man es nennt, und vor allem eine vollkommen Ver- achtung für alle unter ihr stehenden. Man sieht auf den ersten Blick hieraus, daß die Natur einer sol- chen Gesellschaft höchst kleinstädtisch in ihren einzelnen Cotterien werden muß, was sie gar sehr von der Pariser unterscheidet.
Obgleich nun die Aristokratie, wie ich bemerkte, als solche nicht an der Spitze dieses seltsamen Gan- zen steht, so übt sie doch den größten Einfluß darin aus. Es ist sogar schwer, fashionable zu werden ohne vornehmer Abkunft zu seyn, aber man ist es auch noch lange nicht, wenn man vornehm, noch weniger, weil man reich ist. So ist es beinahe lächerlich, zu sagen, aber doch wahr, daß z. B. der jetzige König, Georg IV., höchst fashionable ist, der vorige es nicht im Geringsten war, und keiner der Brüder des jetzi- gen es ist, was übrigens zu ihrem größten Lobe dient, da ein wahrhaft ausgezeichneter Mann nie fri- vol genug seyn wird, um in dieser Categorie sich auf die Länge behaupten zu können, noch zu mögen. Dennoch würde es auch mißlich seyn, bestimmt anzu- geben, was auf der andern Seite eigentlich die höch- sten Stellen in jener Sphäre verbürge. Man sieht abwechselnd die heterogensten Eigenschaften darauf Posto fassen, und auch politische Motive können in einem Lande wie dieses nicht immer ohne Einfluß darauf bleiben, doch glaube ich, daß Caprice und Glück, und vor Allem die Weiber, auch hierin, wie in der übrigen Welt, das meiste thun.
man es nennt, und vor allem eine vollkommen Ver- achtung für alle unter ihr ſtehenden. Man ſieht auf den erſten Blick hieraus, daß die Natur einer ſol- chen Geſellſchaft höchſt kleinſtädtiſch in ihren einzelnen Cotterien werden muß, was ſie gar ſehr von der Pariſer unterſcheidet.
Obgleich nun die Ariſtokratie, wie ich bemerkte, als ſolche nicht an der Spitze dieſes ſeltſamen Gan- zen ſteht, ſo übt ſie doch den größten Einfluß darin aus. Es iſt ſogar ſchwer, faſhionable zu werden ohne vornehmer Abkunft zu ſeyn, aber man iſt es auch noch lange nicht, wenn man vornehm, noch weniger, weil man reich iſt. So iſt es beinahe lächerlich, zu ſagen, aber doch wahr, daß z. B. der jetzige König, Georg IV., höchſt faſhionable iſt, der vorige es nicht im Geringſten war, und keiner der Brüder des jetzi- gen es iſt, was übrigens zu ihrem größten Lobe dient, da ein wahrhaft ausgezeichneter Mann nie fri- vol genug ſeyn wird, um in dieſer Categorie ſich auf die Länge behaupten zu können, noch zu mögen. Dennoch würde es auch mißlich ſeyn, beſtimmt anzu- geben, was auf der andern Seite eigentlich die höch- ſten Stellen in jener Sphäre verbürge. Man ſieht abwechſelnd die heterogenſten Eigenſchaften darauf Poſto faſſen, und auch politiſche Motive können in einem Lande wie dieſes nicht immer ohne Einfluß darauf bleiben, doch glaube ich, daß Caprice und Glück, und vor Allem die Weiber, auch hierin, wie in der übrigen Welt, das meiſte thun.
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man es nennt, und vor allem eine vollkommen Ver-
achtung für alle unter ihr ſtehenden. Man ſieht auf
den erſten Blick hieraus, daß die Natur einer ſol-
chen Geſellſchaft höchſt kleinſtädtiſch in ihren einzelnen
Cotterien werden muß, was ſie gar ſehr von der
Pariſer unterſcheidet.
Obgleich nun die Ariſtokratie, wie ich bemerkte,
als ſolche nicht an der Spitze dieſes ſeltſamen Gan-
zen ſteht, ſo übt ſie doch den größten Einfluß darin
aus. Es iſt ſogar ſchwer, faſhionable zu werden ohne
vornehmer Abkunft zu ſeyn, aber man iſt es auch
noch lange nicht, wenn man vornehm, noch weniger,
weil man reich iſt. So iſt es beinahe lächerlich, zu
ſagen, aber doch wahr, daß z. B. der jetzige König,
Georg IV., höchſt faſhionable iſt, der vorige es nicht
im Geringſten war, und keiner der Brüder des jetzi-
gen es iſt, was übrigens zu ihrem größten Lobe
dient, da ein wahrhaft ausgezeichneter Mann nie fri-
vol genug ſeyn wird, um in dieſer Categorie ſich
auf die Länge behaupten zu können, noch zu mögen.
Dennoch würde es auch mißlich ſeyn, beſtimmt anzu-
geben, was auf der andern Seite eigentlich die höch-
ſten Stellen in jener Sphäre verbürge. Man ſieht
abwechſelnd die heterogenſten Eigenſchaften darauf
Poſto faſſen, und auch politiſche Motive können in
einem Lande wie dieſes nicht immer ohne Einfluß
darauf bleiben, doch glaube ich, daß Caprice und
Glück, und vor Allem die Weiber, auch hierin, wie
in der übrigen Welt, das meiſte thun.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/416>, abgerufen am 27.11.2024.
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