Liebenswerthe so vernichtenden Castengeistes der hie- sigen Gesellschaft nicht ganz entgehen können. Man hat sie oft und auf häßliche Weise in der boshaften age angegriffen, ohne ihr jedoch schaden zu können. Sie steht zu hoch und zu lieblich dazu da.
Eine schottische Viscounteß, die ganz speziell im Schatten der fremden Herrscherin sich entfaltet hat, unter deren Fittigen ich sie vor 12 Jahren noch ziem- lich demüthig emporklimmen sah, hat seitdem allen Hochmuth, um nicht zu sagen, coarseness ihrer Berg- compatrioten angenommen. Von der erwähnten im- pertinenten Artigkeit hat sie nur die erste Eigenschaft zu erlangen verstanden, und würde, wenn sie nur ihren Mann und nicht auch ausserdem ein großes unabhängiges Vermögen und dadurch politischen Ein- fluß beherrschte, wohl schwerlich von ihrer hohen Gön- nerin auf den jetzt inne habenden Platz gestellt wor- den seyn, obgleich man in einem, so verschiedene Zwe- cke beabsichtigenden, weiblichen Ministerium auch zu- weilen odd characters gebrauchen mag. Vor 12 Jah- ren, als ich England zum erstenmal besuchte, war diese Dame recht hübsch, und damals schon in diplo- matischen Fesseln, aber anderer Art. Jetzt lebt sie blos der Modeherrschaft und der Politik.
Wie die nachsichtige Gouvernante der übrigen er- scheint eine dritte Lady, welche, glaube ich, auch auf den Titel einer deutschen Reichsgräfin Anspruch macht, der zwar in England sehr gering geachtet wird,
Liebenswerthe ſo vernichtenden Caſtengeiſtes der hie- ſigen Geſellſchaft nicht ganz entgehen können. Man hat ſie oft und auf häßliche Weiſe in der boshaften age angegriffen, ohne ihr jedoch ſchaden zu können. Sie ſteht zu hoch und zu lieblich dazu da.
Eine ſchottiſche Viscounteß, die ganz ſpeziell im Schatten der fremden Herrſcherin ſich entfaltet hat, unter deren Fittigen ich ſie vor 12 Jahren noch ziem- lich demüthig emporklimmen ſah, hat ſeitdem allen Hochmuth, um nicht zu ſagen, coarseness ihrer Berg- compatrioten angenommen. Von der erwähnten im- pertinenten Artigkeit hat ſie nur die erſte Eigenſchaft zu erlangen verſtanden, und würde, wenn ſie nur ihren Mann und nicht auch auſſerdem ein großes unabhängiges Vermögen und dadurch politiſchen Ein- fluß beherrſchte, wohl ſchwerlich von ihrer hohen Gön- nerin auf den jetzt inne habenden Platz geſtellt wor- den ſeyn, obgleich man in einem, ſo verſchiedene Zwe- cke beabſichtigenden, weiblichen Miniſterium auch zu- weilen odd characters gebrauchen mag. Vor 12 Jah- ren, als ich England zum erſtenmal beſuchte, war dieſe Dame recht hübſch, und damals ſchon in diplo- matiſchen Feſſeln, aber anderer Art. Jetzt lebt ſie blos der Modeherrſchaft und der Politik.
Wie die nachſichtige Gouvernante der übrigen er- ſcheint eine dritte Lady, welche, glaube ich, auch auf den Titel einer deutſchen Reichsgräfin Anſpruch macht, der zwar in England ſehr gering geachtet wird,
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Liebenswerthe ſo vernichtenden Caſtengeiſtes der hie-
ſigen Geſellſchaft nicht ganz entgehen können. Man
hat ſie oft und auf häßliche Weiſe in der boshaften
age angegriffen, ohne ihr jedoch ſchaden zu können.
Sie ſteht zu hoch und zu lieblich dazu da.
Eine ſchottiſche Viscounteß, die ganz ſpeziell im
Schatten der fremden Herrſcherin ſich entfaltet hat,
unter deren Fittigen ich ſie vor 12 Jahren noch ziem-
lich demüthig emporklimmen ſah, hat ſeitdem allen
Hochmuth, um nicht zu ſagen, coarseness ihrer Berg-
compatrioten angenommen. Von der erwähnten im-
pertinenten Artigkeit hat ſie nur die erſte Eigenſchaft
zu erlangen verſtanden, und würde, wenn ſie nur
ihren Mann und nicht auch auſſerdem ein großes
unabhängiges Vermögen und dadurch politiſchen Ein-
fluß beherrſchte, wohl ſchwerlich von ihrer hohen Gön-
nerin auf den jetzt inne habenden Platz geſtellt wor-
den ſeyn, obgleich man in einem, ſo verſchiedene Zwe-
cke beabſichtigenden, weiblichen Miniſterium auch zu-
weilen odd characters gebrauchen mag. Vor 12 Jah-
ren, als ich England zum erſtenmal beſuchte, war
dieſe Dame recht hübſch, und damals ſchon in diplo-
matiſchen Feſſeln, aber anderer Art. Jetzt lebt ſie
blos der Modeherrſchaft und der Politik.
Wie die nachſichtige Gouvernante der übrigen er-
ſcheint eine dritte Lady, welche, glaube ich, auch auf
den Titel einer deutſchen Reichsgräfin Anſpruch macht,
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/428>, abgerufen am 24.11.2024.
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