreis gehabt. Dieſe Wahrheit paßt auch, ſehe
ich, auf geringere Leute, denn mir geht es nicht an-
ders. In der läſtigen Geſellſchaft fühle ich die Seele
ſtets nur halb, und ſchrecklich iſt mir ſchon der Ge-
danke: jetzt ſollſt du, wo möglich, aimable ſeyn! Da-
gegen bin ich, wie Du weißt, eben in der Einſam-

*) Wir haͤtten Bedenken tragen koͤnnen, das Vorhergehende
im Texte ſtehen zu laſſen, wenn das Weſentliche der Be-
gebenheit nicht ſchon, mit noch viel naͤheren, wenn gleich
zum Theil unrichtigen Details, aus mehreren oͤffentlichen
Blaͤttern dem Publikum bekannt geworden waͤre.
A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0442" n="422"/>
&#x017F;chmähliches Ende an der Nation rächt, und &#x017F;ich auch<lb/>
vielleicht einmal ein engli&#x017F;cher Dandy in Paris der<lb/>
&#x017F;chönen Augen einer Nachkommin Napoleons wegen<lb/>
er&#x017F;chießt. Wir Deut&#x017F;che begnügen uns, jenen Helden<lb/>
und &#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht in jeder Hin&#x017F;icht nur von weitem<lb/>
zu bewundern, denn gleich der Sonne, that es ein&#x017F;t<lb/>
in der Mittagshitze nicht gut, zu nahe &#x017F;einem Glanz<lb/>
zu wohnen, und heut i&#x017F;t das Ge&#x017F;tirn untergegan-<lb/>
gen.<note place="foot" n="*)">Wir ha&#x0364;tten Bedenken tragen ko&#x0364;nnen, das Vorhergehende<lb/>
im Texte &#x017F;tehen zu la&#x017F;&#x017F;en, wenn das We&#x017F;entliche der Be-<lb/>
gebenheit nicht &#x017F;chon, mit noch viel na&#x0364;heren, wenn gleich<lb/>
zum Theil unrichtigen Details, aus mehreren o&#x0364;ffentlichen<lb/>
Bla&#x0364;ttern dem Publikum bekannt geworden wa&#x0364;re.<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note></p><lb/>
          <p>Damit empfahl ich mich, und gab, zu Hau&#x017F;e ange-<lb/>
kommen, &#x017F;ogleich Befehl zur Be&#x017F;chleunigung meiner<lb/>
Abrei&#x017F;e. Hoffentlich werde ich im Stande &#x017F;eyn, mor-<lb/>
gen &#x017F;chon meinen Zug in entferntere, freiere Ge-<lb/>
genden zu beginnen, und &#x017F;obald &#x017F;oll kein &#x017F;tädti&#x017F;ches,<lb/>
eingepferchtes Leben mir wieder nahen!</p><lb/>
          <p>Irgendwo &#x017F;agt Lord Byron von &#x017F;ich: &#x017F;eine Seele<lb/>
habe nur in der Ein&#x017F;amkeit ihren vollen freien Wir-<lb/>
kungskreis gehabt. Die&#x017F;e Wahrheit paßt auch, &#x017F;ehe<lb/>
ich, auf geringere Leute, denn mir geht es nicht an-<lb/>
ders. In der lä&#x017F;tigen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft fühle ich die Seele<lb/>
&#x017F;tets nur halb, und &#x017F;chrecklich i&#x017F;t mir &#x017F;chon der Ge-<lb/>
danke: jetzt &#x017F;oll&#x017F;t du, wo möglich, <hi rendition="#aq">aimable</hi> &#x017F;eyn! Da-<lb/>
gegen bin ich, wie Du weißt, eben in der Ein&#x017F;am-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0442] ſchmähliches Ende an der Nation rächt, und ſich auch vielleicht einmal ein engliſcher Dandy in Paris der ſchönen Augen einer Nachkommin Napoleons wegen erſchießt. Wir Deutſche begnügen uns, jenen Helden und ſein Geſchlecht in jeder Hinſicht nur von weitem zu bewundern, denn gleich der Sonne, that es einſt in der Mittagshitze nicht gut, zu nahe ſeinem Glanz zu wohnen, und heut iſt das Geſtirn untergegan- gen. *) Damit empfahl ich mich, und gab, zu Hauſe ange- kommen, ſogleich Befehl zur Beſchleunigung meiner Abreiſe. Hoffentlich werde ich im Stande ſeyn, mor- gen ſchon meinen Zug in entferntere, freiere Ge- genden zu beginnen, und ſobald ſoll kein ſtädtiſches, eingepferchtes Leben mir wieder nahen! Irgendwo ſagt Lord Byron von ſich: ſeine Seele habe nur in der Einſamkeit ihren vollen freien Wir- kungskreis gehabt. Dieſe Wahrheit paßt auch, ſehe ich, auf geringere Leute, denn mir geht es nicht an- ders. In der läſtigen Geſellſchaft fühle ich die Seele ſtets nur halb, und ſchrecklich iſt mir ſchon der Ge- danke: jetzt ſollſt du, wo möglich, aimable ſeyn! Da- gegen bin ich, wie Du weißt, eben in der Einſam- *) Wir haͤtten Bedenken tragen koͤnnen, das Vorhergehende im Texte ſtehen zu laſſen, wenn das Weſentliche der Be- gebenheit nicht ſchon, mit noch viel naͤheren, wenn gleich zum Theil unrichtigen Details, aus mehreren oͤffentlichen Blaͤttern dem Publikum bekannt geworden waͤre. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/442
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/442>, abgerufen am 27.11.2024.